Zypern ist ein Muss
Die nächsten Tage werden für den alternden Körper eine echte Herausforderung. Dümpelten wir bisher in einer Höhe von 1000 Höhenmetern und mehr herum, geht es nun auf Meereshöhe hinab und es ist nicht nur heiß, sondern auch schwül. Die Überfahrt nach Zypern ist ein weiteres Add-On, die See ist etwas rau und die meisten Gäste an Bord hängen während der 2-stündigen Seefahrt über der Reling. Wir kämpfen zwar erfolgreich gegen die Übelkeit an, die Beine sind jedoch weich wie Pudding, als wir bei Girne (im türkischen Teil Zyperns) wieder festen Boden unter den Füßen haben. Girne (oder Kyrenia) mit seiner Festung aus dem 7. bzw. 11. Jahrhundert ist ein richtiger Urlaubspostkartenort mit schöner Hafenpromenade, alten verwinkelten Gassen, Hotels in historischen Gebäuden und zahlreichen Fischrestaurants. Zudem gibt uns die Stadt den ersten Hinweis darauf, das Zypern ein kostspieliges Abenteuer werden wird, Unterkünfte und Lebensmittel sind deutlich teurer als etwa in der Türkei. Da wir relativ früh in Girne ankommen, haben wir die Gelegenheit, uns um unsere weitere Reiseplanung zu kümmern und es wird immer deutlicher, dass wir die Insel Richtung Ägypten wohl nur per Flugzeug verlassen können. Eigentlich merkwürdig, dass eine Insel so wenig an Schiffsverkehr zu bieten hat. Aber letzten Endes ist es wohl eine Sache von Angebot und Nachfrage, wer zwei Wochen Urlaub hat, will sich nicht mit einer einwöchigen Fährfahrt herumärgern.
Wir verlassen Girne bereits am nächsten Tag, Zypern ist nur Transit für uns und angesichts der auf uns zukommenden Kosten wollen wir den Aufenthalt recht kurz halten. Zunächst werden wir mal wieder mit einem Anstieg konfrontiert, fünf Kilometer geht es bergauf in die Besparmak-Berge, keine einfache Angelegenheit bei diesen Temperaturen. Die Belohnung folgt aber prompt, von der Passhöhe geht es fast nur noch bergab bis in die Hauptstadt Lefkosa oder Nikosia. Im Rückspiegel sieht man in den Bergen eine gigantische türkische Fahne, die dort in den Fels gezeichnet oder sonst wie angebracht wurde. Es geht doch nichts über eine gute Prise Nationalismus. Oder? Seit 1974 ist Zypern nunmehr geteilt und der türkische Nordteil wird nur von den Türken völkerrechtlich anerkannt. Zypern ist schon ein wenig seltsam und erinnert ein etwas an die Zeiten von BRD und DDR, auch wenn sich hier auf der Insel zwei Volksgruppen gegenüberstehen. Wie aber so oft, dem kleinen Mann ist es piepegal, ob jemand Türke oder Grieche, Moslem oder Christ, schwarz oder weiß ist, letztlich sind es immer nur die Interessen weniger, die unsere Welt in dieses globale Durcheinander, diesen Hass und Neid geführt haben bzw. führen.
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Minarett der Selimiye MoscheeIm türkischen Teil der Hauptstadt verbraten wir die letzten türkischen Lire und stehen bald an der Grenze zur Republik Zypern. Hotels sind in Nikosia für den low-budget Reisenden fast unerschwinglich. Wir verschwenden fast drei Stunden auf der Suche nach einem günstigen Schlafplatz, ein Blick ins Internet heitert uns nicht auf, „in der Hauptstadt Zyperns gibt es keine billigen Unterkünfte“ heißt es dort lapidar. Was tun? Klar, zurück in den türkischen Teil, wie gut, dass die Grenze direkt durch die Stadt verläuft, nebst Grenzübergang. Die Hotels und Pensionen im türkischen Teil der Stadt sind eine Terz billiger, dafür auch noch ramponierter. Also wieder in den griechischen Teil der Stadt, so ein Reisepass hat viele Seiten. Wir beißen in den sauren Apfel und entscheiden uns für ein Hotel nahe der ägyptischen Botschaft, um so am nächsten Tag schnell die Visumsformalitäten erledigen zu können. Mittlerweile hat sich unser weiteres Vorgehen dahin verfestigt, dass wir über Israel nach Ägypten einreisen werden. Nun könnte es aber mit einem ägyptischen (Arbeits-)Visum Probleme geben, wenn man einen israelischen Stempel im Pass hat. Politik ist oft so kindisch! Jedenfalls glauben wir allen ein Schnippchen schlagen zu können, wenn wir das ägyptische Visum vor dem israelischen im Pass haben, oder so ähnlich. Pünktlich zum Arbeitsbeginn finden wir uns bei der Botschaft Ägyptens ein und sind fünf Minuten später wieder draußen, allerdings ohne Visum, aber in schlechter Stimmung. Die Botschaftsangestellte fertigt uns ab wie Doofe, wir waren nicht einmal in der Lage, unsere Wünsche zu äußern. Wenn alle Ägypter so sind, Prost Mahlzeit! Frank fährt noch einmal in den türkischen Teil Nikosias, um ein paar Fotos zu machen, gegen Mittag schwingen wir uns auf unsere Räder und radeln Richtung Larnaka, dort gedenken wir ein Flug nach Israel zu erwischen.
