Quellenforschung


Bahnfahrt nach Andermatt

Am 06. Juli 2013 um 10:01 Uhr starten wir endlich unser neues Abenteuer in Essen. Der Zug kommt fast pünktlich, wir zwängen die Räder durch die etwas engen Waggontüren und müssen die Räder abpacken, um sie vorschriftsgemäß (O-Ton Zugbegleiter) unter die Wagendecke hängen zu können. Das Abteil ist voll und so sind wir froh, zwei Sitzplätze reserviert zu haben. Die Zugfahrt nimmt uns ein wenig von der Spannung auf das Zukünftige, da sich die Streckenführung der Bahn am Verlauf des Rheins orientiert. Mithin bekommen wir bereits auf dem Hinweg ein vages Gefühl dessen, was uns auf den Rückweg erwartet.
Laut Fahrplan müssen wir in Basel umsteigen. Sobald die Durchsage „Basel“ aus den Lautsprechern ertönt, werden die Fahrräder schnell von der Waggondecke gepflückt, auf Matterhorn-Bahn Matterhorn-Bahndas Perron bugsiert, die Taschen werfen wir einfach hinterher. Just in dem Augenblick, als wir die Drahtesel beladen haben, fragt uns eine Reisende auf dem Bahnsteig, ob dies der Zug zum Basel SBB sei. Was denn Basel SBB sei, wollen wir wissen. Das wisse sie auch nicht genau, sie sei aber auf dem Weg nach Luzern und müsse eben am SBB umsteigen. Sabine und ich schauen uns an, jeder weiß, was der andere denkt: wir sind an der falschen Station ausgestiegen. Erfreulicherweise hat der Zug einen längeren Aufenthalt und es gelingt uns, unseren Krempel wieder ins Abteil zu schleudern, bevor die Eisenbahn ohne uns von dannen rauscht.
Am Basel SBB wechseln wir in einen Regionalzug, es geht an sanften bewaldeten Hügeln vorbei nach Luzern, von dort zum Vierwaldstädter See in Richtung Schwyz. Der Kleine und der Großer Mythen und die Schwyzer Voralpen drängen sich ins Bild und geben uns eine Ahnung von der schönen und schweißtreibenden Schweizer Bergwelt.
In Göschenen dürfen wir noch einmal umzusteigen. Da die Matterhorn-Bahn nicht über ein Fahrradabteil verfügt, verfrachtet man uns kurzerhand in den Triebwagen. Nunmehr geht es stetig bergan und knapp 30 Minuten später hat der Zug seinen Endbahnhof Andermatt in 1447 Meter Höhe erreicht. Nach mehr als zehn Stunden Fahrt gelangen wir schlussendlich an den Startpunkt unserer Radtour.

Kleine und Große Mythen bei Schwyz
Kleine und Große Mythen bei Schwyz

Am Fuße des Oberalppasses im Kanton Uri breitet sich der knapp 1300 Einwohner zählende und vom Tourismus geprägte Ort Andermatt in einem Tal aus und das Bild, das sich einem bietet, ist typisch für einen Wintersport- und Kurort. Die Zeiten eines beschaulichen „Dorfes“ sind aber wohl bald passé, nehmen die Pläne eines ägyptischen Investors Gestalt an. Geplant ist nämlich der extensive Ausbau Andermatts im Bereich des Wintertourismus. Wie dem auch sei, der Ort ist für uns ‚heuer‘ lediglich in Bezug auf seinen Bahnhof und seinen Campingplatz von Relevanz. Letzterer ist eine Wiese für Zelter und ein Betonparkplatz für Camper, beide Teile werden durch eine öffentliche Straße getrennt, die wir als Zelter überqueren müssen, wenn wir in die Waschräume gelangen wollen. Wir sind nicht die einzigen Radler am Platz, es ist allerdings schon spät, als wir unser Zelt errichten und somit besteht kaum Gelegenheit, mit den anderen Gästen in Kontakt zu treten. Rasch ziehen wir am Automaten ein paar Schweizer Franken (später erfahre ich, dass man auf keinen Fall ‚Fränkli‘ sagen darf, obgleich sich dies Schweizerisch anhört) und essen in einem Restaurant, in dem die Mahlzeit nicht gleich am ersten Abend unser Wochenbudget aufzehrt. Ja, ja, das Leben in der Schweiz ist teuer, man hatte uns gewarnt.

