Die rechte Hälfte
Tag 1: Auckland
Neuseeland liegt doch am Ende der Welt! Wenn wir glauben, von Shanghai nach Auckland sei es ein Katzensprung, haben wir uns gründlich getäuscht. In neun Stunden ist Sydney erreicht, mehrere Stunden müssen am Sydney Airport verbummelt werden, auf dem sich anschließenden 3-Stunden-Flug nach Auckland streichen wir dann jede Minute auf einer Liste ab, die ich aus Langeweile auf eine der Papier-Mülltüten der Fluglinie gekritzelt habe. Es ist bereits später Abend, als wir Auckland erreichen, im Vorfeld wurde daher eine Unterkunft in der Nähe des Flughafens gebucht, die wir nach umständlichem Einreise-Brimborium (u.a. Kontrolle unserer Camping-Ausrüstung) und einigen Verläufern auf Aucklands Straßen (auch in Neuseeland ist es nachts recht dunkel) erreichen.
Reiseroute
Tag 1: Auckland – Waihi (285 km)
Im Taxi geht es in den Stadtteil Penrose, dem Sitz des Camperverleihs Spaceships-Rentals, der Fahrer redet ein Englisch, an das wir uns in den nächsten Wochen werden gewöhnen müssen, zunächst verstehen wir recht wenig. Der englische Autor Frank Swinnerton bezeichnete das Englisch der Kiwis dereinst als „carefully modulated murmur“ (= sorgfältig moduliertes Gemurmel).

Auckland / Neuseeland
Sei’s drum, Auckland hinterlässt in diesem Teil der Stadt einen gemütlichen Eindruck, viele kleine Straßen, von einstöckigen Holzhäusern gesäumt, es erinnert uns an die Vororte in Südafrikas Städten. Der Himmel ist blau, die Luft klar und die Mitarbeiter von Spaceships empfangen uns mit offenen Armen und geben eine kurze Einweisung in die abgezählten Funktionen unserer rollenden Heimstätte. Zum Standardpaket mieten wir zwei Campingstühle und einen Tisch hinzu, unnötiger Ballast, wie sich in der Zukunft herausstellen wird. Von der relativen Nutzlosigkeit einer eingebauten sogenannten Dual-Batterie konnten wir uns schon in Südafrika überzeugen und so bleibt uns auf Campingplätzen der Kampf mit anderen Reisenden um die wenigen freien Steckdosen erhalten. Der Miniaturkühlschrank und die wenigen verbleibenden Staumöglichkeiten werden mit Lebensnotwendigem gefüllt
Raumschiff-Camper, wir kaufen angesichts des Raummangels auch nicht allzu viel, zudem sind wir begierig, etwas vom Land zu sehen und nicht das Innere eines Supermarktes. Ein Wort noch: In Neuseeland gibt es alles zu kaufen, was man will, sodass man den Rucksack nicht mit Lebensmitteln beschweren muss, derer man am Flughafen im Sicherheitsbereich sowieso ledig geworden wäre.
Endlich auf dem Highway stellt sich die Frage nach dem Wohin. Wie so oft haben wir nur eine grobe Vorstellung, in welche Richtung die Reise gehen soll. Vier Tage verbleiben uns zunächst für die Nordinsel, durch die frühe Buchung der Fähre in den Süden sind wir zeitlich gebunden. Für den Norden hatte man uns das geothermale Gebiet um Rotorua empfohlen, ansonsten tappen wir wie die Blinden in der Dämmerung, für die Südinsel haben wir da schon konkretere Vorstellungen. So bummeln wir auf dem Highway (an den Linksverkehr wollen wir uns langsam gewöhnen) ein paar Kilometer gen Süden und nehmen dann irgendeine Ausfahrt nach links in Richtung Firth of Thames. Schon jetzt merken wir, dass unser Kartenwerk mit riesigem Maßstab vielleicht nicht geeignet sein wird, viele Ortschaften, die wir durchqueren, gibt es auf dieser blöden Karte gar nicht und die Beschilderung der Straßen ist nicht immer ohne weiteres einsichtig.
