Der ‘kleine’ Süden


Nur wenig hinter Curanipe verlassen wir Chiles Mitte und fahren in den ‚kleinen Süden‘ des Landes – der ‚große Süden‘ beginnt erst mit Patagonien. Auf dem Highway Nr. 5 passieren wir Chillán und Los Ángeles und übernachten bei Anbruch der Dunkelheit in der kleinen Stadt Collipulli. Der Ort ist an sich reizarm, verfügt aber über ein nationales Monument, das Malleco Viaduct. Diese Eisenbahnbrücke aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war zu ihrer Zeit immerhin die höchste ihrer Art weltweit. Und nicht weit von jener Brücke fallen die Wasser des Rio Laja mit viel Getöse knapp 40 Meter in die Tiefe. Der Wasserfall ist nicht spektakulär (sicherlich imposanter in der Regenzeit), aber schön. Leider teilt er das Schicksal vieler Sehenswürdigkeiten der Welt: Spießrutenlauf durch Verkaufsbuden, Müll woauchimmer und zahllose Touristen, die keinen Sinn für die Schönheit der Natur haben, sondern nur da sein wollen, wo etwas los ist.

Reisekarte

Route | Übernachtungen | Übern. in Nationalparks | Sehenswertes

Immer tiefer dringen wir in den Distrikt Araucanía, benannt nach dem Nationalbaum Chiles (dem Araucaria araucana), vor. Und je weiter wir Richtung Süden fahren, umso mehr ändert sich die Landschaft. Wie Perlen an einer Kette reihen sich Vulkane, Urwälder und kristallklaren Seen auf, ohne dass ein Ende abzusehen wäre. Zudem sind die Temperaturen angenehmer als im Norden, allerdings regnet es auch öfter. Der kleine Süden ist eines der beliebtesten Reiseziele in Chile für Naturfreunde und Outdoor-Aktivisten. Bereits kurz hinter Temuco geht es los: im Conguillío Nationalpark gibt es zahllose Wandermöglichkeiten in den Araukarienwäldern rund um den aktiven Vulkan Llaima (3.125 m), am Lago Villarica mit dem Vulkan gleichen Namens (2.847 m) als Kulisse ist Wassersport und Hundeschlitten-Fahren angesagt, in Pucón, dem Mekka für Abenteuersport, wird Reiten, Mountainbiking, Klettern, Rafting, Kayaking und mehr angeboten, die müden Knochen regenerieren sich am besten in den heißen Wassern der Termas Geometricas bei Coñaripe. Und die Liste ließe sich noch ewig fortsetzen.

Malleco Viaduct / Chile
Malleco Viaduct – ehemals Chiles höchste Eisenbahnbrücke
Rio Laja-Wasserfall
Rio Laja-Wasserfall

Outdoor-Aktivitäten kommen für uns angesichts der Knie-Geschichte diesmal nicht infrage, es bleibt bei Rundfahrten, die von kleineren Spaziergängen unterbrochen sind. In Panguipulli am See des gleichen Namens erbauen wir uns an Natur und historischen Holzhäusern und vergessen in einer Filiale der Santander-Bank unsere EC-Karte, was uns allerdings erst eine Woche später auffällt, stellen fest, dass es keine geeigneten Campingplätze gibt und machen uns auf den Weg nach Los Lago im Distrikt Los Lagos.

✦✦✦

Wie der Name Los Lagos schon vermuten lässt, sind Seen in diesem Distrikt die vorherrschenden Gewässer. Aber diese Region hat für uns als Deutsche auch ein recht interessantes Kapitel der Geschichte parat. Solange Chile spanische Kolonie war, wurde die Einwanderung von Europäern sehr restriktiv gehandhabt. Erst nach der Unabhängigkeit Chiles im Jahre 1818 war die Immigration erlaubt, ab 1848 wurde sie offiziell gefördert. So wurde der Seemann und Naturforscher Bernhard Philippi beauftragt und nach Deutschland entsandt, um Kolonisten anzuwerben. Diese Zuwanderer, die bestimmte Qualitätsmerkmale haben sollten (z.B. bestimmte Ausbildung, genug Geld für die Überfahrt u.a.) sollten rund um den Llanquihue-See angesiedelt werden. Als Lohn für ihre Mühen erhielten die Auswanderer etwa 15 bis 23 Hektar Land erhalten und für eine gewisse Zeit Steuerfreiheit. In vielen Städten in kleinen Süden Chiles kann man bis heute noch Zeugnisse dieser Kolonisation durch Deutsche entdecken, insbesondere in Valdivia, Osorno, Frutillar und Puerto Varas. In Frutillar gibt es heute ein Freiluftmuseum, dass sich mit diesem Teil der chilenisch-deutschen Geschichte beschäftigt.

✦✦✦

Von Puerto Varas am Südufer des Llanquihue-Sees gelangt man über die CH 225 in den kleinen Ort Ensenada. An sich nichts Besonderes, aber in Ensenada gibt es einen sehr schönen Campingplatz mit einem Strand direkt am Llanquihue-See. Von diesem Strand kann man die Vulkane Osorno (2.562 m) und Calbuco (2.003 m) sehen. Außerdem hat man hier die Möglichkeit, über eine neue Asphaltstraße bis zu einer Berghütte am Fuß des Osorno in 1300 m Höhe zu fahren. Etwa 10 Kilometer östlich liegen die Saltos de Petrohué, die Wasserfälle des Rio Petrohué, der in de Lago Todos los Santos fließt. Die Wasserfälle mit dem Orsorno-Vulkan sind ein beliebtes Fotomotiv bei Chilenen und Touristen.
Wir verlassen langsam die Region Los Lagos und machen uns auf den Weg nach Puerto Monnt, einer eher etwas langweiligen Hafenstadt. Von dort sind es noch etwa 60 Kilometer Richtung Südosten bis in den kleinen Küstenort Pargua. Ab hier gibt es Autofähren nach Chacao, eine kleine Siedlung im Norden der Insel Chiloé.

Ein paar Details

Entfernung Chillán – Pargua (Fähre) ca. 885 km
Übernachtung in
Collipulli Hotel di Carlo, Calle O“carrol 1229, GPS: -37.957833,-72.434382
Los Lagos Hostal el Refugio, Quinchilca 225, GPS: -37.957833,-72.434382
Ensenada Camping Montaña bzw. Camping Barlovento, GPS: -41.207331,-72.538980
Eintritt:
Viaducto und Saltos del Laja – Eintritt frei
Frutiller Freilichtmuseum – 2.500 Pesos
Saltos del Petrohué – 4000 Pesos

Kommentare / Fragen zum Beitrag ?

Die E-Mail-Adresse wird nicht publiziert, erforderliche Angaben erkennt man am *.