Auf zum Nordkap…


Wie? Was hat denn das Nordkap mit Venedig zu tun? Hier liegt wohl ein Schreibfehler vor… Tatsächlich handelt es sich aber um einen Planungsfehler, der sich letztendlich dafür verantwortlich zeichnet, dass wir statt ans Nordpolarmeer in Richtung Mittelmeer radeln.
Okay…
Es ist April und es juckt uns in den Beinen, wir wollen uns wieder einmal auf dem Rad versuchen. Grundlage der Planung ist der Wunsch, in Europa zu fahren und möglichst wenig anderweitige Verkehrsmittel zu nutzen. Schnell stehen Spanien und/oder Portugal auf der Liste, aber es zeigt sich, dass der Transport dorthin sehr umständlich ist. Osteuropa hatten wir kürzlich, und so kommen wir bald auf Schweden und Norwegen, da drängt sich das Nordkap als Reiseziel förmlich auf. Einwände von außen, die Witterungsbedingungen in Nordeuropa ließen eine solche Fahrt nicht zu, sehen wir zwar als gerechtfertigt an, aber wir glauben auch, der Weg zum Nordkap sei so weit ist, dass wir in das „richtige Wetter“ hineinradeln. Gesagt, getan, die Fahrräder werden abgestaubt, ein wenig geölt und gefettet und wir reisen mit der Bahn nach Pinneberg, buchen dort eine Passage Kiel – Göteborg, radeln nach Kiel, schippern nach Göteborg und beginnen am 10. April unser Nordkap-Abenteuer.

Impressionen aus Schweden


In Göteborg ist es bei unserem Aufbruch in der Frühe eiskalt und dies wird sich in den nächsten zehn Tagen kaum ändern. Die Route geht nordwärts über Stora Höga, die Insel Orust und Vasbotten nach Norwegen hinein. Dort erklärt man uns, dass es zurzeit fast unmöglich sei, auf norwegischer Seite das Nordkap zu erreichen. Dieses Jahr sei der Winter sehr spät gekommen und selbst um Oslo herum läge noch mehr als ein Meter Schnee. Wir sollten daher die Route über Schweden versuchen.
Wohl denn, dann über Schweden. Bei Örje biegen wir nach rechts ab und radeln über Charlottenberg und Torsby nach Malung. In Malung ist ein Campen auf dem Zeltplatz angesichts der Schneemassen schon gar nicht mehr drin und auch auf den vorherigen Etappen nahmen wir öfter ein Zimmer als einen Zeltplatz. Selbst wenn der Platz schneefrei war, war der Untergrund so nass, dass an Zelten gar nicht zu denken war.
So kommt es, wie man uns prophezeite. Nach langem Hin und Her und schweren Herzens beschließen wir, die Tour abzubrechen. Vielleicht ist es die richtige Entscheidung, denn selbst wenn wir uns mit der Kälte arrangieren können, die Landschaft ist noch so grau und nichtssagend, dass der Spaß am Radfahren wohl auf der Strecke bliebe.

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Wir fahren mit der Bahn zurück nach Göteborg, was nicht einfach ist, da die schwedischen Intercity-Züge keine Radfahrer mitnehmen. Allenfalls in den Regionalbahnen ist die Mitnahme der Drahtesel erlaubt und so müssen wir sechsmal umsteigen bevor wir spät abends Göteborg erreichen. Unterwegs haben wir genug Zeit, das weitere Vorgehen zu planen, und schon bald nimmt uns die Idee einer Alpenquerung Richtung Venedig gefangen. Die klassische Route ist die ‚Via Claudia Augusta‘ von Donauwörth über den Fern- (1.215 m) und Reschenpass (1.450 m), neuerdings bietet sich zudem die Tour von München über den Brenner-Pass (1374 m) und den Passo Cimabanche (1530 m) an.
Wir entscheiden uns für die zweite Option und können heute gar nicht mehr sagen, was ausschlaggebend für diese Wahl war. Die Länge der Tour wird mit 560-600 km angeben und soll in 7-9 Tagen zu schaffen sein. Als Hobbyradler ist uns angesichts einer Überquerung der Alpen schon ein wenig mulmig zumute, allerdings glauben wir an die bisher erradelte Kondition, na ja, im schlimmsten Fall kann man das Rad ja noch schieben (was auch einen schönen Titel für einen Reisebericht hergäbe).

