Heimfahrt via Hobbingen
Ob der Abel Tasman-Nationalpark nun wirklich – wie beworben – ein „Paradies“ bzw. ein „Traumziel“ ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Glücklicherweise gibt es für die beiden Begriffe keine allgemeingültige Definition mit messbaren Parametern, sodass auch wir in Bezug auf die Natur gerne von einem wunderschönen Fleckchen Erde sprechen werden. Lärmende Touristenschlangen, knatternde Motorboote und Jetskis, stinkende Autos (unseres eingeschlossen) blendet man kurzerhand aus und nimmt sie als untrügliches Zeichen irgendeines Fortschritts in Kauf. Benannt ist der Park benannt nach jenem legendären holländischen Seefahrer, der im 17. Jahrhundert als erster Europäer für die holländische Vereenigde Oost-Indische Compagnie einen Fuß auf Neuseeland setzte. 300 Jahre später, am 16. Dezember 1942, wird die Gegend an der Nordwestspitze der Südinsel auf Betreiben der Hobby-Ornithologin Mrs Perrine Moncrieff, die wegen des anstehenden Holzschlags in dem Gebiet um Totaranui um den Bestand des Urwalds besorgt war, zum Nationalpark erklärt. Damit verhinderte sie als Nebeneffekt auch den Bau einer Straße durch den heutigen Park. Dieser ist 225,3 km² groß, hügelig und zu drei Viertel bewaldet. Berühmt ist er für die unzähligen Buchten mit goldenem Sand und türkisblauem Wasser, die Karste und Höhlen sowie den bei Touristen heiß begehrten, ca. 60 Kilometer langen Küstenwanderweg. Dem (Hobby-) Ornithologen bieten sich zudem zahlreiche Seevögel zur Beobachtung an.
Reiseroute
Tag 15: Motueka – Nelson/Richmond (106 km)
Wir haben leider das Problem, dass wir gar nicht genau wissen, was man in diesem Park macht…, oder machen soll/kann. Nun gut, man kann, mit vielen anderen Menschen im Kajak oder Auslegerboot an der Küste entlangpaddeln (falls die Boote nicht auf Jahre ausgebucht sind). Es wäre auch möglich, mit vielen anderen Menschen am Strand zu liegen und dann mit ihnen den legendären, mehrtägigen Abel Tasman Coast Track abwandern, sofern man sich schon sehr lange im Voraus um Schlafplätze in Lodges oder auf Campingplätzen bemüht hat. Helikopter-Flüge in großen Gruppen, Abseiling nach stundenlanger Wartezeit… Es gibt kaum einen Wunsch, der (mit gewissem zeitlichen Vorlauf und Buchungsgeschick) unerfüllt bliebe. Allerdings sollte man sich gerade in der Ferienzeit von den Gedanken freimachen, man wäre im Abel Tasman-Park irgendwo oder irgendwann allein. Da hatten es Adam und Eva in ihrem Paradies doch ein wenig ruhiger. Einen guten Überblick über das Angebot im Abel Tasman-Park und den Coast Track nebst herunterladbarer Karte findet man hier (nur Englisch).
Wie dem auch sei, Ausgangspunkt jeder Unternehmung im Park sind die Orte Kaiteriteri oder Mārahau, die man von Motueka mit dem Auto erreichen kann. Von den beiden Siedlungen geht es dann nur noch zu Fuß oder mit Seashuttle (Kaiteriteri) bzw. dem Wassertaxi (Mārahau) weiter Richtung Norden. Wir entscheiden uns für das Wassertaxi von Mārahau und buchen dort eine Passage in die Torrent Bay, die Länge des Wanderwegs entlang der Küste zurück zum Ausgangspunkt in Mārahau wird offiziell mit knapp 13 Kilometern und 4 Stunden angegeben. Die nun folgende „Taxifahrt“ ist in der Vorbereitung interessant und vielleicht auch einmalig: Alle Passagiere werden in ein Motorboot gesetzt, welches auf einem Anhänger steht, der von einem kleinen Traktor gezogen wird. Mit diesem Gespann geht es hinunter zum Strand, der Traktor rauscht ungebremst in die Fluten und fährt so lange in das Meer hinein, bis das Boot vom Anhänger gezogen werden kann. Hintergrund dieses aufwändigen Procedere ist das sehr flache Wasser in der Gegend, bei Ebbe entsteht ein Sand- und Schlickwatt, welches sich weit nach Norden hinstreckt. Selbst kleinere Boote mit wenig Tiefgang müssen weit vor der Küste ankern, um Wasser unter den Kiel zu bekommen.