Andermatt Rueras (27 km)

Die Nacht wird kurz, wir müssen uns erst an die Schlafmatte gewöhnen und die Aufgabe, die am heutigen Tag vor uns liegt, macht uns beiden etwas Sorgen. Eigentlich ist es die einzige Etappe, die Bauchgrimmen verursacht, gilt es doch, sich auf einer Strecke von elf Kilometern in Serpentinen zum Oberalppass in 2046 Metern Höhe hinaufzuschrauben. Immerhin ein Höhenunterschied von 600 Metern und wir zweifeln zu Recht an unserer Kondition, welche wir in den vergangenen Monaten in Shanghai sträflich vernachlässigen. Wenn dann noch der Radreiseführer von einem zu fahrenden Abschnitt berichtet, der eher dem sportlichen Radler vorbehalten sein sollte, so trägt dies nicht dazu bei, unser Selbstvertrauen zu stärken. Wir verwerfen indes den Gedanken, uns mit der Matterhorn-Bahn zum Pass kutschieren zu lassen, das heben wir uns für den Notfall auf.Camping in Andermatt
Camping in Andermatt

Heute ist Sonntag und wir können uns ein paar Backwaren in der einzigen offenen Bäckerei des Ortes besorgen. (Dass Geschäfte am Wochenende geschlossen haben, ist man gar nicht mehr gewöhnt.) Als wir an unseren Gebäckstücken mümmeln, gesellt sich ein deutscher Radler zu uns, der ebenfalls den Pass vor der Brust hat, jedoch fährt er ihn nicht zum ersten Mal und ist daher freigiebig mit Tipps und Ratschlägen (habe diese jedoch alle vergessen…, Moment, einer war, man solle in einem kleinen Gang fahren! Herzlichen Dank!)
Wir fahren trotz und wegen der nützlichen Hinweise einfach drauflos und sind nach der ersten Serpentine schon fix und fertig. Na, das kann was werden. Aber wie so häufig, der Wille kann Berge versetzen und Kurve um Kurve mühen wir uns ab. Andermatt wird immer kleiner, Radrennfahrer rauschen an uns vorbei und feuern uns an, unsere Gesichter sind leuchtend rot, das Trikot klebt am Leib und nach fünf Kilometern Anstieg machen wir die erste Pause. Die Beine zittern wie Laub im Wind und wir fallen mehr vom Rad, als das wir absteigen. Die nun folgende Jause (?) stärkt jedoch den Körper und damit auch den Geist, noch einmal klettern wir auf das Rad und brüllen uns gegenseitig Anfeuerungsrufe zu. Ist diese Art der Freizeitbeschäftigung (das Radeln, wohlgemerkt, nicht das Brüllen!) gesund? Egal, die meisten Dinge, die man in seinem Leben so verrichtet, sind unsinnig oder ungesund. Umso berauschender jedoch, wenn man es am Ende gegen alle Widrigkeiten geschafft hat.
Nach etwa zweieinhalb Stunden ist es denn auch soweit, wir passieren den Oberalpsee, eine letzte Rechtskurve und ein roter Leuchtturm kommt in Sicht. (Dieser steht seit 2010 hier und ist eine Replik des „Hoek van Holland“, der an der Rheinmündung in Rotterdam stand.)

Serpentinen zum Oberalppass / Schweiz
In Serpentinen zum Oberalppass
Oberalppass / Schweiz
Oberalppass
Abfahrt vom Oberalppass / Schweiz
Abfahrt vom Oberalppass

