Ein “unheiliger” Heiliger
Jeder, der in Argentinien mit dem Auto außerhalb der Städte unterwegs ist, wird sie kennen: die kleinen rot bemalten Häuschen am Straßenrand, die ein wenig an Hundehütten erinnern, manchmal aber auch die Größe einer Telefonzelle haben, in jedem Fall aber von roten Flaggen gesäumt und mit allerlei Dingen, von CDs über Zigarettenschachteln bis hin zu Schnapsflaschen vollgestopft sind.
Es sind die Schreine von Gauchito Gil.
Obgleich von der katholischen Kirche nicht als Heiliger anerkannt, so ist dies Antonio Mamerto Gil Nuñez (so der bürgerliche Name des Gauchito Gil, 1840 – 1878) wenigstens bei vielen Argentiniern.
Viele Legenden ranken sich um Gauchito Gil, die anerkannteste ist wohl jene, dass er ein Deserteur des Militärs war, der seiner Gefangennahme eine ganze Weile entging und in dieser Zeit als eine Art „Robin Hood“ den Reichen nahm und den Armen gab.
Schließlich gefangen genommen und zum Tode verurteilt, hängte man ihn kopfüber an einem Baum auf. Dem Henker, der schon bereit war, dem Delinquenten den Kopf vom Körper zu trennen, sagte Gauchito: „Töte mich nicht – meine Begnadigung kommt. Tötest du mich, wird dein Sohn von einer schweren Krankheit heimgesucht werden und sterben. Der einzige Weg, ihn dann zu retten, wird eine ordentliche Bestattung meines Körpers sein.“



Na ja, wie das in Legenden so ist: Gauchito verliert seinen Kopf, der Sohn des Henkers wird krank, der Henker schneidet Gauchito vom Baum und beerdigt in christlicher Angemessenheit. Der Sohn – wen wundert’s – gesundet. Der geläuterte Henker baut Gauchito ein kleines Heiligtum und erzählt allen Leuten die wundersame Geschichte des Gauchito Gil.
Heute errichten viele Argentinier kleine Schreine mit roten Fahnen am Rand von Landstraßen, die Bedeutung der Farbe Rot ist nicht geklärt, vielleicht symbolisiert die das von Gauchito vergossene Blut. In jedem Fall gilt Gauchito Gil als eine Art Schutzheiliger von Lenkern motorisierter Fahrzeuge und entweder hupt man während des Vorbeifahrens an einem Schrein oder man hält an und bringt eine kleine Opfergabe dar. Dafür wird man von Gauchito auf der Reise beschützt. Jedes Jahr zu seinem Todestag findet ein großes Fest mit Tanz und Gesang zu seinen Ehren statt.