Nach einer etwa einstündigen “Taxifahrt” ist die Torrent Bay erreicht, bis zum Strand müssen wir durch hüfthohes Wasser waten. Zwischen der Torrent Bay und der Anchorage Bay gibt es eine sogenannte Gezeitenquerung, dann folgt der Weg dem Küstensteilhang durch reichlich bewaldetes Terrain. An einigen Winkeln hat man einen sehr schönen Rundblick auf die Küste und deren Strände, ein Großteil der Strecke verläuft aber irgendwie unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Riesige Farne und anderes Gehölz versperren die Aussicht auf die Küstenlinie, lediglich den sandigen Pfad und die überholenden Schnellwanderer hat man stets vor den Augen. Nach vier Stunden wird es etwas langweilig und wir sehnen das Ende der Tour herbei. Knapp 3 Kilometer vor dem Ende des Tracks lichtet sich der dichte Bewuchs und gibt die Sicht auf Marahau frei, indes dauert es noch mehr als eine halbe Stunde, bis wir den Parkplatz erreichen. Fazit unseres Ausflugs in Abel’s Park: Die Natur ist schön, Vögel konnte man hören und das Wandern kann man sich auch schenken, da gibt es – so unser Eindruck – besseres in Neuseeland. Allerdings: wir sind im Park auch nicht sehr weit in den Norden vorgedrungen, vielleicht ist es dort besser.
Nach diesem „Abenteuer“ haben wir noch genug Energie, um nach Nelson, einem netten Städtchen mit reichlich Kolonialbauten und einer Art-Deco-Kathedrale. Die Nacht werden wir in Richmond, etwa zehn Kilometer südlich von Nelson, verbringen.
Tag 16: Nelson – Wanganui (329 km)
Für den letzten Tag auf der Südinsel haben wir uns noch einen Leckerbissen aufbewahrt, eine Fahrt durch die Marlborough Sounds! Sollte vom Tag dann noch etwas übrig bleiben, werden wir dessen Überreste in Picton ausklingen lassen und am nächsten Tag mit der Fähre auf die Nordinsel übersetzen.
Im Gegensatz zum Milford Sound sind die Marlboroughs zwar keine durch
Marlborough Sound – Richtung WellingtonGletscher entstandenen Fjords und auch weniger spektakulär, respektabel sind sie in jedem Fall. Das hilft indes nicht sonderlich, wenn die Wolken bis auf die Straße hängen, zu allem Überfluss Dauerregen einsetzt und die Sicht auf ein Mindestmaß reduziert. Die in dem kleinen Fischerdorf Havelock geplante Tour mit dem Postschiff durch die Marlborough Sounds verschieben wir in die Unendlichkeit. Ab Havelock verlassen wir den SH6 und kurven auf dem kurvenreichen Queen Charlotte Drive entlang der Küste in Richtung Picton; als interessante Alternative zum SH6 gewährte diese Route bei gutem Wetter einen guten Rundblick über die Sounds. Gegen Mittag erreichen wir Picton und wollen, mit Blick auf die Abfahrt am nächsten Tag, eine Bootstour zu einigen kleineren Inseln machen, um Vögel zu beobachten. Bei strömendem Regen trauen wir uns nicht einmal mehr aus dem Auto, um einen Tour-Veranstalter zu den Vogelinseln ausfindig zu machen. Was tun? Wir bleiben im Fahrzeug, essen etwas und hören Radio; die Sprecherin gibt gerade den Wetterbericht zum Besten und es scheint, die Wetterlage auf der Nordinsel sei um Längen freundlicher als vor Ort. Warum also zur Anlegestelle der Interislander-Fähre und fragen, ob eine Umbuchung der Passage auf den heutigen Tag möglich sei? Es ist möglich, lediglich 25 Dollar haben wir zuzuzahlen und unser Ticket wird vordatiert. Eine halbe Stunde später parken wir unseren Wagen im Unterdeck der Fähre ein. Wir verabschieden uns von der Südinsel und rauschen mit 15 Knoten durch den bleigrauen Sound, der – zugegebenermaßen – auch bei diesem Wetter seinen Reiz hat und um Einiges geheimnisvoller anmutet, als bei strahlendem Himmel.