Zugegebenermaßen sind wir ein wenig stolz auf uns, wir lassen uns am Oberalppass-Schild fotografieren und feiern, einige der Rennradfahrer klopfen uns auf die Schulter und murmeln etwas dazu (unser Ohr ist noch nicht auf Schweizerdeutsch getrimmt, aber das Murmeln hört sich eigentlich positiv an) und wir gönnen uns einen „Gipfel-Eis-Kaffee“ in einem der beiden Pass-Restaurants. Sabine verschwindet alsbald in der Touristen-Info und zieht Erkundigungen über den Lai da Tuma (Toma-See, 2345m) ein, der als Rheinquelle angesehen wird. Angeblich soll dieser See nach einer 5-stündigen Wanderung zu erreichen sein, darauf habe ich nun wirklich keine Lust, mir steckt der Pass noch in den Knochen. Mein Argument, dass ich mehr Gepäck als sie habe, lässt Sabine zwar gelten, auf der Abfahrt nach Tschamut ist sie jedoch brummig, sodass ich in Höhe von Surpalitz nach rechts abbiege, wir unsere Räder einige Hundert Meter auf der Schotterstraße schieben, sie voll beladen an einem Bauernhaus abstellen und uns auf den Weg zum Toma-See machen (nunmehr bin ich grantig).
Eineinhalb Stunden wandern wir bergauf, außer Bergen ist nichts zu sehen (die Aussicht ist schön, das gebe ich zu) und wenig später treffen wir auf zwei Bergwanderer, die uns für heute jede Illusion nehmen, den See zu erreichen. Wir hätten direkt vom Oberalppass starten sollen, berichten sie uns. Die von uns gewählte Variante sei viel zu umständlich und angesichts der fortgeschrittenen Zeit nicht zu empfehlen. Zähneknirschend machen wir uns auf den Rückweg, die Fahrräder stehen, wie wir sie verlassen haben und wortkarg brausen wir via Tschamut nach Rueras, wo wir einen Campingplatz finden, der noch nicht im Radreiseführer verzeichnet ist.

Aufstieg zum Tomasee / Schweiz
Aufstieg zum Tomasee

Wanderung zum Toma-See

Das Zelt wird aufgebaut, der Haussegen gerade gehängt und für den nächsten Tag planen wir, mit der Matterhorn-Bahn zurück zum Pass zu fahren, um von dort aus die Wanderung zum See in Angriff zu nehmen.
Geplant, getan. Den Kurverwaltungs-Touristenpass, der uns bei der Buchung des Campingplatzes ausgehändigt ward, vergessen wir selbstverständlich im Zelt, infolgedessen sich der Preis für die Bahnfahrt verzweifacht. So blättern wir denn 20 Franken für zwei Haltestellen und eine zehnminütige Fahrt in des Schaffners offene Hand. Am Oberalppass angekommen ist die Sache mit der Wanderung zum See etwas kniffelig: Steht man mit dem Gesicht in Richtung Tourismusbüro, so gibt es zwei Wege zum Toma-See, nach steuerbord ist der Pfad sehr lang und führt über einen 2700er Gipfel, gutes Schuhwerk (wir haben nur die Radschuhe dabei) und ein bisschen Ausrüstung sind nötig. Der Weg nach links ist kürzer und einfacher, aber etwas schwer zu finden.
Wir entscheiden uns für die kurze Variante und wandern für etwa 50 oder 100 Meter auf der Hauptstraße und biegen dann einfach nach rechts auf einen Trampelpfad ab. Dieser wird etwas breiter, passt sich noch etwa 300 Meter dem Straßenverlauf an und geht dann scharf nach rechts und bergauf in den Hang hinein. 45 Minuten bis ca. eine Stunde marschiert man auf diesem Pfad, überquert einige Bäche und steht dann an einem Scheidewege und folgt hier der Beschilderung zum See. Es geht nun für ein oder zwei Stunden recht steil bergauf, einige Schneefelder sind zu kreuzen (was andere Wanderer zum Rückzug zwang) und ein paar Stellen, an denen es „geröllig“ wird.

