Hódmezővásárhely, Kiskunfélegyháza…?
Es ist kalt und nass in Esztergom und natürlich sind alle Campingplätze geschlossen, obgleich der Mai schon begonnen hat. Saisonstart ist eigentlich der 1. des Monats, hallo! Die Unterkünfte in der Stadt sind alles andere als low budget und aus Frust essen wir erst einmal einen Palatschinken, der dreimal so teuer ist wie in der Slowakei. Aber das Ambiente stimmt, die „erste Csárda (Wirtshaus) am Platze“ (so steht es auf einem Schild an der Eingangstüre geschrieben). Fernab finden wir eine bezahlbare Pension und wärmen uns unter der Dusche auf. Der Besuch eines Restaurants am heutigen Abend ist laut Kostenplan nicht mehr vorgesehen, so mampfen wir unseren Lebensmittelbeutel leer. Esztergom, eine der ältesten Städte Ungarns und dereinst Hauptstadt des Landes, ja, was wollte ich schreiben… ach ja, so reich die Geschichte der Stadt, so wenig ist davon noch geblieben, und außer der im letzten Bericht erwähnten Maria-Valeria-Brücke bleibt noch die riesige Kathedrale Mariä Himmelfahrt und St. Adalbert auf dem Burgberg. Die Basilika ist so groß, dass der Rest der Stadt wie Spielzeug wirkt.
Die Sonne lugt hervor, als wir uns entlang der Donau auf den Weg nach Budapest machen. Folgen wir zunächst dem Radweg, sehen wir bald wieder davon ab. Bei Szob sollte die Donau mit einer Fähre zu überqueren sein, aber nach 45 Minuten Wartezeit stehen wir immer noch am Westufer, von einem Fährschiff keine Spur. Bleibt ja noch die Bundesstraße 11, bis Visegrád geht es auch flott vorwärts, sodass für einen Bohnengulasch in einer Raststätte genug Zeit bleibt. Bekannt ist Visegrád vor allem (oder allein?) für die „Zitadelle“, eine auf einem Hügel am Donauknie gelegene Burg aus dem 13. Jahrhundert. Diese wurde erbaut, nachdem die Mongolen 1241 in Ungarn einfielen… Hinter Visegrád wird der Verkehr dichter, die Straße schlechter und wir wundern uns über Ungarn, glaubten wir doch, dass die Verhältnisse für Radler besser seien als in Tschechien oder der Slowakei. Außerdem sind Ungarn – so scheint es – im Bedienen eines Kfz noch etwas ungeübt und in jedem Fall aggressiver, das angebliche Recht auf freie Fahrt wird beherzt und ohne Rücksicht durchgesetzt. Bei Szentendre wird es dann so stressig, dass wir die B 11 verlassen und uns erst einmal den Ort ansehen. Szentendre ist – eigentlich – ein schöner Ort und wird als die Stadt der Maler und Poeten bezeichnet und ist aufgrund seines barocken Stadtbildes und der Lage an der Donau ein Top-Touristenziel Ungarns. Allerdings: hier laufen die Vorbereitungen für die Sommersaison auf Hochtouren, es gibt 100 Baustellen pro Quadratmeter und reizvoll ist etwas anderes. Pech!

Erste Orientierung in Ungarn

Erste Gulaschsuppe in Ungarn

Erste Zitadelle in Ungarn / Visegrád
Wir finden den EuroVelo 6 wieder, den Radweg Esztergom-Budapest. Anfangs geht es in wahrsten Sinne über Stock und Stein und wir wundern uns, lasen wir, dass die ungarische Regierung einen dreistelligen Millionenbetrag in den Radwegeausbau investiert hat. Doch wo? Wahrscheinlich ist das eher Zukunftsmusik von morgen, denn die Radtrasse wird selbst im Budapester Dunstkreis nicht entschieden besser. Dafür entnehmen wir dem Internet, dass 10 Kilometer vor dem Zentrum ein Campingplatz sei, der schon geöffnet habe. Juhu! Wenig später stehen wir vor verschlossenen Toren, ein Anruf ergibt, dass der Platz zwar grundsätzlich offen ist, aber nicht an den nächsten beiden Tagen??? Die Suche nach einer Unterkunft für heute dauert dann noch etwa eine Stunde, die Tipps hilfreicher Ungarn sind zu teuer (also die vorgeschlagenen Unterkünfte, Tipps gibt es in Ungarn kostenlos). Endlich werden wir fündig: eine kleine nette Pension mit
Unterkunft in Budapester Mietshausfunktionierender Heizung und WLAN nahe der Donau und dem schändlichen Campingplatz. Das WLAN hat den unschätzbaren Vorteil, dass man es nutzen kann und für die nächsten drei Tage buchen wir ein billiges Hotel in Budapest, nur 3,9 km vom Zentrum entfernt! Genauso fern erscheint die Fiktion von der Realität, das Hotel liegt irgendwo in den Bergen, die Budapest umgeben, und nach mehr als sechs Kilometern stetem Bergauf werfen wir entnervt und erschöpft das Handtuch. Ob die bei der Buchung angegebene Telefonnummer falsch oder der Inhaber nicht daheim ist, werden wir nie erfahren, nach mehreren erfolglosen Anrufen lassen wir das Hotel Hotel sein und fahren ins Budapester Zentrum. Die weitere Suche nach Ruhestätten gestaltet sich schwierig, irgendein Kongress füllt die Hotels und Pensionen bis auf das letzte Faltbett. Mitten in der Mitte Budapests spricht uns wenig später eine Frau in fast kristallklarem Deutsch an und bietet uns eine Unterkunft in ihrer Stadtwohnung. In der Nähe des Westbahnhofs, sehr zentral gelegen vermietet sie ihr Heim in einem großen Mietshaus zimmerweise, um ihre schmale Rente aufzubessern. Ein Geschenk des Himmels! Die Bude ebenso spartanisch eingerichtet wie das komplementäre Frühstück bescheiden, aber das Zimmer günstig in Preis und Lage. Später trudeln zwei Holländer ein, die ebenfalls auf der Straße „erwischt“ werden und das zweite Zimmer bekommen und glücklich sind wie wir.
