Kultur, Geschichte & Ackerbau


Tasmaniens Norden ist ein schöner „Kessel Buntes“, von abwechslungsreicher Natur über größere und kleinere Städte mit vibrierender Kulturszene und lebhafter Geschichte bis hin zu den profanen Genüssen wie Essen und Trinken…, irgendwie scheint im Norden jeder Reisende auf seine Kosten zu kommen.
Wie auch immer, auf staubiger Piste verlassen wir den Mt. William Nationalpark in westliche Richtung, um wieder auf den Highway A3 zu gelangen, der uns hoffentlich nach Launceston, die zweitgrößte Stadt auf der Insel, bringen wird. Hügelige, mit Wald bestandene Gegend wechselt sich mit solcher, die für die Landwirtschaft genutzt wird, insbesondere Viehzucht und Mohnanbau (Tasmanien ist der weltgrößte Produzent von Schlafmohn, der für Opiate verwendet wird) beherrschen für einige Zeit die Szenerie. Die erste größere Siedlung auf der A3 ist Derby, einst ein prosperierendes Zinn-Minen-Städtchen, bis 1929 der lokale Staudamm brach und den Ort hinwegfegte. Nur langsam erholt sich Derby von diesem Erlebnis, der Tourismus hält aber wieder Einzug, insbesondere Mountainbiking in die nahen Berge scheint das Zugpferd der Zukunft zu sein. An sich wäre so eine Radfahrt eine schöne Sache, aber wir merken, dass Urlaub wie das „richtige Leben“ ist, ständig muss man Für und Wider abwägen, Entscheidungen treffen, Budgets im Auge behalten, kurz: aus der Radtour wird nichts.
Verlässt man die A3 kurz hinter Branxholm und folgt der C423 für ein paar Meilen, gelangt man nach Legerwood. Hier gibt es nicht viel bis wenig zu tun, der Abstecher ist aber doch recht interessant. 1914, Legerwood hat noch nicht einmal einen Namen, zogen 25 Männer aus der Gegend in den Ersten Weltkrieg, sieben verloren dabei ihr Leben. Zur Erinnerung wurden 9 Bäume gepflanzt, die Bedeutung dieser Bäume geriet fast in Vergessenheit. Als sie 1999 aus Sicherheitsgründen gefällt werden sollten, erinnerte man sich der Historie und ein örtlicher Kettensägen-Bildhauer schnitzte die Geschichte der 7 Soldaten in Holz. In der schnuckeligen Farmer-Ortschaft Scottsdale heißt es Obacht geben, da die A3 einen scharfen Links-Knick macht, den man übersehen kann und dann weiter nach Norden fährt, bevor man ins Meer fällt. Wir bleiben jedoch auf dem Highway, der sich hinter Springfield auf 585 Meter Höhe windet und über fast 20 Kilometer die Sideling Range überquert. Vom höchsten Punkt des Bergzuges hat man einen schönen Blick auf den umliegenden Bezirk Dorset, danach lässt man sich einfach bis Launceston hinabrollen…

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Am Rande von Launceston finden wir einen aufgeräumten Campingplatz ohne besondere Eigenschaften und machen noch am gleichen Tage einen Bummel durch die Innenstadt. Die Architektur ist geprägt von einer bunten Mischung aus Prä- und Postmoderne, dazwischen etwas Art Deco und Kolonial- bzw. Viktorianischer Stil. Australiens zweitälteste Stadt am Tamar River ist darüber hinaus ein lebendiges Zentrum für Essen und Wein, Kultur und Natur. Gerade auf letztere haben wir es abgesehen und halten uns daher nicht lange in Launceston auf. Nicht weit vom Zentrum liegt die Cataract Gorge, eine Felsschlucht, durch die sich der Fluss South Esk jeden Tag zwängen muss. Wer Lust hat, kann hier ein bisschen wandern und sich am Second Basin das älteste Wasserkraftwerk Australiens ansehen. Ein paar Kilometer westlich von Launceston lohnt außerdem der Besuch der Tamar Island Wetlands, ein Feuchtgebiet, das einem Haufen Wasservögel eine adäquate Heimat bietet. Neben einem Info-Center am Eingang besteht die Möglichkeit, ca. 3 Kilometer (Hin- und Rückweg) zur Tamar Island zu laufen, zwischendrin gibt es Unterstände, um die etwa 40 verschiedenen Vogelarten in der Lagune zu beobachten.
Launceston ist nicht nur ein Highlight im Norden Tasmaniens, sondern auch Treffpunkt einer gewissen Anzahl von Highways, die, aus allen Richtungen kommend, in alle Richtungen führen. Wir entscheiden uns nach kurzer Knobelei (Stein, Schere, Papier…) für die A1 gen Devonport. Die nächsten 100 Kilometer dorthin verzeichnen wir so etwas wie einen Filmriss, wir fahren wahrscheinlich durch eine Landschaft, essen unterwegs zweifelsfrei einen typisch englischen meat pie (Fleischpastete), sind dann noch einmal für ein paar Kilometer in Landschaft und gelangen schließlich in die Industrie- und Hafenstadt Devonport. Die Stadt beherbergt u.a. den An- und Abfahrtshafen für Fähren aus Melbourne, die hiesigen Parklätze sind für unser wuchtiges Gefährt viel zu klein, aber es gibt einen Kathmandu-Outdoorshop (Sonnenhüte werden erworben) und einige große Supermärkte, sodass Vorräte ergänzt werden können.

