Die rechte Hälfte
Neuseelands Wetter ist sehr kapriziös. Hatten wir gestern noch einen Abend mit rostrotem Sonnenuntergang, riesigem Mond und einem Haufen Sterne dazu, so zeigt sich heute die Hauptstadt in straßenbelagsgrau und verregnet. Laut Auskunft der guten Top-10-Mitarbeiterin seien es gerade einmal 20 Minuten vom Campingplatz in Lower Hutt bis zum Fähranleger der Interislander in Wellington. Leider vergisst sie uns mitzuteilen, dass dies vielleicht für einen Sonntag zutrifft, in keinem Fall aber für eine Arbeitswoche. Eine geschlagene Stunde brauchen wir für die zwölf Kilometer, frühes Aufstehen macht sich endlich bezahlt. Trotzdem wird es eng, fünf Minuten nach Beginn des Check-in biegen wir auf das Gelände von Interislander ab, um dann aber doch fast eine Stunde in der Schlange zu stehen. Kundige Hand weist uns endlich in den Bauch der Fähre, die See ist ruhig und das Schiff bietet allerhand Abwechslung, sodass die vierstündige Überfahrt (die wir trotz schlechten Wetters an Deck verbringen) über die Cook Strait hinein in die Fjorde des Marlborough Sounds als kurzweilig ist. Die Zahl der motorisierten Passagiere lässt den Wunsch nach Einsamkeit allerdings in die Ferne gleiten.
Reiseroute
Interislander Fähre Wellington – PictonIn Picton, einer kleinen pittoresken Hafenstadt im Norden der Südinsel, ergießt sich der Strom der Reisenden und Pendler aus dem Leib des Schiffes und versickert allmählich auf den Straßen in und um den Ort herum. Hier gelangen wir auch wieder auf den State Highway 1, der uns in den Süden der Insel bringen wird. Wir sind jetzt in der Region Marlborough, die sanft geschwungenen Hügel und ein günstiges Klima sorgen für ideale Voraussetzungen für den Weinanbau, so werden hier Spitzenweine wie Sauvignon Blanc und Chardonnay angebaut, gekeltert und verkauft. Nicht weniger als 30 Weingüter soll es in der Region um Blenheim geben, wir belassen es heute allerdings bei einem faden Kaffee, legen jedoch einen Stopp am Lake Grassmere ein, einer flachen Lagune, die durch eine Sanddüne vom Meer getrennt ist und im Sommer regelmäßig austrocknet. Diese geografische Besonderheit wurde schon in den 40er Jahren genutzt, um im Lake Grassmere Salzgärten anzulegen. Aus dem See wird ein Großteil des neuseeländischen Salzbedarfs gedeckt und im Sommer heben sich die weißen Salzberge hell leuchtend vom Braun der Marlborough Hills ab.

Fähre im Cook Strait / Neuseeland

Weinberge bei Blenheim / Neuseeland
Der Highway SH 1 windet sich weiter Richtung Süden und in der Region Canterbury entlang der malerischen Küste verläuft. Am Ohau Point liegt eine große Robbenkolonie, nur einen Steinwurf von der Straße entfernt. Die pelzigen Meeressäuger stören sich weder an Campmobil noch an wie entfesselt fotografierenden Touristen. Immer öfter tauchen jetzt am Wegesrand kleine Fischbratereien auf, die den in der Kaikoura-Gegend berühmten „Cray-Fish“ (Languste) feilbieten, indes: die meisten sind geschlossen (oder haben noch nicht geöffnet).
Am späten Nachmittag erreichen wir endlich Kaikoura. Viel hat dieser ehemalige Fischerort nicht zu bieten, berühmt ist er jedoch für die fast garantierte Gelegenheit, Pottwale, Orcas und Delfine in ihrem nassen Element zu observieren, wenn man das Glück hat, eine Passage auf einem der Walbeobachtungsboote buchen zu können. Dies ist in der Hochsaison eine Unmöglichkeit, alle Schiffe scheinen für die nächsten 400 Sommer ausgebucht, lediglich ein Trip zu den Robben am Ohau Point wäre noch buchbar, so die Auskunft des Veranstalters. Nun ja, das wäre eine Idee, kämen wir nicht schon von dort. So passt man sich den Umständen an, ein Ausflug auf die Kaikoura Peninsula, die wie das Holzbein eines Seeräubers in die See hineinragt, ist zwar kein Ersatz für das Beobachten der Wale, aber Stelzvögel und Robben, denen man hier gefährlich nahe kommen kann, haben auch ihren Reiz. Auf der Rückfahrt ins Dorfzentrum passieren wir eine Fischbude, die nach eigener Werbung die besten Langusten zubereitet (oder Langusten am besten zubereitet?). Wie das so mit Werbung ist: was dem Braten an Geschmack fehlt, Kochkunst können wir hier leider nicht attestieren, macht er durch eine berauschende Farbvielfalt wett. Nicht nur auf unseren Tellern geht es bunt zu, ein herrlicher Sonnenuntergang über dem Meer und der schneebedeckten Kaikoura-Gebirgskette, das Rauschen des Ozeans und das Schnattern der gefiederten Freunde…, wer braucht schon einen Sitzplatz in einem Walbeobachtungsboot?
Tauchen, Angeln und Kayak-Touren sind weitere Outdoor-Möglichkeiten in Kaikoura, ein wenig günstiger sind Wanderungen in der Gegend, von denen die interessanteste vielleicht die zum Mount Fyffe ist, von dessen Berghütte sich schöne Ausblicke über Land und Meer bieten.
Tag 7: Kaikoura – Fairlie (390 km)
Mit einem Gefühl des Irgend-Etwas-Verpasst-Habens machen wir uns auf den Weg in den Süden, um kurz hinter der Ortsausfahrt schon wieder anzuhalten. Am Straßenrand sehen wir ein Schild mit einem Hinweis auf ein Unternehmen, welches Walbeobachtungsflüge feilbietet. Wir sind fast sicher, dass wir ein Ticket buchen werden, koste es, was es wolle. Wie es der Zufall will, startet die nächste einpropellrige Maschine in zehn Minuten, die vier anderen Fluggäste werden bereits in den Gebrauch der Schwimmweste eingewiesen und in Bruchteilen von Minuten haben auch wir unsere Plätze eingenommen und schweben alsbald über dem Ozean. Die Sicht ist ausgezeichnet, Fotografieren wird schwer, da die Plastikfenster unangenehm reflektieren und die Maschine zittert wie Herbstlaub im Wind. Nur wenige Augenblicke später sehen wir tatsächlich einen Pottwal. Ein majestätischer Anblick, das blaue Meer, von Schneebergen flankiert, der graue Riese und die Fontäne ausgeblasenen Wassers, in der sich das Sonnenlicht vielfarbig bricht… Der halbstündige Flug wird ein schönes Erlebnis ist, zwar können wir wegen der erhabenen Position die Fluke des Wals nicht in den Fluten des Ozeans versinken sehen (der Foto-Klassiker schlechthin), dafür ist der Blick vielleicht eindrucksvoller als vom Boot, da man den Wal in seiner gesamten Größe ausmachen kann. Der Pilot dreht noch eine Runde an der Küste, wir landen sicher und sind noch eine ganze Weile sprachlos ob der Schönheit der Natur.