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Es ist aber nicht so einfach, aus Nikosia herauszukommen, es gibt so gut wie keine Straßenschilder, die eine Richtung anzeigen. In Zypern mit dem Auto oder dem Rad zu fahren scheint nur für Einheimische und Eingeweihte gedacht zu sein. Wir müssen mindestens zehn Leute nach dem Weg fragen und stehen am Ende vor der Auffahrt zur Autobahn nach Larnaka. Die elfte Person weist uns schließlich auf die „alte“ Straße in den Süden hin, die zwar länger, aber für Fahrräder erlaubt ist. Der Weg erinnert uns an die D100 von Edirne nach Istanbul, viel Verkehr und viele Hügel. Es gibt aber auch Unterschiede, in Zypern weht ein scharfer Wind von Süden her, es gibt keinen Randstreifen und die Zyprioten fahren noch schlechter Auto als die Türken. Die Fahrt verläuft recht ereignislos, die Landschaft Zyperns ist nicht sehr spektakulär und wir fragen uns, warum man hier Urlaub machen sollte. (Ein Einheimischer sagt später, das wüsste er auch nicht so genau, Zypern sei teuer und böte nichts außer Strand und Meer.) Unser Weg führt uns im letzten Drittel an der Grenze zwischen Nord- und Südzypern entlang, überall sieht man Schilder der UN, „Pufferzone“ ist zu lesen und wieder einmal haben wir ein komisches Gefühl, wenn wir daran denken, dass im Land noch vor Jahren scharf geschossen wurde.
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Speisekarte auf GriechischNach knapp vier Stunden Fahrzeit sind wir in Larnaka. Wollen hier noch ein wenig Strandurlaub machen. Ha, guter Witz. Die Hotels am Strand sind unbezahlbar und der Strand ist eigentlich auch nicht so toll, links sieht man große Kräne einer Werft oder eines Containerumschlaghafens und rechts riesige Benzintanks. Aber der Aufenthalt ist aber doch ganz amüsant, ist das Hotel doch rammelvoll mit älteren Damen aus England, die noch Rüschenblusen tragen, den kleinen Finger abspreizen, wenn sie die Tasse mit dem „Five o’clock tea“ zu Munde führen und die perfektes, wohlakzentuiertes British English parlieren. Herrlich!
Aber nicht genug, um uns für länger hier festzuhalten. In Larnaka City fragen wir noch einmal nach einer Fähre, wir wollen es nicht wahrhaben. Gibt es aber nicht, nix zu machen. Also fahren wir zum Flughafen und erstehen ganz spontan einen Flug für den nächsten Tag, Abflug 5 Uhr früh! Zwei Stunden vorher zum Check-in, macht 3 Uhr, halbe Stunde Fahrt zum Flughafen, wir sind bei 2 Uhr 30, aufstehen Frühstück, spätestens 2 Uhr, oh Mann. Wir nehmen uns aber doch noch ein Zimmer in der Nähe des Flughafens, es ist erst 12 Uhr mittags und keiner von uns will 17 Stunden bis zum Einchecken am Flughafen herumhängen.
Irgendwie schaffen wir es, den Hintern um 1Uhr 30 aus dem Bett zu schwingen, wir haben beide wohl nicht richtig geschlafen, schon aus Angst, den Flug zu verpassen. Es wäre nicht das erste Mal. Durch die Nacht und ohne Licht fahren wir zum Flughafen und Premiere: wir sind die ersten am Check-in-Schalter. Der Angestellte rauft sich die Haare, als er unsere 15 Gepäckstücke sieht, aber richtig grau wird er, als er unsere Fahrräder sieht. Diese müssen wir noch auseinandernehmen und verbiegen und anschließend in Plastikfolie einschweißen. Frank schwant Fürchterliches bei dieser Prozedur und er sieht unsere Reise an diesem Flughafen als beendet an. Bei der Sicherheitskontrolle gibt es noch einmal Schwierigkeiten mit dem Stahlkabel, der Polizist meint, es wäre geeignet, den Piloten zu erwürgen. Frank, ganz Jurist, erklärt ihm, auch ein Bleistift könne eine Waffe sein. Der Beamte ist aber nicht umsonst Beamter, er bleibt stur und unser Kabel muss in das bereits aufgegebene Gepäck.
Der Flug vergeht wirklich schnell, wir starten, essen ein Toast, landen, checken aus und sind in Tel Aviv/Israel.
Etappen: 2
Anstieg: 612m | Abstieg: 667m
Datum | Etappe von – nach | km | km total | Zeit | HöhM | Temp. | |
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26.06.2011 | Fähre – Girne (ZYP) | 120 | 3969 | 2:10 | ./. | 32° | H |
27.06.2011 | Girne – Nicosia | 30:43 | 4000 | 2:23 | 331 | 33° | H |
28.06.2011 | Nicosia – Larnaka / Λάρνακα | 54:97 | 4055 | 3:50 | 215 | 30° | H |