Der Kreis schließt sich


Langsam müssen wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass unsere Reise ein Ende findet. Mit Copiapó verlassen wir den Großen Norden Chiles und tauchen in Norte Chico, den Kleinen Norden, ein. Im Gegensatz zum Norte Grande ist das Klima hier semiarid mit recht milden Winter- und Sommertemperaturen. Das Gebiet ist bergig und von vielen Flüsse durchzogen, durch deren Täler maritime Feuchtigkeit ins Landesinnere gelangt, was wiederum positive Auswirkung auf die Vegetation hat. Der Kleine Norden reicht von Copiapó bis hinunter nach Santiago und wird – zu Unrecht – seltener besucht als andere Teile Chiles. Dabei ist die Gegend nicht arm an Sehenswertem: Kolonialstädte an schönen Küstenabschnitten, fruchtbare Täler, in denen Pisco (ein berühmter Branntwein) produziert wird, mehrere Observatorien von Weltruf und eine ansehnliche Fauna im Andenteil und an der Küste.

Reisekarte

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Unser Weg führt uns jetzt immer weiter gen Süden. Lange diskutierten wir, ob wir den schönen und tierreichen Parque Nacional Nevado de Tres Cruces östlich von Copiapó besuchen sollen. Allerdings: Der Park liegt fast 250 Kilometer abseits unserer Route, die Straßenverhältnisse sind schlecht und ohne gute Karten und ein Satellitentelefon für den Notfall scheint der Abstecher etwas riskant.
Etwa 330 Kilometer südlich von Copiapó liegt die zweitälteste Stadt Chiles, La Serena, an der chilenischen Pazifikküste. Mitte des 16. Jahrhunderts von den Spaniern als Zugang zum Meer gegründet, ist die Stadt für den Touristen wegen einer ansehnlichen Anzahl kolonialer Bauten und der schönen Strände interessant. Noch verlockender ist allerdings das Hinterland La Serenas, insbesondere die Gegend um Vicuña im Valle de Elqui.

La Serena / Chile
Straßenzug und Rathaus von La Serena

Vicuña, am Río-Elqui gelegen und Geburtsstadt der Literatur-Nobelpreisträgerin Gabriela Mistral, hat gar nicht einmal so viel zu bieten, interessant ist das Tal, das sich wie eine grüne Schlange durch die trockenen Vorder-Anden windet und Herz der chilenischen Pisco-Produktion ist. Neben dem Besuch der zahlreichen Schnaps-Brennereien ist zudem die Besichtigung einer der vielen erstklassigen Observatorien möglich, die wegen der atmosphärischen Besonderheit exzellente Blicke auf entfernte Galaxien ermöglichen.
Noch besser als das Valle de Elqui gefiel uns allerdings eine Fahrt durch das Valle Río Hurtado. Fünfzig Kilometer geht es von Vicuña auf der D445 auf staubiger und kurvenreicher Schotterstraße quer durch die karge Berglandschaft der Anden, kaum sieht man Menschen, nur hier und da ein kleiner Weiler am Berghang, umgeben von Weingärten, Büschen und Kakteen. Die kleine Ortschaft Hurtado ist ein verschlafenes Nest mit einem „Öko“-Campingplatz und in der Nacht ist der Himmel hier so klar, dass es kaum eines Observatoriums bedarf. Von Hurtado sind es dann noch 70 Kilometer bis Ovalle und die Zivilisation hat uns wieder im Griff.

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Nur noch wenige Tage verbleiben bis zur Rückgabe unseres Automobils in Santiago und jetzt müssen wir uns entscheiden, wie wir diese Tage verbringen. Allzu viel drängt sich auf den verbleibenden Kilometern nicht auf, eine Fahrt zum höchsten Berg Südamerikas, dem Mt. Aconcagua, steht ganz oben auf der Speisekarte und ein oder zwei Tage in Valparaíso sollten auch noch drin sein. Ein letztes Mal müssen wir gutes Sitzfleisch beweisen, von Hurtado bis nach Los Andes, dem Ausgangspunkt einer Fahrt zum Mt. Aconcagua, sind es immerhin fast 500 Kilometer und gegen Abend ist die Kleinstadt am Fuße der Anden (in der es wenig zu tun gibt, außer zu nächtigen) erreicht.
Nach der Rückkehr aus den Bergen machen wir uns schlussendlich auf den Weg nach Valparaíso.