Auf einer hügeligen und kurvigen Landstraße (so sind fast alle Straßen in Neuseeland, wenn sie nicht noch hügeliger und kurvenreicher sind) geht es vorbei an Farmen und Wäldern bis nach Thames, einer ehemaligen Goldgräberstadt auf der Coromandel-Halbinsel und über die Bergstraße 25a in Richtung Bay of Plenty. Wir streifen dabei zwar nur den Coromandel Forest Park, aber es wird schon deutlich, welch einzigartige Vegetation sich in Neuseeland aufgrund seiner isolierten Lage entwickeln konnte. Riesige Farne wechseln sich ab mit Kauri-Bäumen und Koniferen, die mit Epiphyten überzogen (Aufsitzerpflanzen, die den Bäumen ein geheimnisvolles Aussehen verleihen) sind, hie und da steht ein Pōhutukawa (New Zealand Christmas Tree, Metrosideros excelsa) und tupft etwas rote Farbe in das Immergrün des Waldes. Wir sind so angetan, dass wir gar die Ausfahrt nach Tauranga in den Süden verpassen und erst einmal munter in den Norden fahren, was eigentlich an der Kreuzung in Thames ausgeschlossen ward. Erst als wir an der Ostküste bei Tairua fast in das örtliche Hafenbecken fahren, wird uns unser Irrtum bewusst, rasch kehren wir um und stochern die zwanzig Kilometer zurück zum Abzweig. An diesem Tag schaffen wir es noch bis Waihi, ebenfalls eine alte Siedlung im Goldrausch geboren, wie überhaupt die gesamte Region einmal eines der bedeutendsten Goldbergbaugebiete der Erde war. Nicht weit ist es zum Waihi Beach, ein Stellplatz auf dem Top10-Campingplatz wird angemietet und zugleich die Top10-Mitgliedschaft beantragt. Diese schlägt zwar mit 49 NZ-$ zu Buche, dafür gibt es einen 10%igen Rabatt auf alle Plätze dieser Kette und Ermäßigungen bei anderen Attraktionen und bei der Interislander-Fähre. Ein bisschen Nepp ist auch dabei, denn die Campingplätze von Top10 gehören (wohl) mit zu den teuersten.
Ja, Camping in Neuseeland ist so eine Sache. Grundsätzlich ist wildes Campen verboten, an manchen Stellen erlaubt, wenn man einen sogenannten self-contained Campervan hat (also mit Toilette und Dusche), für alle anderen bleibt der gemeine Campingplatz. Grund für die Einführung dieser Regelung ist der zunehmende Tourismus und die dadurch bedingte Belastung der Natur mit Müll und Üblerem. Eigentlich eine gute Sache, auch wenn wir uns des Öfteren wünschen, ein wenig ruhiger zu nächtigen und nicht mit Krethi und Plethi und deren Anhang den Platz teilen zu müssen. „Leave nothing but your footprints and take nothing but pictures.“ (Hinterlasse nichts außer deinen Fußspuren und mache nur Fotos.) Wir werden uns daran halten, es gibt schlimmeres, als nicht wild zu campen! Schnell noch das Auto zum Schlafe umgebaut, und wir erfreuen uns am Strand von Waihi Beach am Sonnenuntergang und einer Buddel voll Wein.
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Tag 3: Waihi – Rotorua (215 km)
Die nächsten drei Wochen werden hart, zumindest des Nachts. Wir kommen kaum von der Schaumstoffunterlage, die unser Bett sein soll, herunter. Alles ist verbogen, schmerzt und wir hatten – trotz geöffneter – Fenster das Gefühl, zu ersticken. Aber: das wird sich hoffentlich in den nächsten Tagen legen, obgleich wir mit der Konstruktion des Interieurs bis zum Ende der Reise nicht zufrieden sein werden. Die „Ingenieure“ von Spaceships haben hier leider nur halbe Arbeit geleistet. An die Stauraumdeckel etwa kommt man nur heran, wenn man sie mitsamt der Matratze hochhebt, was einen ziemlichen Kraftaufwand bedeutet; will man in freier Wildbahn kochen, so dauert es eine halbe Stunde, bis die Küche aufgebaut ist und der Hunger ist schon lange vergangen. Der Wassertank, eigentlich eine gute Sache, entleert sich ins Fahrzeuginnere, ungeschickt und nicht wohlüberlegt. Ach, und viereckige Vorhänge für runde Fenster fördern auch nicht unbedingt die Blickdichtigkeit, wir werden unsere Abendtoilette wohl auf der Toilette machen müssen. Wirklich gut ist der Toyota, er schnurrt bis zum letzten Tag unserer Reise wie ein Kätzchen. Doch genug lamentiert.