Thomasee / Schweiz
Thomasee – Rheinquelle
Ausblick vom Thomasee
Ausblick vom Thomasee

Nach knapp drei Stunden überschreitet man einen Kamm (hier bietet sich dem Wanderer eine grandiose Aussicht) und wird zuletzt des Toma-Sees in einem kleinen Tal angesichtig. Der See ist klar, blaugrün und ziemlich kalt, an seinem Nordende bahnt sich der Rhein seinen Weg in die Freiheit. Interessant zu erfahren wäre es, wer diesen Ort warum als Rheinquelle bestimmt hat, denn eigentlich ist der hier entspringende Vorderrhein kleiner als der Hinterrhein, der wiederum…, lassen wir das. Denn wie auch immer, wir haben die „offizielle“ Quelle gefunden, Sabine ist für einen Moment glücklich und nach ein paar Minuten der meditativen Kontemplation machen wir uns wieder auf den Rückweg. Zwischenzeitlich hat sich der Himmel zugezogen und kurz vor dem Oberalppass setzt ein recht heftiger Regen ein. Dieser hört auch gar nicht mehr auf und wird – im Verein mit einem scheußlichen Gewitter – so stark, dass wir für den Rest des Tages im Zelt bleiben werden.

Rueras / Schweiz
Rueras
Holzhäuser in Rueras / Schweiz
Holzhäuser in Rueras

Rueras Chur (80 km)

Die nächsten Etappen versprechen ein Kinderspiel zu werden, bis Basel soll es nur noch bergab zu radeln sein; warten wir mal ab. Seit Sedrun, ca. drei Kilometer hinter Rueras, wird das Pedalieren tatsächlich leichter, auf einigen herrlichen Abfahrten zeigt der Tacho ein- oder zweimal eine Geschwindigkeit von 60 km/h an. Ohne Angst ginge es freilich noch schneller. Wir rauschen durch Disentis/Muster, dessen schöne Benediktinerabtei schon von weitem sichtbar ist und passieren kleinere Ortschaften, wie man sie von Wegweiser in Ilanz / Schweiz
Hierhin, dahin, dorthin…
Postkarten aus der Schweiz kennt (so man welche bekäme), Holzhäuser mit üppig gefüllten Blumenkästen, schwarz-weiße Kühe auf saftigen Weiden und endlose Wälder an den Hängen schneebedeckter Berge im Hintergrund. Wir atmen tief und leidenschaftlich durch, in vier Wochen sind wir wieder in Shanghai. Irgendwann hat der Abfahrtsspaß aber ein Ende und auf einer längeren Steigung schleppen wir uns von Ilanz (wird fest in unserer Erinnerung bleiben, da hier die wahrscheinlich teuerste Currywurst der Welt verkauft wird) bis Valendas, stecken den verschwitzten und rotglühenden Kopf in einen der größten Holzbrunnen Europas und wischen verschämt den schillernden Ölfilm von der Wasseroberfläche. Nur schnell weiter, bevor es jemand merkt. Knackige Anstiege wechseln sich in den nächsten Stunden mit erfrischenden Abfahrten ab, bei Carrera treffen wir eine schweizerische Familie, die auch mit den Rädern unterwegs ist und deren Kinder bereits Rotz und Wasser heulen, da es bis nach Versam fast nur bergauf geht. Die Aussicht in dieser Region entschädigt allerdings für die Mühen, die Straße führt entlang der Ruinaulta oder Rheinschlucht, entstanden durch einen Bergrutsch vor mehr als 10.000 Jahren. Die von Ilanz nach Reichenau führende Schlucht ist zum Teil bis zu 400 Meter tief und immer wieder blicken wir in den Abgrund, wodurch wir ein paar Mal vom Weg abkommen und gefährlich nah an die Steilhänge geraten. No risk, no fun. Auf einer der zahlreichen Aussichtsplattformen entlang der Straße legen wir eine Pause einen, blicken versonnen auf die umliegenden Berge und spucken Kirschkerne hinab in den Rhein, der hier wegen des feinen Schwemmsandes eine zementgraue Farbe hat. Hm, da fällt wenigstens die Spucke nicht auf.