Budapest, das im 19. Jahrhundert aus der Zusammenlegung der beiden Städte Buda und Pest entstand, ist eine sehr lebhafte, ja vibrierende Stadt, die mit viel Geschichte, Kultur und allem, was das Leben in der Großstadt lebenswert macht, aufwartet. Die Liste historischer Gebäude (Parlament, Burgpalast, Staatsoper, Kettenbrücke u.v.m.) und Angebote an klassischer und moderner Kunst erscheint ebenso endlos wie die Auswahl an Restaurants, Bars und Kneipen. Die Suche nach echt ungarischem Essen endet allerdings erfolglos, man kann alles von andalusisch bis zyprisch bekommen, ein gutes Bohnengulasch findet man aber wohl eher auf dem Dorf. Stadtbesichtigungen lassen sich per Bus, Schiff, Fahrrad oder zu Fuß unternehmen, Budapest setzt dem Reisen keine Grenzen.
Nach drei Tagen haben wir allerdings genug (gesehen und erlebt), es juckt in den Beinen, die Weiterfahrt wird unumgänglich. Etwas provinziell ist die Straßenbeschilderung in der Hauptstadt, aus Budapest herauszufinden ist ein Glücksspiel, vielsagende Hinweisschilder findet man erst an der Stadtgrenze. Trotz allem ist die Fahrt von Budapest nach Kecskemét wirklich gut, wir bleiben auf der Bundesstraße der Wind bläst von hinten und wir schaffen die knapp 95 km in weniger als fünfeinhalb Stunden. Kecskemét ist das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum in der Großen Ungarischen Tiefebene zwischen Donau und Theiß. Die Stadt, durch Rinderzucht zu Wohlstand gelangt, hat neben einer recht bedeutenden Musikhochschule, einige barocke Baukunstwerke zu bieten und ist eine typische Vertreterin der Bebauungsstruktur der ungarischen Tiefebene. Schon zu frühen Zeiten besiedelt, teilt sie das Schicksal vieler ungarischer Städte, mal zu Ungarn, mal zu Österreich gehörend, dann wieder von den Osmanen überrannt und so weiter, und so weiter…
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Schon auf dem Weg nach Kecskemét wird uns bewusst, dass heute ein besonderer Tag sein muss. Die Suche nach einer deftigen Mittagsmahlzeit bleibt erfolglos, alle Restaurants unterwegs sind entweder geschlossen oder schenken nur Bier aus. Ist der Samstag in Ungarn ein Ruhetag? Kecskemét selbst hatte mal einen Campingplatz, Hotels und Pensionen sind randvoll, die Firma Mercedes hat in der Peripherie der Stadt ein neues Werk gebaut und die „Mercedes-Familien“ belegen alle verfügbaren Quartiere. Wir haben Glück und treffen eine Einheimische, die uns ins hiesige GAMF Kollegium bugsiert, so eine Art Landschulheim. Hier verbringen wir gleich zwei Nächte, weil es am anderen Morgen wie aus Eimern schüttet und wir beide keine Lust haben, bei diesem unwirtlichen Wetter aufs Rad zu steigen. Herumgammeln ist
Auf Abwegen in der Pusztadas heutige Motto, eine Stadtbesichtigung fällt im Sinne des Wortes ins Wasser. Wir verlassen Kecskemét durchaus leichten Herzens und radeln für knapp 70 Kilometer durch das mehr als 20.000 ha große Naturschutzgebiet von Pusztaszer nach Ópusztaszer, einer Stadt, die erst seit etwa 40 Jahren existiert. Die ungarische Puszta ist, wie man sie sich ausmalt: Haine, Wiesen und Flüsse, immer wieder unterbrochen von endlosen Rapsfeldern, hier und da gibt es die Puszta-typischen Ziehbrunnen, Pferde, Mühlen, fast jedes Klischee wird bedient, außer dass die Bewohner der Puszta heute nicht mehr in Pumphosen und bestickten Blusen herumlaufen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Klang der Fiedel Csárdás tanzen. Die Vogelwelt ist in diesem Naturschutzgebiet einmalig, es gibt