Gegen Nachmittag läuft die „MS Kaitaki“ im Hafen von Wellington ein und wir sind alsbald auf dem SH1 in nördlicher Richtung. Wellington und das 150 Kilometer weiter im Norden gelegene Bulls ist in der Hand eines Tiefdruckgebietes, soviel zum Gehalt einer Wettervorhersage. Auf der gesamten Strecke werden wir wenig Pause machen, es herrscht reger Schwerlastverkehr und die Aufmerksamkeit gilt mehr den Straßenverhältnissen denn der Umgebung.
Am frühen Abend, im Schein einer sich verabschiedenden goldenen Sonne, trudeln wir in Whanganui ein. Die Stadt liegt im Mündungsgebiet des Whanganui Rivers, des drittlängsten Flusses Neuseelands. Im Gegensatz zu anderen Flüssen des Landes ist der Whanganui deutlich naturbelassener, er durchfließt keinen großen Ballungsraum, dafür jedoch durch zwei Nationalparks. Diese Umstände machen ihn für Flusskajakfahrer äußerst reizvoll. Die Stadt ist eine der ältesten Neuseelands, was nicht unbedingt augenfällig ist, es gibt jedoch noch ein paar sehr interessante Relikte aus der Kolonialzeit, dazu gehören sicherlich das aus Holz errichtete Opernhaus (1899) sowie der Schaufelraddampfer „Waimarie“, mit dem man auf dem Whanganui bis zu 30 Kilometer stromaufwärts dampfen kann.
Tag 17: Wanganui – Waitomo (335 km)
Unser Plan ist, weiter in den Norden zu fahren, so weit, so gut. Als wir des Morgens in Wanganui aufbrechen, ist uns dies klar, mehr aber auch nicht. Erst im Laufe des Vormittags werden unsere Zielvorstellungen etwas präziser. So wollen wir es uns nicht nehmen lassen, einen Abstecher zum Mount Taranaki zu versuchen, Sabine ist zudem wild entschlossen, den Glühwürmchen in den Höhlen um Waitomo einen Besuch abzustatten. Meine Idee bedeutet einen Umweg von fast 80 Kilometern, Sabines Eingebung belastet unsere Reisekasse mit weiteren 50 Dollar, mindestens. In der Schule lernen wir aber, dass sich zwei Negative aufheben und ein positives Ergebnis zu erwarten ist, Taranaki und Glühwürmchen werden es sein!
Auf dem Weg zum Mt. Taranaki passieren wir die kleine verschlafene Ortschaft Hawera, jedoch sind sowohl der Reiseführer als auch die Beschilderung in dem Ort so unerquicklich, dass wir das empfohlene Tawhiti-Museum und auch den 50 Meter hohen Wasserturm nicht finden, sondern lediglich das Innere des örtlichen Fastfood-Restaurants bewundern können.
