Am Ende einer Reise…
Eigentlich wollten wir in Breslau ein paar Tage nichts machen, eigentlich wollten wir hier Zugfahrkarten nach Deutschland kaufen, eigentlich…
Wir schlafen erst einmal eine Nacht darüber und da das Wetter eher ausladend ist, hängen wir den halben Tag im Hostel ab. Gegen Nachmittag fällt uns aber die Decke unseres kleinen, nichtsdestoweniger heimeligen Zimmers auf den Kopf und wir machen uns mit der Straßenbahn auf den Weg in die Innenstadt Breslaus. Wir schaffen es gerade bis zum Marktplatz und zur Oder, bevor sich wieder einmal der Himmel öffnet und alles durchnässt. Was für ein Sommer! Wir kochen uns im Hostel ein Abendessen, trinken dazu polnisches Bier und kommen zu dem Entschluss, dass es noch zu früh sei, um mit dem Zug nach Deutschland zu fahren. Bei dieser gewichtigen Entscheidung verbleibt es an jenem Abend, wir fallen ins Bett und träumen von meteorologischem Hochdruck.
Dieser zeigt sich auch gleich am nächsten Morgen und bald sitzen wir wieder in der Straßenbahn, lassen uns von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gondeln, unterhalten uns mit ein paar Polen, die allerdings an uns nicht so ein großes Interesse haben wie etwa die Asiaten und auch ihr Englisch nicht verbessern wollen. Wir beobachten die Touristen und die Einheimischen und finden, dass Breslau eine sehr interessante Stadt ist, in der man es ein paar Jahre aushalten könnte… oder länger. Nicht ganz so schön wie Krakau, aber auch nicht so touristisch und irgendwie lebhafter und … echter. Beim Mittagessen in einer winzigen Kneipe greifen wir noch einmal den gestrigen Gedanken auf und beschließen, am Rande des Riesengebirges entlang gen Deutschland zu fahren und dann irgendwo bei Görlitz über die Grenze zu gehen. Unsere Vorräte werden aufgefüllt und am Tag unserer Abreise klagt Frank über eine verstopfte Nase, Kopf- und Gliederschmerzen und Fieber (über das letztere klagt er eigentlich ständig, der Hypochonder).

Die ersten Kilometer geht es quer durch Breslau, der Verkehr ist noch erträglich, ist es doch noch früh am Morgen. Wegen Franks Erkältung fahren wir etwas verhaltener und wir brauchen für die ersten dreißig Kilometer fast drei Stunden. In Sobotka gibt es ein zweites Frühstück und den bekannten Inselberg Sleza, der sich in 720 Meter Höhe aus der schlesischen Ebene heraushebt. Der Berg ist ein Wahrzeichen Schlesiens, auf seiner Spitze fand sich eine bronzezeitliche Kultstätte. Wir schaffen es heute aber nicht auf den Berg, wollen wir doch wenigstens Świdnica (Schweidnitz) erreichen. Wir radeln am Fuße des Sleza, um dann doch irgendwann wieder auf die Hauptstraße zu stoßen und knapp zwei Stunden später erreichen wir Schweidnitz, das vor allem durch seine Friedenskirche, die seit 2001 zum Weltkulturerbe gehört, bekannt ist. Świdnica ist auch sonst baulich recht nett und verfügt gar über einen mückenverseuchten Campingplatz mit angeschlossenem Freibad. Später erfahren wir, dass Manfred von Richthofen („Der rote Baron“) hier aufwuchs. Ob der auch hier zeltete? Gegen Abend treffen wir in der Stadt ein Pärchen aus Frankfurt, die verzweifelt auf der Suche nach jener Örtlichkeit ist. Sie haben den Weg von Görlitz mit dem Rade angetreten, nach eigener Auskunft aber hundert Kilometer mehr verfahren als geplant; ihre Karten sind auch wirklich von sehr grobem Maßstabe. Nachdem sie ihr Zelt aufgebaut haben, setzt auch gleich wieder ein verheerender Regenschauer ein und unsere Unterhaltung findet ein jähes Ende. Wir erfahren am nächsten Tag aber noch, dass sie auf dem Weg nach Krakau sind, hoffentlich haben sie das bei diesen Landkarten gefunden. Wir machen uns schließlich auch auf den Weg, kommen aber nur bis zum Bahnhof Świdnica, Frank geht es wirklich nicht gut und wir beschließen, die Fahrt bis nach Jelenia Gora auf die Schiene zu verlegen.