Abtei in Disentis / Schweiz
Abtei in Disentis
Holzbrücke bei Disentis / Schweiz
Holzbrücke bei Disentis
Dorfbrunnen Valendas / Schweiz
Dorfbrunnen Valendas
Holztür Valendas / Schweiz
Holztür Valendas

Vom Ortskern Versams geht es nun in Serpentinen bergab, über die 112 Meter lange Versamer Tobelbrücke und weiter entlang der Rheinschlucht bis Bonaduz. In Reichenau vereinigen sich nunmehr der Vorderrhein und der Hinterrhein, letzterer ist einer der Quellflüsse des Rheins, der in Graubünden entspringt. Ab hier heißt der Rhein dann auch nur noch… Rhein. Noch ein paar Kilometer trennen uns von Chur, der Hauptstadt des Kantons Graubünden. Eine steife Brise von vorn verschiebt die Ankunftszeit am Campingplatz, der mitten im Gewerbegebiet und an der Autobahn liegt, um einiges nach hinten. Erschöpft klappen wir am Camp zusammen und ab jetzt ist alles egal, auch das eine Gruppe schweizerischer Radfahrer ihre Zelte (ungeachtet ausreichend vorhandenen Platzes) so nah an das unsrige stellt, dass ich mich der Frage nicht enthalten kann, ob sie ihre Unterkünfte nicht gleich in unserem Zelt aufbauen wollen. So werden im Ausland Freundschaften geschlossen!

Reformierte Kirche Versam / Schweiz
Kirche in Versam
Ruinaulta-Schlucht / Schweiz
Ruinaulta-Schlucht (Rheinschlucht)
Versamer Straße / Graubünden
Versamer Straße / Graubünden

Chur Buchs (58 km)

Chur gilt allgemein oder in der Schweiz als die älteste Stadt des Landes. Der Ort war wohl schon in der Steinzeit besiedelt, später römische Präfektur, irgendwann im 4. Jahrhundert Bistum, dann Spielball aller möglichen Potentaten und seit den frühen 19. Jahrhundert Mitglied der Schweizer Eidgenossenschaft. Die Altstadt mit ihren Zunft- und Bürgerhäusern, dem barocken Bischöflichen Schloss und zahlreichen Kirchen ist recht ansehnlich, lange hält uns Chur jedoch nicht auf, es gibt heute noch viel zu tun.
Vorbei an weintragenden Weinbergen geht es nach Bad Ragaz und wir ändern spontan unser heutiges Programm, ein Besuch der Tamina-Schlucht und des Kurbades Bad Pfäfers erscheint verlockend. Das Kurbad zog schon im 19. und 20. Jahrhundert die Größen der europäischen Kunst und Kultur an und wir wollen mal sehen, warum. Ein Postbus fahre nach Pfäfers, klärt man uns in der Touristeninformation auf, allerdings nur alle Jubeljahre(?). Man könne natürlich dorthin wandern (dauert uns aber zu lang), die Anfahrt mit dem Rad sei jedoch nicht möglich, da die Straße zu eng sei (??). Sollten sich nämlich Postbus und Radler unterwegs gegenüberstehen, führe dies zu nicht unerheblichen Verspätungen und die Einhaltung des Fahrplans sei nicht mehr gewährleistet (???). Wisst ihr was, Leute, dann eben nicht. Behaltet euer Pfäfers und wir belassen es eben beim alten Programm.

Altstadtgasse in Chur
Altstadtgasse in Chur
Blick über Chur / Schweiz
Blick über Chur
Hofturm in Chur / Schweiz
Hofturm in Chur