Unser Plan, den Taranaki-Vulkan zu besuchen, geht leider völlig in die Hose. Seit Tagen regnet es in der Taranaki-Region und als wir uns dem Berg nähern, sehen wir nichts. Als wir vorbeifahren, sehen wir nichts und im Rückspiegel ist zu unserem Bedauern außer tiefhängenden Wolken schon gar nichts auszumachen, was einem Berg auch nur annähernd ähnlich erscheint. Die Mitarbeiterin der i-Site Inglewood tröstet uns darüber hinweg, es werde sich in den nächsten Tagen kaum zum Guten wenden, wir könnten ohne Sorge weiterfahren. Schade, denn der Mount Taranaki ist nicht nur ein Vulkan mit perfekter Spitzkegelform (ähnlich dem Mt. Fuji in Japan), sondern ist auch Hauptdarsteller einer schönen Māori-Legende. So waren die Berggötter Tongariro, Ruapehu und Ngauruhoe einst gut Freund mit dem Taranaki, bis eine Frau das Quartett, und insbesondere Tongariro und Taranaki, entzweite und Taranaki in den Westen stapfte, um dort einsam wehzuklagen. Ja, die Frauen und die Liebe…
Wen das gleiche Schicksal ereilt, das Schlechtwetterschicksal natürlich, sollte sich in Stratford (unweit des Taranaki) nicht das Pioneer Village entgehen lassen, etwa 50 historische Gebäude samt authentischer Füllung hat man hier zu einer sehenswerten und kurzweiligen Sammlung zusammengekarrt und da ist einem auch gleich das Wetter piepegal. Nach eingehender Inaugenscheinnahme der historisch relevanten Reliquien raffen wir unsere Sachen zusammen und uns auf und sitzen noch einmal 185 Kilometer ab, machen allerdings zwischendrin in dem kleinen Hafenstädtchen Mokau eine Kaffeepause, nicht weil uns der Sinn derart nach koffeinhaltigen Heißgetränken steht, sondern der Ort ganz nett ist und Jane Campions Film „Das Piano“ zu einem Teil vor Ort gedreht wurde. Dummerweise ist es schon lange her, dass wir den Film gesehen haben und wir erkennen nicht eine Lokalität aus dem preisgekrönten Streifen wieder. Pech!
Am frühen Spätnachmittag erreichen wir endlich die Waitomo-Glühwürmchenhöhlen. Sabine eilt ohne Zögern in die Felsgrotten, um die Leuchtkäfer zu bewundern; ich hingegen miete einen Stellplatz auf dem hiesigen Campingplatz und knüpfe freundschaftliche Bande mit zwei Hamburgern, die schon zum x-ten Mal in Neuseeland sind und über einen reichhaltigen Fundus an Anekdoten über das Land verfügen. Sie sind es, die mir überdies den Mund wässrig in Bezug auf die Filmkulisse „Hobbingen“ in Matamata machen. Nun habe ich den „Herr der Ringe“ vielleicht ein halbes Dutzend Mal gelesen, allerdings würde ich mich nicht als Tolkien-Jünger titulieren, der um jeden Preis die Örtlichkeiten seiner Romanhelden aufzusuchen hätte; und doch… interessant wäre es sicherlich. Die beiden Hamburger warnen mich jedoch ob der horrenden Eintrittsgebühr, es sei zweifelhaft, ob das Gezeigte eine derartige Summe wert sei und rätselhaft, mit welcher Begründung die Veranstalter einen solch stolzen Betrag verlangten.