Sechzig Kilometer sind es vom Waihi Beach bis Tauranga, dort werfen wir aus dem Augenwinkel einen Blick auf den Mt. Maunganui, einen
Maori-Schnitzkunst / Waimanguerloschenen Vulkan und Wahrzeichen der Stadt. Von Tauranga sind es noch einmal achtzig Kilometer bis Rotorua, unserem heutigen Etappenziel. Auf dem Weg dorthin passieren wir viele Kiwi-Plantagen und wir sind überrascht zu erfahren (wie wenig man doch weiß…), dass die Kiwi eigentlich aus Südchina stammt (daher wohl ihr früherer Name: ‚Chinesische Stachelbeere‘), Italien der Hauptproduzent ist und die Kiwi an Sträuchern wächst und nicht an Bäumen.
Rotorua ist ein Kurort und mit 18 Seen und drei Flüssen in der Umgebung ein Top-Sommerausflugsziel der Neuseeländer. Die ausländischen Touristen interessiert wahrscheinlich mehr die geothermale Aktivität in dieser Region, die die meisten Häuser Rotoruas durch Erdwärme heizt, einen permanenten Schwefelgeruch in der Stadt verbreitet und einige attraktive und einträgliche Attraktionen in der Umgebung bereithält. Über diese informieren wir uns zunächst in der i-site Rotoruas, die in einem historischen Gebäude, dem ehemaligen Postamt aus dem Jahre 1914 untergebracht ist. Die i-sites, vergleichbar mit unseren Fremdenverkehrsvereinen, sind über ganz Neuseeland verstreut, verfügen über stets freundliches und kompetentes Personal und sind ein wahres Füllhorn an guten Informationen. Rätselhaft hingegen ist uns der Umstand, dass sich Neuseeland den Umweltschutz auf die Fahne schreibt, in den i-sites aber regelmäßig mindestens eine Million Hochglanzbroschüren zur Mitnahme ausliegen, die nach Gebrauch den Weg in den Kehrichtkübel finden. Wie auch immer, wir picken uns aus dem etwas unübersichtlichen Sortiment an Sehenswertem drei Angebote heraus kehren dann aber zunächst in einen Fish-and-Chips-Imbiss ein, um das „Nationalgericht“ (neben Chicken-and Chips) zu degustieren. Riesige Portionen…, und viel Fett…, was kann man von frittiertem Fisch und frittierten Kartoffelstreifen auch erwarten? Bedauerlicherweise wird der Fisch nicht wie in England mit Essig serviert, aber so oder so ist es eine mehr als sättigende Mahlzeit.

Ehemalige Post in Rotorua

Echo-Krater / Waimangu
Die geothermale Zone in Rotorua wartet mit einem Geysir und Schlammtümpeln auf, allerdings versetzt uns der skandalöse Eintrittspreis (so um die 90 NZ-$, ca. 70 Euro) einen gehörigen Schreck, und wir fahren schnell von dannen. Wir folgen der Straße in den Süden, unterwegs bemerken wir eine weitere Attraktion, irgendetwas über Māorikultur, mit Tanz und Büffet, also sehr authentisch und glücklicherweise hat diese Sehenswürdigkeit erst am Abend geöffnet, denn auch hier kann man seine Reisekasse ohne Mühe pulverisieren. Dreißig Kilometer südlich von Rotorua gelangen wir in das Waimangu Valley, einen Grabenbruch, der im 19. Jahrhundert durch einen Ausbruch eines Vulkans entstand. So bildete sich ein 17 Kilometer langes Tal, das bis zum Lake Rotomahana hindurchreicht. Entlang dieses Grabens brachen 22 Krater gleichzeitig aus und verschütteten die am Ende des Tales gelegenen Sinterterrassen der „Pink and White Terraces“, seinerzeit die berühmteste Sehenswürdigkeit im Lande. Das Tal ist das jüngste Thermalgebiet der Welt und das vielleicht einzige Beispiel für ein geothermales Ökosystem, das infolge eines Vulkanausbruchs entstanden ist. Sehenswert sind der Emerald Lake, ein mit smaragdgrünem Wasser gefüllter Krater, sowie der Inferno Crater, dessen See eine türkisblaue Färbung aufweist und dessen Wasserstand sich jeweils in einem Ein-Monats-Rhythmus um 8 Meter hebt und senkt. Auf dem Weg zum Lake Rotomahana finden sich noch eine Reihe anderer Krater, Schwefeldampf ausdünstende Gesteine und kleine weiße Sinterterrassen. Wir verbleiben fast drei Stunden im Tal und genießen die Ruhe und den Dschungel, bevor es zurück nach Rotorua auf den dortigen Campingplatz geht. Zur Nachtruhe ist es noch etwas hin, daher wird das Rotorua-Museum besucht, ein (bis in die 60er Jahre als Badehaus benutzter) Bau aus dem frühen 20. Jahrhundert.