Zahlen & Fakten
  • Länge: München Venedig: ca. 550 Kilometer / Kiel Venedig: ca. 1750 km
  • Schwierigkeit: Fitness | Höhenprofil
    Von Kiel nach Mainz ist das Terrain noch relativ flach, Etappen zwischen 60-80 km bereiten bei normaler Fitness keinerlei Problem. Die Schwäbischen Alp wird Flachlandradlern erste brennende Oberschenkel bescheren, eignet sich jedoch gut als „Trainingsstrecke“ für die Alpen. Die Überquerung der Alpen wird leichter als gedacht, nicht verwunderlich, haben wir schon mehr als 1500 km in den Beinen. Ab Peraolo ist die Fahrt nach Mestre dann ein Kinderspiel.
  • Orientierung: Der Radweg von München nach Venedig ist in weiten Teilen gut ausgeschildert. Dies gilt insbesonder in den Ländern Deutschland und Österreich, in Italien hatten wir ab Cortina d’Ampezzo den Eindruck, dass das Interesse an einer Logo Radfernweg München-Venedig hinreichenden Beschilderung etwas erlahmt. Wer gerne Schleichwege fährt, sollte u.U. auf diverse Radrouten-Bücher zurückgreifen, ansonsten ist eine normale Straßenkarte „Mittel-Europa“ ausreichend. Die angesprochenen Bücher haben den Vorteil detaillierter Hintergrundinformationen zu den Attraktionen am Wegesrand. Nachteilig ist das Gewicht und die Umständlichkeit in der Handhabung. Der Radweg verläuft zum Großteil auf asphaltierten Wegen, wer in der Schweiz die holperigen Forstwege benutzen möchte…, Geschmacksache.
  • Übernachtung: Campingplätze, (Rad-)Gasthäuser, Hotels…, für jeden Geldbeutel ist reichlich vorhanden. In der Hochsaison könnte es ratsam sein, die eine oder andere Unterkunft vorzubuchen.
Tourenkarte Kiel – Venedig
Tourenkarte Kiel-Venedig
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Die Vorbereitungen zum München-Venedig-Trip sind denkbar ‚einfach‘. Zunächst werden die knapp 900 Kilometer von Kiel nach München zu bewältigen sein. Bei einem Pit-Stop in der Heimat in Essen und Velbert reduzieren wir die Ausrüstung um etwa 10 kg pro Fahrrad (insbesondere die Winterklamotten fliegen aus den Taschen) und das Tunnelzelt wird gegen ein leichteres und aufbaufreundlicheres umgetauscht. Bei der Planung der Route wird schnell klar, dass wir einen Umweg fahren müssen, da Sabine unter allen Umständen Heidelberg und Schloss Neuschwanstein besuchen will. Letztlich verzichten wir diesmal auf papiernes Kartenmaterial, die ‚Here we go‘-App wird ausreichen, zumal die Richtung recht klar ist, die Radwege in Europa gut beschildert sind und wir immer noch einen Mund haben, um nach dem Weg zu fragen.
Auf die Vorweg-Buchung irgendwelcher Unterkünfte verzichten wir wohlweislich, da wir uns in Bezug auf das zu strampelnde Tagespensum nicht festlegen wollen und/oder können. Schlechtes Wetter oder anderweitige Unpässlichkeiten zwingen manchmal zur Verkürzung der Tagesetappen, na ja, und dann steht man da mit seinem vorbestellten Hotel.
Also, rein ins Vergnügen und sehen, was kommt.

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