Sabine kommt früher oder später mit funkelnden Augen und froher Miene aus der Glühwürmchenhöhle zurück, wir plauschen noch etwas mit den beiden Typen von der Waterkant, trinken neuseeländisches Dünnbier und sind verdutzt über eine koreanische Familie, die auf der Campsite ein Blockhaus mietet, ihre Kinder aber in ein Zelt stopft und selbiges (weit weg vom Blockhaus) direkt vor unser Auto und unsere Nase pflanzt. Die Kinder sind es nicht wirklich zufrieden und jammern in der Nacht herum wie Katzen, denen man auf den Schwanz getreten hat. Die Eltern haben schließlich ein Einsehen und Mitleid mit allen Beteiligten und holen ihre Brut in die Blockhütte zurück. Seltsam, seltsam…
Tag 18: Waitomo – Tairua (402 km)
Silvester! Und Hobbits! Welch ein Tag wird es werden! Zuvor beenden wir jedoch die heurige Trekkingsaison mit einer Wanderung durch das Ruakuri Scenic Reserve, einen mehr als 100 Jahre alten Park in der Nähe der Glühwurmlöcher. Der Park ist relativ klein, bietet dafür aber eine Menge an ursprünglichem Dschungel, Karsthügeln, -Höhlen und -Tunnels. Zudem ist er ein Ort großer kultureller und spiritueller Bedeutung für die Māori (und die Wanderung durch den Park dauert gerade mal eine Stunde). Nach dieser kleinen Exkursion tanken wir in Te Kuiti (der „Welthauptstadt der Schafschur“, hier finden jährlich die nationalen Meisterschaften im Schafscheren statt) unser Auto voll, ergänzen Vorräte und besuchen das Māori-Versammlungshaus Tokanganui-A-Noho.
Über die Māori:
Mit ihren Auslegerkanus (Wakas) kamen die aus Polynesien stammenden Eiwanderer erstmals im 13. Jahrhundert n.Chr. nach Neuseeland. Die Heimatinsel ihrer Vorfahren sei einer Legende nach Hawaiki, allerdings weiß niemand so recht, wo dies genau ist. Erste Kontakte mit Europäern erfolgten relativ spät, Abel Tasman und James Cook beschreiben die Māori als kriegerisches Volk, was damit zusammenhängt, dass es zwischen den einzelnen Stämmen des Öfteren zu Handgemengen kam. Erst 1840, durch den Vertrag von Waitangi kam es zur Inbesitznahme Neuseelands durch die Britische Krone, irgendwie war der Vertrag aber in einigen Teil nicht jedem klar, sodass die Māori bei Landkäufen übervorteilt wurden, woraufhin diese sich mit kriegerischen Mitteln zur Wehr setzten. Im Großen scheint jedoch die Integration der Māori in die neuseeländische Gesellschaft (Anteil: 14%) gelungen, allerdings darf nicht übersehen werden, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Māori deutlich unter dem Gesamt-Neuseelands liegt und die Māori bei den Armen des Landes überproportional vertreten sind. Die Māori sind berühmt für ihre traditionellen Künste wie Schnitzerei, Weben und Tätowieren.
Wie auch immer, wir nehmen wieder Fahrt auf und unterbrechen diese in Otohoranga, um dort im Kiwi-House den gleichnamigen und flügellosen Vogel zu beobachten, der in einer Art Dunkelkammer mit Glasscheiben untergebracht ist und dort sein Dasein als Wappentier Neuseelands fristet. Ein seltsamer Vogel, im Sinne des Wortes; er scheint eine Mischung aus allen möglichen Tierarten zu sein und kann z.B. – anders als andere Vogelarten – schlecht sehen, dafür umso besser riechen. So liegen die Nasenöffnungen im vorderen Teil des Schnabels, wohingegen diese beim „normalen“ Vogel in Kopfnähe sind. Fotografieren darf man den Kiwi nicht, aber das ist auch egal, es ist eine interessante Erfahrung, das Tier zu sehen, wenn auch nur in Unfreiheit. Besser ist’s, die Vögel sind vom Aussterben bedroht. Nach dieser Stippvisite geht es Richtung Rotorua und am frühen Nachmittag ist Matamata erreicht, der Ort des Filmsets Hobbingen. Selbstverständlich sind wir nicht die einzigen Besucher, aber zu überlaufen ist es auch nicht. Dies mag mit dem Eintrittspreis zusammenhängen; als Sabine hört, dass ein Ticket 75 Dollar kostet, fällt sie um ein Haar in Ohnmacht und ich fange sie gerade eben auf. Der Grund und Boden, auf dem das legendäre Hobbit-Dorf steht, ist in Privatbesitz, vielleicht ein Grund für diese aberwitzige Zugangsgebühr, hinzu kommt, das man nur mit einer geführten Gruppe das Gelände betreten darf, obenauf gibt es ein Freigetränk in der Dorfschänke „Zum Grünen Drachen“. Die Geschichte um das Set ist ganz interessant, aufgebaut für die „Herr der Ringe“-Trilogie, dann halb abgerissen, wegen zunehmenden Touristeninteresses und den Dreharbeiten zum „Hobbit“ wieder aufgebaut (dieses Mal mit authentischeren Materialien) und heute eine wahre Goldgrube für eine Handvoll Leute. In der zweistündigen Tour erfährt man noch eine Menge mehr über die Hintergründe zum Film und den Schwierigkeiten bei den Dreharbeiten, im Großen ein lohnenswertes Ereignis. Nebenbei: Die Hobbithöhlen sind natürlich nicht zugänglich, sondern lediglich Kulisse. Innenszenen wurden in den Studios gedreht.