Valparaiso / Chile
Bunte Häuser am Cerro Polanco in Valparaiso

VALPARAÍSO, was bist du für eine Absurdität, ein verrückter Hafen, ein nie gekämmter Kopf, zerzauster Hügel und nie Zeit, dich zu kleiden und immer vom Leben überrascht…Pablo Neruda – chilenischer Schriftsteller

Wie Pablo Neruda in seiner (von uns recht zwanglos übersetzten) „Oda a Valparaíso“ schon beschreibt, ist  Valparaíso sicherlich die „Schrägste“ aller chilenischen Städte. Warum dies so ist, lässt sich schwer erklären, denn als Europäer ist man einiges gewohnt. Und dann ist die Erklärung vor dem Hintergrund eines längeren Aufenthaltes im Land wieder einfach: Valparaíso hat im Gegensatz zu anderen chilenischen Städten ein – wenn auch kein besonders schönes – Gesicht und vor allem eine – wenn auch etwas schmuddelige – Seele.
Eine erste Orientierung in der wuseligen Hafenstadt gelingt mit der ausdruckbaren Karte von valparaisomap.cl und die besten Aussichten in der und über die Stadt hat man z.B. vom Mirador Diego Portales auf dem Cerro Concepción (Blick über Zentral-Valparaíso), dem Paseo de 21 Mayo auf dem Cerro Artillería (Blick über den Hafen) und dem Plaza Bismark auf dem Cerro Cárcel (Blick über die Bucht).

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Valparaíso hat, wie viele Metropolen, viel hinter sich und nicht nur gute Zeiten erlebt. Ehemals Fischersiedlung, erkannten die spanischen Eroberer bald die Bedeutung des Ortes als Seehafen, eine erste Größe erlangte die Stadt durch den Goldrausch in Kalifornien und die Möglichkeit der Umrundung des Kap Horn, zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging es wieder bergab (besonders mit der Fertigstellung des Panama-Kanals) und erst in den letzten 20 Jahren erlebt die Stadt wieder einen Aufschwung, nicht zuletzt durch die Tourismus-Industrie.
Ja, was macht man nun in einer großen Stadt, die man nicht kennt, in der man keine Freunde hat und deren Sprache man nicht spricht? Museen anschauen, oder Kirchen? Restaurant und Bars testen? Eine gute Idee ist, einfach herumzulaufen und den Charme Valparaísos auf sich wirken lassen, mit einer der klapperigen asencores fahren, jenen mehr als 100 Jahre alten Standseilbahnen, von denen noch 9 in Betrieb sind und die einem den Aufstieg auf die Cerros erleichtern, die Hügel, auf denen die Stadt erbaut ist. Besonders interessant sind Cerro Alegre und Cerro Concepción, die sich an das Altstadtviertel schmiegen und von einer Vielzahl von Künstlern bewohnt werden. Hier finden sich auch die meisten der berühmten Graffiti, deren Inhalte politischen Themen (ursprüngliche Idee dieser Kunstart) bis hin zu Trivialem sind. Und wer nicht schlecht zu Fuß ist: es gibt einen etwa 30 Kilometer langen „Lehrpfad“, den Sendero Bicentenario, s. senderobicentenario , der in 15 Themen-Abschnitten durch die Stadt bis zum Hafen führt.

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Leider haben wir für Valparaíso nur eineinhalb Tage Zeit, sodass wir kaum in den Genuss kommen, die Stadt angemessen kennenzulernen und viele der Sehenswertigkeiten werden im Verborgenen bleiben. Aber einen ersten Eindruck gewinnen wir, und die Stadt wird uns auch anderweitig in Erinnerung bleiben, da wir hier – nach fast 15000 gefahrenen Kilometern – die erste Delle ins Auto fahren. Die Unterkunft, die wir uns in Valparaíso aussuchen, liegt in einer engen und steilen Straße und beim verzweifelten Rangieren mit dem ausladenden Kraftfahrzeug bleiben wir an steinerner Stiege stecken.
Die letzte Fahrt…, Santiago ist bald erreicht und der Mitsubishi wird gewaschen und mit leichtem Schönheitsfehler zurückgegeben. Auch hier zeigt sich die Kulanz des Vermieters, der nach längerem Diskurs und mit Hinweis auf die vielen Stunden, die wir in diversen Reparaturwerkstätten verbrachten, auf ein Sühnegeld verzichtet. Ein, zwei Tage verbringen wir noch in Chiles Hauptstadt, genießen den Swimmingpool auf der Dachterrasse und knobeln unsere Rückreise nach Deutschland aus und kurz bevor der Februar zu Ende ist, verlassen wir das Land und beenden das Abenteuer Südamerika.

Ein paar Details

Entfernung Copiapó – La Serena – Vicuña – Hurtado – La Ligua – Los Andes – Valparaíso – Santiago de Chile ca. 1300 km
Übernachtung in
Hurtado: Agrocamping El Descanso De Los Arrayanes, 5.000 CL$ p/P.
Valparaíso: Hostal Tunquelen, DZ 18.000 CL$, Domingo Otaegui 132, GPS: -33.051722,-71.605330
Santiago: Departamentos Costa Nueva de Lyon , DZ 35.000 CL$, Nueva de Lyon 170 , Providencia, Santiago, GPS: -33.420640,-70.610858
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