Tag 4: Rotorua – Palmerston North (367 km)
Es ist ein sonniger Tag und das lässt die vielen Leichen, die wir auf der Straße sehen, etwas “freundlicher” erscheinen. Allgegenwärtig sind diese Kadaver diverser Schädlinge wie Possum, Wiesel und Ratten, die die Lebensgrundlage vieler Vogelarten zerstören oder diese gleich in persona fressen. Selbst Rehe, Ziegen, Kaninchen, Schweine, Katzen und Hunde gelten als Ungeziefer und tatsächlich ist fast jedes verwilderte, in Neuseeland eingeführte Säugetier ein Problem für die Tier- und Pflanzenwelt des Landes. Vor diesem Hintergrund lässt sich das strikte Vorgehen der Biosecurity-Behörde auch eher verstehen.
Geysir Lady Knox
In den nächsten Tagen wird es uns nicht gelingen, einen Beitrag zur Schädlingsbekämpfung zu leisten, nichtsdestoweniger verlassen wir Rotorua am frühen Morgen, da wir uns wegen des Wai-O-Tapu Thermal Wonderlands ein wenig in der Zeit bedrängt fühlen. Ca. 50 Kilometer südlich von Rotorua liegt dieses Gebiet mit geothermischer Aktivität und eine der Hauptattraktionen ist der Lady Knox-Geysir, der pünktlich um 10.00 Uhr für ein paar Minuten in die Höhe schießen soll…, was irgendwie seltsam klingt, eine heiße Quelle mit Chronometer?
Den Termindruck im Nacken hasten wir durch den Park, der sich aufgrund mineralischer Ausfällungen in bunten Farben präsentiert, sehenswert ist der heiße Champagne Pool, an dessen Oberfläche kleine Blasen aufsteigen und dessen Rand durch Stignit und Realgar leuchtend orange gefärbt ist. Mit einem ganzen Haufen anderer Touristen finden wir uns dann pünktlich bei Lady Knox ein, ein einheimischer Ranger erzählt vielleicht 15 Minuten etwas über die „Dame“, schüttet anschließend Seifenpulver in das Loch des Geysirs, gegen das sich dieser mit einer etwa 15 Meter hohen Fontäne wehrt. Das Spektakel dauert an diesem Tag 90 Sekunden, bevor der Wasserstrahl in sich zusammensackt und nur noch müde vor sich hin blubbert, ein Wunder der Natur scheint das für keinen der Touristen zu sein und bis zum Parkplatz liegt noch der Duft von Lavendelseife in der Luft.

Schwefelteich „Devils Bath“ im Wai-O-Tapu Park

Lake Taupo
Halbe Hundert Kilometer geht es hügelauf und hügelab bis an die Gestade des Taupo Sees, der mit 622 km² der größte See Neuseelands ist, fast genau im Zentrum der Nordinsel liegt und vor knapp 27.000 Jahren entstand, als ein Vulkan in sich zusammenfiel und sich mehrere Flüsse in die herausgebildete Senke ergossen. Einziger Abfluss des Sees ist der Waikato River im Norden, der in der Nähe der Stadt Taupo zunächst 11 Meter in die Tiefe rauscht und die Huka Falls bildet, eine Attraktion für Touristen und Wildwasserfahrer. Durch die Stadt Taupo sind wir schnell hindurch, am See suchen wir einen Rastplatz und sind erfreut, dass dieser noch nicht belegt ist. In den nächsten Tagen wird dies eine Seltenheit sein, wenn wir nämlich glaubten, Neuseeland sei ein Ort der Einsamkeit, so sind wir da ziemlich auf dem Holzwege. Selten wird es länger als die morgendliche Zahnpflege dauern, dass uns auf der Straße ein Auto entgegenkommt. Dass es sich bei diesem Fahrzeug um ein Wohnmobil handelt, geschieht in 4.30-Minuten -Intervallen. Nach zwei Wochen in Neuseeland entwickeln wir auf etwas langweiligeren Fahrabschnitten ein Wettspiel und versuchen, so das Wohnmobil noch weit entfernt ist zu erraten, von welcher Verleihfirma es ist. Damit lassen sich schon mehrere Stunden verbringen (und je nach Wetteinsatz eine Menge Dollar verlieren). Am Rastplatz versuchen wir erstmalig, unsere Küche zu installieren, was auch leidlich klappt, allerdings ist es so windig, dass es die Einrichtung beinahe davonweht und ewig dauert, bis das Nudelwasser heiß wird. Zwischenzeitlich ist der Rastplatz voll und jeder schaut jedem in den Topf.