Wir verfolgen den Rhein jetzt auf dem Dammradweg, dazu gibt es auch eine rechtsrheinische Alternative, diese ist jedoch mit Steigungen gespickt, und angesichts der hohen Temperaturen am heutigen Tag hat keiner von uns Lust auf diese Möglichkeit. Dabei entgeht uns allerdings Maienfeld, dessen Hauptattraktion das Heidi-Dorf ist. Johanna Spyri hatte die Handlung ihres Romans „Heidi“ in diesen Winkel der Schweiz verlegt. So was.
Weiter geht es auf dem Deich den Rhein entlang, bei Trübbach fahren wir an das rechte Ufer und sind plötzlich in Liechtenstein. Hier folgen wir dem Radweg bis Vaduz, machen ein oder zwei Fotos vom fürstlichen Schloss und radeln anschließend zurück in die Schweiz, um bei Buchs unser Zelt aufzuschlagen, Wäsche zu waschen, ein paar Dehnübungen zu machen und den Tag am Werdenbergsee ausklingen zu lassen. Notabene: Am Nordufer des Sees Werdenberg steht das Schloss Werdenberg mit der Ortschaft Werdenberg, die mit ihren knapp 60 Einwohnern und 40 Häusern für sich in Anspruch nimmt, die kleinste Stadt der Schweiz zu sein. Sic est!
Mit gemischten Gefühlen lassen wir uns auf den diesjährigen Sommer ein. Es ist gewiss schön, unter blauem Himmel zu fahren. Die Landschaft präsentiert sich in den sattesten Farben, die Regenkleidung schmollt pikiert in den Radtaschen und die Menschen sind (endlich einmal) beschwingt. Leider steigen die Temperaturen nun auch über die 30 Grad-Marke und in den Vormittagsstunden treten wir wie verrückt in die Pedale, damit der Fahrtwind für etwas Kühlung sorgt und bis zum Mittag genug Kilometer auf der Uhr sind, um den Arbeitstag ohne schlechtes Gewissen zu beenden…, falls es nötig wäre. Je näher wir dem Bodensee kommen, umso schwüler wird es und in den Abendstunden sind viele der „naturbelassenen“ Campingplätze infernalische Brutstätten blutsaugender Insekten aller Schattierungen.

Schloss Vaduz / Liechtenstein
Schloss Vaduz / Liechtenstein
Schloss Werdenberg / Schweiz
Schloss Werdenberg

Buchs Altenrhein (Bodensee) (62 km)

Der Radweg von Buchs nach Haag entspricht nicht mehr den Vorgaben des Reiseführers, da wir mehrere Baustellen zu umfahren haben. Das ist nicht weiter tragisch, und an dieser Stelle endlich sei den schweizerischen Verantwortlichen ein dickes Lob ausgesprochen: Die Radwege im Lande der Eidgenossen sind außerordentlich gut beschildert und der Blick in den Radreiseführer erübrigt sich meistens. Wie wir am Ende überhaupt der Meinung sind, dass man auf derartige Helferlein durchaus verzichten könnte. Die Beschreibung der Strecke ist oft verwirrender, als wenn man gleich den Straßenschildern folgte, es fehlt an Aktualität (verständlich bei einem Druckerzeugnis), an Praktikabilität (alle 15 Minuten muss der Reiseführer der Lenkertasche entnommen und umgeblättert werden) und an Übersichtlichkeit (die Kartenausschnitte sind oft von sehr großem Maßstab). Nutzlos ist er jedoch keineswegs, Streckenprofil, Kilometerangaben, Details zur Wegbeschaffenheit, Übernachtungsmöglichkeiten und Beschreibung von Sehenswürdigkeiten sind zweifelsohne ein Plus solcher Reiseführer. Wer es zudem nicht gewohnt ist, sich mithilfe von Straßenkarten und Kompass fortzubewegen, wird ferner die ausführliche Streckenbeschreibung zu schätzen wissen.
Die Strecke durch das Rheintal ist vortrefflich, wir radeln abseits der Straße quer durch die Felder entlang eines Kanals, die schroffen Gipfel der Appenzeller Alpen verwandeln sich zusehends in sanfte Hügel und begierig kurbeln wir uns Richtung Bodensee in Erwartung eines erfrischenden Bades.

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Sabine hat neuerdings Schmerzen im verlängerten Rückgrat und wir müssen immer wieder pausieren, um die Position des Sattels und der Lenkergriffe zu ändern. Obgleich der Fahrradsitz dann irgendwann richtig justiert ist, behalten wir die hohe Frequenz des Rastens bei und verdrücken in jeder Bäckerei, die uns in die Quere kommt, mindestens eine Handvoll köstlicher „Schoggi-Gipfeli“ (Schokoladencroissants). Nichtsdestoweniger sind wir am frühen Nachmittag, nach einer (langweiligen) Fahrt auf dem Rheindamm plötzlich in Österreich. Am Hinweisschild, welches den Staatenwechsel anzeigt, diskutieren wir noch einmal über den nächsten Streckenabschnitt und beschließen, nicht dem Rhein zu folgen, sondern schnellstmöglich Richtung Bodensee am Alten Rhein entlangzuradeln.