Pottwal nahe Kaikoura
Wir verlassen fürs Erste die Küste, da sich eine Hügelkette ans Meer schiebt und so den Verlauf der Straße zu einem Umweg nötigt. Die 178 Kilometer bis Christchurch, der Hauptstadt der Region Canterbury, unterbrechen wir auf des Weges Hälfte, um im historischen Bahnhof von Domett den Nachmittagstee einzunehmen.
Christchurch ist nach Auckland und Wellington und nach zwei schweren Erdbeben in jüngster Vergangenheit immer noch die drittgrößte Stadt Neuseelands und nebenher die „englischste“ Siedlung des Landes (in Bezug auf Planung und Bau), mit vibrierender Kulturszene und ein Mekka für Surfer (in der Bucht von Sumner). Noch ist die Stadt eine große Baustelle ist, allenthalben werden die Schäden der Erdbeben beseitigt. Zwischen Containern, die einsturzgefährdete Bauten stützen und solchen, die die Aufgabe früherer Geschäfte übernehmen, lässt sich erahnen, dass Christchurch vor den Katastrophen eine ansehnliche und interessante Stadt war. Wem der Sinn jedoch nicht nach durchaus schönen botanischen Gärten, einer Handvoll sehenswerter Gebäude im viktorianischen Stil und einer historischen Straßenbahn sowie dem Antarctic Centres steht, wird zugeben müssen, dass ein paar Stunden Aufenthalt in Christchurch ausreichend sind.
Um zum Lake Tekapo in der Nähe des berühmtesten Berges Neuseelands, des Mt. Cook, zu gelangen, sind knapp 300 Kilometer in südlicher Richtung zu bewältigen. Folgt man der SH1, können einige Meilen gespart werden, interessanter soll die Inland Scenic Route (SH72) sein, die sich durch Wälder und Hügelketten windet. Ob dies jedoch die Mehr-Kilometer rechtfertigt (viele Kiwis nennen die Route einen Marketing-Gag)? Auf der Südinsel gibt es noch reichlich schöne Touren… Wer sich für die SH72 entscheidet, muss von Christchurch wieder Richtung Norden, von dort nach Rangiora und über Coalgate weiter auf der SH77 bis Geraldine.
Die Fahrt von Christchurch nach Geraldine wird wirklich die eintönigste in den 21 Tagen unseres Aufenthalts in Neuseeland. Felder, Felder und noch mehr davon. In Geraldine, ein über hundert Jahre altes kleines Dorf, in dem heute vornehmlich Künstler und Ruheständler leben, biegen wir nach Osten, die Southern Alps im Blick, ab. Noch 46 Kilometer sind es bis Fairlie, es geht – wie so oft in Neuseeland – über sanft geschwungene Hügel bis zu einem Aussichtspunkt (eher eine Seltenheit im Lande), der eine schöne Fernsicht in das Mackenzie-Country bietet, vertreten die steif gewordenen Beine und rollen hinunter in die 900-Seelen-Gemeinde Fairlie.
Fähre Wellington – Picton (incl. Campervan + 2 PAX) ca. NZ $350
Übernachtung in:
Kaikoura – Top 10 Holiday Park, 34 Beach Road, Kaikoura
Fairlie – Fairlie Holiday Park, 14 Allandale Rd, Fairlie
Portobello – VillageTourist Park, 27 Hereweka Street, Portobello, Otago Peninsula
Curio Bay – Curio Bay Camping Ground/Catlins Coast, 601 Curio Bay Road, Southland
Eintritt usw.:
Walbeobachtungsflug ca. 30 Minuten, ab NZ$180 pP
Royal Albatross Centre – NZ$52.00 – $62.00, Kinder: NZ $15.00 – $20.00