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Die folgenden knapp 80 Kilometer von Devonport bis Wynyard sind ein wenig reizarm. Obgleich die Küste mit einladenden Strandabschnitten nicht unschön ist, so ist dieser Teil Tasmaniens doch ziemlich dicht besiedelt, man fährt von einem Ort in den anderen und erst in Wynyard halten wir unser Wohnmobil wieder an. An einem kleinen Strandstreifen nahe der Ortschaft, dem Fossils Bluff, kann man in dem weichen Sandstein nach versteinerten Muscheln, Schnecken und Ähnlichem suchen und vielleicht auch etwas finden. Als ungeübte Fossiliensucher stochern wir nur erfolglos im Sand und lassen uns die steife Brise um die Nase wehen.
Gar nicht weit von Wynyard liegt eine der großen landschaftlichen Sehenswürdigkeiten der Gegend, das Table Cape. Das 180 Meter hohe Kap bietet einen spektakulären Blick auf die Küste das Hinterland. Von der Aussichtsplattform kann man bei klarem Wetter fast bis George Town blicken und sieht die mehr als 150 Kilometer entfernten Gebirgsketten. Ein kleiner Spaziergang zu Table Cape Leuchtturm, den man gar besichtigen kann, ist auch noch drin und schön ist es, einfach hier zu sitzen, den Vögeln bei ihrem Tagwerk zuzusehen und auf das Meer hinauszusehen…
Nur eine Handvoll Kilometer weiter im Nordwesten (und dann auf der C227 rechts) liegt Rocky Cape im gleichnamigen Nationalpark. Heute sind wir die einzigen Besucher dieser schroffen Felsküste, an der auch – wie in der Bay of Fires – viele Steine mit orangefarbenem Moos überzogen sind und einen fotogenen Kontrast zum Blau des Meeres und Grün der Vegetation bilden. Den weiteren Highlights dieses Nationalparks, zwei Höhlen der Aborigines, können wir nicht ganz so viel abgewinnen, außer zwei Löchern im Fels mit Info-Tafeln davor ist nicht viel zu sehen, was einen Aufenthalt verlängern würde.

Küste am Rocky Cape
Küste am Rocky Cape
Aborigines-Höhle am Rocky Cape
Aborigines-Höhle am Rocky Cape

Die letzte Etappe im Norden Tasmaniens führt vom Rocky Cape entlang der A2 bis in die kleine historische Ortschaft Stanley. Am Fuße der über 150 Meter hohen Halbinsel The Nut, die Pinguin-Hinweis
Pinguin-Hinweis
vulkanischen Ursprungs ist, sind in Stanley noch viele Kolonialgebäude erhalten, die einst den ersten Europäern, die den Westen Tasmaniens eroberten, als Behausung dienten. Gegründet wurde die Kleinstadt von der Van Diemen’s Land Company aus England, die ab den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts das Gebiet im Nordwesten landwirtschaftlich nutzen durfte. Der Leiter des örtlichen Zweigs der Van Diemen’s Company baute sich weiter nördlich im Hochland, in Highfield eine Farm und ein Wohnhaus, beide können heute gegen Bares besichtigt werden. Von Highfield hat man eine exzellente Aussicht auf das Kap, vom Kap – das mit einer Seilbahn oder zu Fuß erreicht werden kann – wiederum bietet sich eine schöne Rundum-Sicht auf die Küste und das Hinterland. Stanley ist noch ziemlich verschlafen, von Touristenströme glücklicherweise bisher verschont, lohnt es sich, durch die Straßen zu wandern, zu Mittag Fish & Chips zu essen und einfach die Historie und die Ruhe auf sich einwirken zu lassen.

Stanley und "The Nut" / Tasmanien
Stanley und „The Nut“ / Tasmanien
Highfield-Farm / Stanley
Highfield-Farm / Stanley
Gefangenen-Barracken / Stanley
Gefangenen-Barracken / Stanley
Kolonialbauten in Stanley / Tasmanien
Kolonialbauten in Stanley
Ein paar Details

Fahrstrecke ca. 412 Kilometer
Übernachtung in:
Launceston – BIG4 Launceston Holiday Park, 86 – 94 Glen Dhu Street, Launceston
Rocky Cape – Rocky Cape Tavern National Park Camping, 19375 Bass Highway, Rocky Cape, nettes Restaurant an der Einfahrt
Eintritt usw.:
Launceston Cataract Gorge Reserve – Eintritt frei, lediglich der Sessellift kostet um die Aus$ 10
Tamar Island Wetlands – Aus$ 3 (2015)
Table Cape – Eintritt frei
Rocky Cape Nationalpark Da Nationalpark, muss entweder eine Tageskarte (Aus$ pro Auto mit max 8 Personen) gekauft oder der Holiday Pass vorgezeigt werden

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