Argentiniens Jesuiten-Erbe


Es ist Abend in der argentinischen Stadt Córdoba und bei Wein und Oliven beugen wir uns über die Landkarte, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Mehr zufällig stoßen wir dabei auf das Thema „Jesuiten in Argentinien“ und stellen fest, dass dieser Orden, im 16. Jahrhundert von Ignatius von Loyola und seinen Freunden gegründet, im frühen 17. Jahrhundert im Süden Amerikas (und besonders in Argentinien) recht emsig war und mehrere Missionen ins Leben rief, deren bauliche Zeugnisse noch heute besucht werden können.
Nur 45 Kilometer nördlich von Córdoba in der kleinen Stadt Jesús María (in der jährlich das Festival de Doma y Folklore stattfindet, eine Art Gaucho-Fest) gibt es die Estancia Jesuítica de Jesús María, nicht wirklich eine Mission, sondern vielmehr eine Art Farm mit Weinberg nebst einem Kloster. Die Aufgabe dieser Estanzia bestand wohl mehr der Erfüllung religiöser Pflichten und – ganz profan – der Geldbeschaffung. Der Missionsgedanke spielte da, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle.
Jesuiten-Missionen in Misiones / Argentinien
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Wie auch immer: das recht gut erhaltene Kloster mit inkludiertem Museum macht neugierig auf die Geschichte der ersten Einwanderer und sind die Provinzen Santa Fe und Corrientes erst durchfahren, gelangt man schließlich in die Region Misiones. Nomen est omen, denn die Provinz wurde tatsächlich nach den Missionen der Jesuiten in der Region benannt, von denen es insgesamt 11 an Zahl gab. Die Überreste der Missionen San Ignacio Miní, Nuestra Señora de Santa Ana, Nuestra Señora de Loreto und Santa María la Mayorvon erklärte man 1984 kurzerhand zum UNESCO-Welterbe.

Jesuiten-Mission in Santa Maria / Argentinien
Jesuiten-Mission in Santa Maria

Irgendwann, so im frühen 16. Jahrhundert, fällt ein Haufen habgieriger und machthungriger Europäer über Südamerika her und trifft dabei auf die einheimische Bevölkerung, das Volk der Guarani. Im Schlepptau der Conquistadores, deren vornehmliches Ziel die Ausbeutung des Landes ist, befinden sich die ersten Vertreter der Kirche, welche die heidnischen Ureinwohner auf den Pfad des rechten Glaubens führen sollen. Guarani, die sich weigerten, für die Eroberer zwangsweise zu arbeiten, wurden ausgelöscht oder versklavt. Die ersten Jesuiten, die nach Südamerika kamen, sahen dieses Problem und wollten ihm entgegenwirken, auch gegen den Widerstand der Kolonialisten. Die oben genannten Missionen, auch Reduktionen genannt, standen für eine humane Missionierung und Glaubensverkündigung als Schutz der indigenen Bevölkerung. Bis dahin als Nomaden umherziehende Guarani wurden sesshaft, bekamen eine Ausbildung, wirtschafteten für die Dorfgemeinschaft und verwalteten sich unter Anleitung in Eigenregie. Die Missionen waren so erfolgreich, dass sie den Kolonialisten schnell ein Dorn im Auge waren, gingen sie doch ihrer Arbeitskräfte verloren. Am Ende wirft man den Jesuiten vor, gegen die spanische Krone zu wirken, die Jesuiten werden verbannt, das „heiligen Experiment“ der Missionen, die Verbindung von Religion und Menschlichkeit, verschwindet von der historischen Bildfläche.

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Die äußert spannende Geschichte der Missionen und ihrer Ideen reicht uns als Grund, den vier Missionen einen Besuch abzustatten. Die erste Mission auf unserem Weg ist die um 1626 gegründete Santa María la Mayor. Viel steht von dieser Anlage nicht mehr, aber die Lage im Urwald, der sich sein Recht zurückerobert, verleiht dieser Anlage etwas sehr Mystisches. Die anderen drei Missionen sehen wir uns nach unserer Rückfahrt von den Iguazú-Wasserfällen an.
San Ignacio Miní, nach dem Gründer der Jesuiten-Gesellschaft Ignatius Loyola benannt, wurde 1611 gegründet. Die einst von bis zu 4.500 Menschen bewohnte barocke Anlage ist die am besten erhaltene. Noch heute kann man die Kirche, die Gebäude der Priester, das Kollegium und mehr erkennen und begehen.
Santa Ana, 1633 gegründet, war zu Hochzeiten die Heimat von fast 7000 Menschen. Die Kirche der Mission hatte eine monumentale Treppe mit Marmorsäulen, viel ist nicht mehr zu sehen, die Würgefeigen, die sich um die verbliebenen Steine wickeln, sind allerdings ziemlich fotogen.
Aus dem Jahre 1632 ist die Loreto-Mission. Von dieser stehen wirklich nur noch ein paar moosbewachsene Klötze herum und es ist fast nicht zu erkennen. Die Lage im Urwald machen die Steine aber allemal sehenswert. Und: Loreto war eine der bedeutendsten Missionen ihrer Zeit und die einzige, die eine eigene Druckerei besaß.

Missionen – Galerie


Rückblickend können wir sagen, dass sich der Besuch der Missionen lohnt. Obgleich die Anlagen nicht älter als 500 Jahre sind und es viele Sehenswürdigkeiten gibt, die wesentlich betagter und besser erhalten sind, so ziehen sie doch den Besucher durch die dahinter stehende Geschichte und die damit verbundenen humanistischen Ideen in ihren Bann, die urwaldgleiche, die Phantasie anregende Umgebung ist da noch das berühmte Tüpfelchen auf dem ‚i‘.

Ein paar Details

Eintritt Es gibt nur ein Kombi-Ticket zu 250 AR$(2018), das zum Besuch der vier Missionen berechtigt.
Transport: 56 Kilometer (Ruta 12) nordöstlich von Posadas liegt Santa Ana, nach Loreto und San Ignacio sind es noch einmal 20 Kilometer. Von Posadas nach Santa Maria (107km) ist es etwas komplizierter: RP 105/RP 1 nach Apóstoles, dann die RP10/RP2 nach Concepción De La Sierra Richtung Santa María. Achtung: die Mission liegt an der RP2, nicht nach Santa María abbiegen.
Bus: Die ersten drei Missionen liegen an der Route der Busse zum Iguazú-Wasserfall (Loreto von der Haltestelle an der RP 12 2,5km zu Fuß). Santa Maria: nicht klar, direkt an der Mission ist eine Haltestelle, die Busse kommen wohl über Apóstoles Richtung San Javier an der brasilianischen Grenze.

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