Wir verlassen Matamata, es wird Zeit, dass wir uns zum Silvesterabend einen Platz zum Campen suchen. Dies erweist sich schwerer als gedacht. Unser ursprünglicher Vorsatz, noch einmal am Waihi Beach zu kampieren, löst sich wie Kochsalz in siedendem Wasser auf, der Platz ist zum Bersten voll. Dies wird sich jedoch auch bei den nächsten angefahrenen Campingplätzen nicht ändern und wir müssen uns ernstlich fragen (lassen), warum keiner von uns auf die Idee kam, einen Platz im Voraus zu buchen. Hallo! Es ist Silvester! Dummheit wird – wie stets – bestraft. Nun haben wir den Wagen voll mit Sektflaschen und allerlei Genüßlichkeiten, allein, es fehlt am zum Verzehr angemessenen Ambiente. Langes Gefasel, kurzer Sinn: Wir fahren bis es dunkel wird, braten auf irgendeinem Parkplatz unsere Würstchen, fahren weiter und landen letztlich auf einem weiteren Parkplatz im Coromandel Forest Park und sind nach den heute zurückgelegten Kilometern so erschlagen, dass wir uns nicht um irgendwelche Campingverbote scheren und den Jahreswechsel glatt verschlafen…
Tag 19: Tairua – Manukau (130 km)
Mit ungeöffneter Sektflasche stoßen wir auf das neue Jahr an und stellen erleichtert fest, trotz verpasster Feierlichkeiten noch zu leben. Da nichts weiter zusammenzupacken ist, sind wir auch schon recht früh auf der Straße und fahren nach Thames in der Hoffnung, wenigstens ein offenes Café für ein anständiges Frühstück zu finden. Als die erste Mahlzeit des Tages erledigt ist, stehen wir wieder vor einem Problem: der ursprüngliche Plan, bis in den Kauri-Wald nach Waipoua zu fahren, wird zu den Akten gelegt. 600 Kilometer bis dorthin und zurück nach Auckland sind einfach zu viel des Guten. Die Coromandel Peninsula reizt uns auch nicht über die Massen (vielleicht eine Fehleinschätzung unsererseits), auf dem Weg nach Auckland bietet sich indes die Seabird Coast an. Nur schlappe 30 Kilometer westlich von Thames, in Höhe der Ortschaft Miranda finden sich die Wattzonen des Firth of Thames, Winterquartier für viele arktische Wandervögel. Aber wenn auch gerade Sommer ist, soll man hie oder da noch über Seevögel stolpern können.