Grassteppe im Tongario NP
Ungeachtet dessen hat man einen schönen Blick auf den Lake Taupo und bei gutem Wetter sieht man im Süden die Kaimanawa Mountain Range mit den Tongariro-Bergen. Der Abbau der Küche geht schnell vonstatten, nicht weil wir schon geübt sind, sondern einfach alles in den Wagen hauen. Der See wird an seiner Ostflanke umfahren und bei Turangi, am Südende des Sees die Gretchen-Frage: Was tun? Es gibt zwei Möglichkeiten, den folgenden Tongariro-Nationalpark zu umfahren: links und rechts. Die westliche Variante wäre vielleicht interessanter und wir hätten die Sonne im Rücken, östlich ist hingegen kürzer und ich möchte gerne die einzige Wüstenstraße Neuseelands, die Desert Road, befahren. Wohlan, nach Osten.
Der Tongariro Nationalpark ist der älteste Nationalpark Neuseelands, der viertälteste weltweit und UNESCO-Weltnaturerbe. Außerdem ist er Heimat dreier aktiver Vulkanberge: der Tongariro (1968 m), der Ngauruhoe (2291 m) und der Ruapehu (2797 m). Die Vulkane spielen eine bedeutende Rolle in der Māori-Mythologie, nach einer Legende rief Ngatoroirangi, der Priester des Arawa-Kanus, seine Vorfahren an, um Feuer zu schicken, damit er sich wärmen konnte, nach einer anderen Legende bat er um dieses Feuer, um seine ungehorsamen Gefolgsleute zu bestrafen. Wie auch immer: noch heute befinden sich Māori-Kultstätten in diesem Gebiet, für den Stamm der Tuwharetoa ist Tongariro die Quelle ihrer Macht, hier ruhen die sterbliche Überreste ihrer Altvorderen und der Berg beglaubigt ihren Anspruch auf dieses Land. Häuptling Tukino Te Heuheu schenkte 1887 den Berg der Regierung Neuseelands mit der Auflage, ihn für alle Menschen gleich zu bewahren.

Mt Ngauruhoe im Tongariro NP

Bergkette im Tongariro NP
Im Park gibt es auch einige sehr schöne Trekking-Routen, keine davon aber kürzer als ein Tag und so müssen wir leider auf dieses Angebot verzichten. Der berühmte State Highway 1 heißt in dieser Gegend schlicht “Desert Road” (Wüstenstraße), allerdings darf man keine Wüste im allgemeinen Sinne erwarten. Ungeachtet des jährlichen Niederschlags von fast 2 Metern ist die Gegend sehr lebensunfreundlich, der Boden ist von geringer Güte, der Wind dröge wie ein Butterkeks und so wächst hier allenfalls etwas Gras in Büscheln. Die Winter sind zudem sehr hart in diesem Gebiet, auf viele Kilometer entlang der Straße ist keine menschliche Behausung zu sehen. Allerdings hat man einen exzellenten Blick auf die drei Vulkane des Tongariro-Nationalparks, dessen mittlerer Vulkan, der Mount Ngauruhoe, zwischenzeitlich weltweite Berühmtheit erlangte, seit er eine Nebenrolle als “Schicksalsberg” (Mount Doom) in der “Herr der Ringe”-Trilogie innehatte. Der Weg in den Süden führt uns noch einige Meilen durch das zentrale Hochland der Nordinsel, wir passieren Taihape, eine sogenannte „one-horse-town“ (eine kleine, ländliche und unbedeutende Siedlung), in der es seit 1985 alle Jahre wieder einen Gummistiefelweitwurfwettbewerb gibt und trudeln am frühen Abend in Palmerston North ein. Die Stadt ist…, da, und nach ausgiebigem Einkauf und mehreren Nachfragen (direkt vor dem Campingplatz steht ein Schild mit dem Hinweis „Camping“; so macht man auf sich aufmerksam) erreichen wir die Campsite von Sue und Pete (oder so ähnlich). Der Platz ist schon ein wenig älter als Pete und Sue, aber alles funktioniert und in der Waschküche lernen wir eine waschechte Neuseeländerin kennen, die uns während Vor- und Hauptwäsche alles über neuseeländisches Baurecht beibringt und auch noch erzählt, als wir die Wäsche zusammenfalten und gehen.