Fischreiher ohne Zahl und jedes Dorf hat mindestens eine Storchenfamilie zu Gast. Der Campingplatz in Ópusztaszer (immerhin ist einer vorhanden und geöffnet) wird uns in Erinnerung bleiben als hochgradig Fliegen-verseucht. Wir haben uns einen Platz auf weichem Laub gesucht, der sich als Schmeißfliegen-Brutstätte entpuppt, und bald ist das Zelt innen und außen mit einer lückenlosen Schicht aus diesen Fluginsekten bedeckt. Die Theorie, dass sich Fliegen nach Einbruch der Dunkelheit verziehen, ist übrigens nicht länger aufrechtzuerhalten, und als wir am nächsten Tag aufbrechen, sind die Plagegeister immer noch zu Tausenden im Zelt. Allerdings sind sie in der Nacht wie ein Wachhund, stößt man aus Versehen gegen die Zeltwand, gibt es sofort ein gewaltiges Brumm-Konzert und macht, wird postwendend munter. Oh, unverfälschte Natur!

Endlose Puszta
Von Ópusztaszer in das mit historischen Bauwerken und Plätzen reichlich ausgestattete Szeged ist es nur ein Katzensprung. Die Stadt ist wegen ihrer Jugendstil-Häuser, ihren Gärten, Brunnen Kaffee-Häusern und mehr eigentlich eine echte Touristenattraktion und im Nachhinein ist uns nicht klar, warum wir nicht länger hier verweilen. Nach den größeren Orten Budapest und Kecskemét fehlt aber wohl die Lust auf Stadt, außerdem ist Szeged für den Radler etwas unübersichtlich und auf unserer Reise werden wir noch so viele Städte besuchen… Somit wird Szeged nur zur Durchreise bestimmt und noch einmal für dreißig Kilometer in die Pedale bis nach Makó getreten (dabei hatten wir uns so auf Szegediner Gulasch gefreut und werden wir wieder enttäuscht. Man kann in ungarischen Restaurants sehr gut essen, aber auf dieser Reise wissen wir nicht, wann und wo). Makó liegt in greifbarer Nähe zur rumänischen Grenze, es gibt viele Denkmäler aus den beiden letzten Weltkriegen zu sehen und die Stadt hat so berühmte Leute wie Joseph Pulitzer (Stifter des gleichnamigen Journalisten-Preises) und József Galamb (Erfinder des Ford T) hervorgebracht. Erste Anlaufstelle für Camping scheint das Motel Makó zu sein, mit einem großen, ziemlich naturbelassenem Grundstück, einem Swimming-Pool und einer Waschmaschine aus der K.u.K. – Zeit, so scheint es. Das Wasser in der Maschine steht auf Dauer-braun, Sabine meint, es sei eisenhaltig; daher ist die Wäsche später wohl auch so schwer. In einem Restaurant werden wir der letzten ungarischen Währung ledig, das Essen ist eher mittleres Maß und mit einem Soproni (ungarische Biermarke) wird das Kapitel Ungarn heruntergespült.
Das Land hinterlässt – für uns als Radfahrer – einen zwiespältigen Eindruck: die Ungarn sind sehr freundliche und hilfsbereite Menschen, die Städte bersten von Geschichte und Kultur und die Natur macht Lust auf mehr. Allerdings ist Ungarn auch ziemlich teuer, der Verkehr ist fast schon fahrradfeindlich und von der Küche erwarteten wir wirklich kulinarischen Hochgenuss (wir hatten in der Auswahl der Restaurants wahrlich keine glückliche Hand).
Etappen: 5
Anstieg: 252m | Abstieg: 316m
Datum | Etappe von – nach | km | km total | Zeit | HöhM | Temp. | |
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03.05.2011 | Komárno – Esztergom (HUN) | 66:55 | 1655 | 4:43 | 53 | 19° | C |
04.05.2011 | Esztergom – Budapest | 78:65 | 1733 | 5:47 | 62 | 19° | P |
07.05.2011 | Budapest – Kecskemét | 96:22 | 1830 | 5:43 | 75 | 23° | P |
09.05.2011 | Kecskemét – Ópusztaszer | 69:44 | 1899 | 4:27 | 10 | 22° | C |
10.05.2011 | Ópusztaszer – Makó | 55:95 | 1955 | 3:28 | 35 | 23° | C |