Wir halten es für eine gute Idee, uns für ein paar Stunden am Stellplatz Kaiaua aufzuhalten, eine Art Campingplatz am Strand ohne jedwede Infrastruktur. Auch hier soll man die Vögel des Watts gut beobachten können. Was wir aber zunächst sehen, ist ein riesiger Haufen an Campmobilen mit Tischen und Stühlchen vor der Haustür und Leuten darin, die auf das Meer starren. Eine etwas unwirkliche Szenerie, bewegen sich die Camper nicht einen Hauch, uns dünkt, wir seien in einem Wachsfigurenkabinett. Als jedoch ein Wattfischer von seiner Wattjagd zurückkehrt und seinen Wattfang präsentiert, kommt etwas Leben in die Bande…, bis der Wattfischer wieder verschwindet. Vögel beobachtet hier niemand, man starrt nur und harrt (bis der Urlaub vorbei ist?). Vögel gibt es aber auch nicht im Übermaß und wir sind es bald leid, so auf das träge an den Strand schwappende Meer zu glotzen. Auch das Wetter ist etwas frustriert und nicht lange dauert es, bis wieder Regen einsetzt. Wir folgen der Küste bis zur Kawakawa Bay, schießen noch ein paar Fotos vom Watt und biegen landeinwärts. Wenig später gelangen wir zum Campingplatz in Manukau und legen einen umfassenden Waschtag ein.
Tag 20: Manukau – Auckland (85 km)
Nach 20 Tagen Neuseeland habe ich zwischenzeitlich etwa 4 Tonnen Lakritze gefuttert, die mir in China zu fehlen scheinen. Ich werde wohl 100 Kilo zugenommen haben, jedenfalls habe ich dergleichen Gefühl. Dies aber nur nebenbei und zu meiner Erinnerung. Wir durchstöbern die Prospekte, die uns nach gestriger Revision noch verblieben sind und kommen zu dem einheitlichen Entschluss, die Gegend um Auckland und Auckland selbst unsicher zu machen. Sabine möchte noch einmal an „einen Strand“, diesbezüglich böte sich ein Ausflug nach West-Auckland an, so lesen wir. Immerhin sei dieser Teil der Stadt eine „region of natural wonders“ mit „untouched native rainforest“ und “ a rugged beauty of the wild west coast beaches“ (≈ eine Region der Naturwunder mit unberührtem heimischen Regenwald und rauer Schönheit wilder Westküsten-Strände). Das ist zwar nur ein Werbespruch und auch nicht sehr originell, aber es wird sich zeigen, dass er durchaus ins Schwarze trifft. Zuvor haben wir aber ganz andere Sorgen, uns ist zwar die ungefähre Richtung geläufig, wie von Manukau nach Blockhouse Bay, Titirangi und dann nach Piha genau zu fahren ist, erschließt sich uns aus dem vorhandenen Kartenmaterial nicht wirklich. Da hilft nur eins: nach dem Kompass fahren und dem Weg fragen. In konzentrischen Kreisen nähern wir uns Blockhouse Bay, stoßen wie zufällig auf einen Campingplatz und machen sofort eine Übernachtung dingfest. Die Erfahrung der Silvesternacht stecken uns noch wie Senkblei in den Knochen. Der Eigentümer des Campingplatzes hat auch eine nette, selbstgefertigte Umgebungskarte in petto und weist uns zusätzlich den Weg nach Piha mit Händen und Füßen. Nicht, dass er taubstumm wäre oder wir sein Englisch nicht verstünden. Wie viel einfacher ist es jedoch, etwas mit Gestik zu erklären, als die passenden Wörter zu finden. Man denke da an die wild wedelnden Menschen, wenn sie über ihre Handys und Smartphones kommunizieren…

Piha Beach bei Auckland

Waitakere Range