Hotel in Taihape
Tag 5: Palmerston North – Lower Hutt (214 km)
Der letzte volle Tag in diesem Jahr auf der Nordinsel bricht an, das Wetter ist durchwachsen und wir erinnern uns der Aussage, dass Neuseeland bisweilen vier Jahreszeiten an einem Tag durchmacht; Schnee ist heute jedoch kaum zu erwarten. Wir verlassen Palmerston North und die Baurechtsneuseeländerin und sind bald wieder auf dem SH 1 und legen in Otaki eine zweite Frühstückspause ein. Ungeachtet jedweder historischen Bedeutung des Ortes genießen wir herrliche Brownies in einem Café und entdecken wenig später ein Icebreaker-Outlet, in dem die (war mir gar nicht bekannt und soll auch keine Werbung sein) viel gerühmten Merinowolle-Outdoorprodukte zu “Schleuderpreisen” verkauft werden. Ein Abstecher zum „historischen“ Bahnhof offenbart (irgendwie), dass die Eisenbahn in Neuseeland eine eher untergeordnete Rolle spielt, dies gilt wenigstens für den Personenverkehr. Lediglich in Auckland und Wellington sind Vorortzüge von einiger Bedeutung, einige Hauptstrecken werden eigens für Touristen bedient. In Bezug auf den Güterverkehr wird das 4000 Kilometer lange Streckennetz hingegen ausgiebig genutzt und rechtfertigt dessen Instandhaltung.

Historischer Bahnhof von Otaki
Der Bahnhof dokumentiert allerdings auch, dass historische Gebäude in Neuseeland selten älter als 200 Jahre sind. Das älteste Holzhaus (Mission House, 1822) ist in Kerikeri im Norden der Nordinsel zu finden, ebenso das älteste Steinhaus (Stone Store, 1832). Die Errichtung dieser Häuser ist dafür verantwortlich, dass Kerikeri den Beinamen „Wiege der Tradition“ trägt. Der europäische Besucher kann angesichts dieser Zahlen vielleicht nur müde lächeln, gibt es doch in vielen Städten der Alten Welt Gebäude, die weit mehr Jahre auf dem Buckel haben. Aber: junges Land, junge Geschichte. Viel seltsamer hingegen ist der Umgang mit historisch Sehenswertem. Nicht selten steht an der Straße ein Schild mit der Aufschrift „Historic Site“ (historischer Ort/Attraktion), und mehr nicht. Nun biegt man ab und fährt und fährt…, und fährt… Wir sehen auch Schilder, die eine historische Brücke androhen, wir biegen ab und fahren…, dann gibt es drei Brückelchen über einen Fluss und wir dürfen uns aussuchen, welche nun die geschichtsträchtige ist. Neuseeländer haben einen besonderen Sinn für Humor.
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Hinter Otaki setzt Regen und verstärkter Verkehr ein, Wellington ist nicht mehr weit und über einige Kilometer wird die SH1 zur Küstenstraße, linker Hand steil aufragende Hügel und rechts das schäumende Meer. Auf einem Rastplatz (nur vier Autos sind vor uns da) machen wir eine Rast und haben die Gelegenheit, dass schmutzigste öffentliche Klo Neuseelands zu bewundern. Dies war jedoch nicht der eigentliche Grund des Stopps, vielmehr wollen wir das weitere Vorgehen planen. In Wellington gibt es keinen Campingplatz, der nächste ist in Lower Hutt, das eine gute Ausgangsbasis zu einem Ausflug in die nähere Umgebung ist und auch etwas weiter nördlich interessante Ziele bietet.