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Obschon es uns gar nicht behagt, wieder mit der Bahn fahren zu müssen, hat dieser Umstand auch etwas Positives. Da es keine Direktverbindung nach Jelenia Gora gibt, müssen wir in Jaworzyna Slaska umsteigen. Dies wiederum gibt uns die Gelegenheit, das nette und informative Eisenbahnmuseum zu besuchen. Von Dampflok bis E-Lok kann man alles besteigen, befummeln und betrachten. Außerdem gibt es ein paar Informationen über die Rolle der Eisenbahn während der Deportation und Vertreibung im und nach dem Zweiten Weltkrieg. In einem kleinen und feinen Restaurant essen wir zum ersten Mal unsere Zurek aus einem Brotlaib und fahren nicht viel später die letzten Kilometer mit der Bahn nach Jelenia Gora. Und sind ärgerlich, denn die Landschaft ist sehr schön, es wäre sicherlich eine, wenn auch anstrengende, so doch spannende Radtour geworden. Na ja, beim nächsten Mal. Jelenia Gora (dt. Hirschberg) hat uns nicht umgehauen, es gibt den üblichen Marktplatz, diverse Kirchen, alles schön bunt und neu restauriert und doch irgendwie… eine etwas unterkühlte Atmosphäre. Dazu trägt bestimmt der öde Campingplatz bei und das unsere Reise einem Ende zugeht, vielleicht haben wir jetzt auch genug von Marktplätzen und Rathäusern. Wir sind aber überzeugt, dass es nach Süden hin zur Schneekoppe sehr schön sein muss. Wie dem auch sei, innerlich haben wir wohl abgeschlossen, der Campingplatz kann uns auch nicht aufheitern, obgleich wir das wahrscheinlich längste Wohnmobil der Welt sehen (benutzt von einem (!) Pärchen) und Frank sich wieder herrlich aufregt über die kleinbürgerlichen Mitcamper („Entschuldigung, wissen Sie, ob es hier einen Supermarkt gibt?“, „Nein, wir haben alles dabei.“ ?!? Gespräch beendet). Ihm geht es immer noch nicht besser und, na ja, dann fahren wir eben noch einmal mit der Bahn. Ist jetzt eh alles egal.
Der Zug fährt allerdings nur bis Gryfow Slanski, von hier aus müssen wir mit dem Rad bis Luban und dann noch einmal in die Bahn bis Zgorzelec (Görlitz). Hier verballern wir unsere letzten Zloty, essen zum letzten Mal Piroggen und treffen auf dem hiesigen Campingplatz (mit fürchterlichen sanitären Anlagen) eine bunt zusammengewürfelte Radreisegruppe, die nach Krakau unterwegs ist und unsere Tipps dankbar annimmt.
Das Radabenteuer Polen ist zu Ende, wir überqueren die Grenze zu Görlitz, ein sehr schönes Städtchen, besteigen den Zug nach Hamburg, beantragen dort unser Visum für China, setzten uns noch einmal auf das Rad und düsen von Hamburg nach Oyten. Ein letztes Camp am Oyter See, dann hat auch Sabine die Erkältung erwischt und jetzt hat keiner von uns beiden mehr Lust, aufs Rad zu klettern. In Achim besteigen wir noch einmal einen Zug und sind am Nachmittag zurück in der Heimat.
Etappen: 2
Anstieg: 1409m | Abstieg: 1260m
Unterkunft in
Schweidnitz – Camping Nr 231, ul. Śląska 37, 58-100 Świdnica
Jelenia Góra – Auto Camping Park (nr. 130), ul. Sudecka 42 a, Jelenia Góra
Oyten (D) – KNAUS Campingpark Oyten am See,Oyter See 1, 28876 Oyten
Datum | Etappe von – nach | km | km total | Zeit | HöhM | Temp. | |
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20.07.12 | Breslau – Świdnica | 56.96 | 1985 | 4:11 | 215 | 23° | C |
21.07.12 | Bahnfahrt Świdnica – Jelenia Góra | 86 | xxx | 2:30 | xxx | 25° | C |
22.07.12 | Bahnfahrt Jelenia Góra – Gyfrow Śląnsk | 30 | xxx | 1:00 | xxx | 25° | X |
22.07.12 | Gyfrow Śląnsk – Lubań | 24.04 | 2010 | 1:58 | 45 | 25° | X |
22.07.12 | Bahnfahrt Lubań – Zgorzelec | 25 | xxx | 1:00 | xxx | 25° | C |
23.07.12 | Bahnfahrt Görlitz – Pinneberg | 528 | xxx | 8:12 | xxx | 26° | P |
25.07.12 | Bahnfahrt Pinneberg – Buxtehude | 45 | xxx | 1:18 | xxx | 26° | X |
25.07.12 | Buxtehude – Oyten | 88.96 | 2099 | 5:11 | 140 | 27° | C |
26.07.12 | Bahnfahrt Oyten – Essen | 265 | xxx | 4:25 | xxx | 28° | X |