Dammradweg / Schweiz Dammradweg

Eine langweile Fahrt auf dem Rheindamm? In der Tat. Schon auf vorherigen Reisen stellen wir fest, dass es diesen Flussradwegen oft an kurzweiliger Unterhaltung fehlt, man schutzlos den Unbilden der Natur ausgesetzt ist und letztlich nur Kilometer von A nach B abfährt.
Wie auch immer, in Höchst komplettieren wir unsere Vorräte (endlich wieder räsonable Euro-Preise), und zur Feier des Tages wird es zum Diner Nudelsalat mit Schafskäse, Oliven und ’ne Buddel voll Wein geben. Sobald der Ort hinter uns liegt, sind wir auch schon wieder in der Schweiz und am frühen Nachmittag erreichen wir den Campingplatz in Altenrhein, dessen Durchschnittsalter der Camper auf den ersten Blick bei 75 Jahren zu liegen scheint, weshalb wir es uns nicht nehmen lassen können, vom „Altenheim“ zu frotzeln. Das ist höchstwahrscheinlich respektlos, aber (vielleicht) auch nicht so gemeint, ein Wortspiel eben. Der Platz ist ganz nett, sehr sauber und erinnert ein wenig an einen Parkplatz, alles ist sehr … geometrisch angelegt und scheint einer streng durchdachten Ordnung zu folgen.

Altenstätten / Schweiz Altenstätten / Schweiz
Bodensee Bodensee
Rheinspitz- Bodensee Rheinspitz – Zufluss des Rheins in den Bodensee

In Altenrhein gibt es nicht nur einen Seniorencampingplatz, sondern auch ein öffentliches Bodenseebad und wir stürzen uns, nachdem das Zelt errichtet ist, in die erfrischenden Fluten des größten deutschen Binnensees. Sabine freut sich, dass sie endlich in die Wasser des Lago di Costanza abtauchen kann, es scheint ihr Kindheitstraum gewesen zu sein. Für mich, Banause, der ich bin, ist es lediglich Wasser, kalt und nass und irgendwie wie in jedem anderen See. Bevor die Sonne ihr Tagwerk beendet, machen wir uns noch nach Rheinspitz auf, hier fließt der (Alpen-)Rhein in den Bodensee. Interessanterweise sollen sich die Wasser von Fluss und See nicht vermischen, das Wasser des Rhein sei um einige Grad kälter als das des Sees, heißt es, mit der Folge, dass es auf den Seegrund hinabsinke und erst bei Mainau wieder an die Oberfläche käme. Nun ja, wer weiß…

Ein paar Details

Entfernung Andermatt – Altenrhein, ca. 190 km
Etappen: 4
Anstieg: 1695m | Abstieg: 2734m
Übernachtung in
Andermatt Gotthard Camping, Gotthardstrasse 110, 6490 Andermatt, GPS: 46°37’54.102″ N, 8°35’28.997″ E
Rueras: Rheincamping Rueras (Campadi Rein), 7188 Sedrun, GPS: N46,67305 E8,755555
Chur: Camping Au, Felsenaustrasse 61, 7000 Chur, GPS: 46°51’42.674″ N, 9°30’26.575″ E
Buchs: Camping Werdenberg, Marktweg 11, 9470 Buchs, GPS: N47.165777 E9.465164
Altenrhein: Camping Idyll, Mennstrasse 2, 9423 Altenrhein, GPS: 47°29’29.472″ N, 9°33’55.116″ E
Eintritte usw.: . / .

= Unterkunft: C = Camping | H = Hotel | P = private Unterkunft, Pension
Etappen in Deutschland
Datum Etappe von – nach km km total Zeit HöhM Temp.
06.07.2013 Bahnfahrt Essen – Andermatt (CH) 750 xxx 9:45 xxx 26° x
07.07.2013 Andermatt – Rueras 26.18 26 2:53 565 26° C
08.07.2013 Trekking Toma-See xxx xxx 5:45 309 27° C
09.07.2013 Rueras – Chur 79.27 114 4:05 345 27° C
10.07.2013 Chur – Buchs 57.28 172 4:57 95 30° C
11.07.2013 Buchs – Altenrhein 62.38 234 4:37 70 30° C

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