Wellington – Civic Square
Nach Wellington, the windy city, ist es nicht weit und während ich das Fahrzeug durch den Nachmittagsverkehr kurve, kreuzt Sabine auf dem Stadtplan die Sehenswürdigkeiten der Stadt an und es werden nicht zu viele Kreuze. Unser Campmobil wird vor dem Te Papa-Nationalmuseum abgestellt, ich werfe Münzen für lediglich zwei Stunden ein, das Museum wollen wir uns schenken, warum auch immer. Wellington wird auch an diesem Tag ihrem Ruf als Stadt des Windes gerecht, ein Umstand, der Abel Tasman und James Cook vor Jahrhunderten bereits zwang, die Erforschung des
Farnball-Skulptur in WellingtonGebietes von der Seeseite her abzubrechen. Schade, dass wir unseren Drachen nicht dabei haben, aber er wäre wahrscheinlich in wenigen Minuten hinfort. Wellington gilt als kultureller und künstlerischer Mittelpunkt des Landes, dies eröffnet sich uns natürlich nicht während unserer zweistündigen Anwesenheit, allerdings hinterlässt die Stadt einen wirklich lebhaften Eindruck. Vom Museum ist es nur einen Steinwurf weit bis an die Oriental Bay, die bei schönerem Wetter sicherlich einladender wäre, interessant ist das neue Regierungsgebäude „Beehive“ (Bienenstock) und der Civic Square mit seiner sehenswerten kugelförmigen Farn-Skulptur, die beim Betrachter den Eindruck erweckt, ohne Netz und doppelten Boden in der Luft zu hängen. Die Innenstadt ist eine Innenstadt und wir sind bald auf der Suche nach etwas Essbarem, Sabine möchte sich gern ein Kleid kaufen, in das sie nicht hineinpasst und ich kann sie gerade noch zeitig vor dieser Fehlinvestition bewahren. Mit Erschrecken stellen wir fest, dass zwei Stunden (für uns) ausreichend sind, um uns einen befriedigenden Überblick über Wellington zu verschaffen, da es aber noch früh am Tage ist, machen wir uns wieder auf Richtung Lower Hutt und Upper Hutt, in diese Richtung soll es noch einige „Herr-der-Ringe“-Drehorte geben, die allerdings so schlecht ausgeschildert sind, dass wir alsbald von dieser Idee Abstand nehmen. Überhaupt erzählte mir später ein Hamburger (Mensch), seines Zeichens eingefleischter Tolkien-Jünger, diese Drehort-Geschichte sei – abgesehen vom Hobbit-Dorf – eine ziemliche Touristenfalle. Man könne kostenintensive Touren buchen und würde zu Orten gekarrt, die zwar in den Filmen vorkämen, aber letzten Endes so aussähen, wie fast jede Gegend in Neuseeland. Oft reicht schon wenig Phantasie, um sich allerorten nach Mittelerde versetzt zu fühlen.
Am Abend treffen wir auf dem Campingplatz einen Neuseeländer, der leider gar nichts über das heimische Baurecht zu berichten weiß, aber 13 Jahre in Konstanz lebte und anschaulich über Neuseeland, seine Menschen und Ideen sowie die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Landes berichtet. Aus einem anfänglich schüchternen Smalltalk wird ein wirklich gutes Gespräch und wir sind überrascht, als schon ein neuer Tag anbricht und wir erst zu gottloser Stunde in unsere Bettstatt hüpfen.
Übernachtung in:
Waihi Beach – Top 10 Holiday Park, 15 Beach Road Waihi Beach
Rotorua – Top 10 Holiday Park, 1495 Pukuatua Street, Rotorua
Palmerston North – P.N. Holiday Park, 133 Dittmer Drive, West End, P. North
Lower Hutt – Wellington TOP 10 Holiday Park, 95 Hutt Park Road, Lower Hutt
Eintritt usw.:
Waimangu Volcanic Valley – NZ$ 42, Kinder: NZ$ 14
Wai-O-Tapu Thermal Wonderland – NZ$ 32,50, Kinder: NZ$ 11
Top 10 Holiday Park Pass – NZ$ 49, hier kann man sich über die Vorteile der Karte informieren