Von Blockhouse Bay gibt es zwei Wege nach Piha Beach, entweder über die Landstraße 13 oder über die 11 via Titirangi. Beide Straßen treffen sich in Waiatarua, von hier aus sind es noch knapp 16 Kilometer durch oder über die Waitakere Ranges mit ihrem satten Grün und den herrlichen Ausblicken auf die Westküste. Insbesondere die letzten Kilometer nach Piha Beach, die steil und in Serpentinen in den Ort hinuntergehen, bieten unübertreffliche Blicke auf die wilde Küste und sind hervorragend geeignet, den Sonnenuntergang zu beobachten. (Nebenbei: der Campingplatz in Piha ist – selbstverständlich – ausgebucht.) Nun sind wir nicht gerade die Strandgeher oder -lieger vor den Augen des Herrn, Piha Beach ist aber wirklich sehenswert. Schwarzer Sand, ein ordentlicher Seegang mit Wellen, die zum Surfen laden, der majestätische Lion Rock, ein Felsen, der die Szenerie am Piha Beach beherrscht (und meines Erachtens mehr an einen Affen denn einen Löwen erinnert), im Rücken die Steilküste mit immergrünem Wald, eigentlich perfekt für ein Reiseprospekt. Wir sitzen auch für ein paar Stunden am Strand, bis uns das Gehirn zu schmelzen droht, packen dann aber unsere Siebensachen, da wir noch in die City Aucklands fahren wollen. Wir nehmen allerdings den Scenic Drive über Titirangi zurück, auf halbem Weg liegt das Arataki Visitor Centre, welches über eine interessante Ausstellung verfügt, schöne Ausblicke über die Gegend gewährt und das Tor zum Waitakere Ranges Regional Park (mehr als 16000 Hektar Regenwald und 250 Kilometer an Wanderwegen) ist.
Trotz oder wegen fehlender Straßenkarten finden wir den Weg ins Herz Aucklands, parken unser Automobil in der Nähe des Hafens, werfen Kleingeld für zwei Stunden in die Parkuhr, das soll an Zeit zur Besichtigung eigentlich genügen. Nun ja, was macht man so in einer großen Stadt? Wir bummeln eine Zeitlang am Hafen herum (Westhaven Marina ist nicht nur der größte Yachthafen der Stadt, sondern der ganzen Südhalbkugel) und schauen dem Treiben der Touristen und Yachteigner zu, laufen in die „Einkaufsmeile“ der Stadt (und kaufen nichts) und müssen dann eilen, um rechtzeitig zur Parkuhr zurückzugelangen. Uns reichen die zwei Stunden, Großstadt haben wir satt in Shanghai.
Zurück am Campingplatz in Blockhouse Bay beginnen wir, uns reisefertig zu machen. Kleidung wird verpackt, ein Deutscher, der nach einer dreiwöchigen Tour in Tasmanien noch einen Monat in Neuseeland abhängen will, bekommt unsere Lebensmittel (ob er will oder nicht) und nach einer kurzen Kaffeepause auf dem Campingplatz fahren wir noch einmal zu Piha Beach, um uns den exorbitanten Sonnenuntergang auf der Seele zergehen zu lassen.
Tag 21: Auckland…, und zurück
Die Tage in „Aotearoa“, dem „Land der langen, weißen Wolke“, sind gezählt. Die Rucksäcke sind gepackt (wieder einmal sind sie voller als bei der Abreise, obwohl wir keine Souvenirs oder sonstigen Plunder kauften), noch einmal verirren wir uns im Gewirr der Straßen Aucklands, klappern einige Shoppingmalls ab, da wir noch Geld in der Börse und etwas Zeit haben (am Ende kaufen wir wie immer nichts, entweder sind die Sachen zu teuer oder – in unseren Augen – zu kitschig) und wir verfrachten unser treues Gefährt in die Waschstraße. Es hat in den letzten Wochen schon ein wenig gelitten, aber stets gute Dienste geleistet. Eine Vollwäsche ist daher das mindeste, was wir dem Fahrzeug antun können. Natürlich gibt es auch einen Hintergedanken, der in seiner Theorie bisher nicht falsifiziert wurde. Ich glaube nämlich ernsthaft, dass ein „sauberer und ordentlicher“ Leihwagen von den Verleihstationen viel schneller abgefertigt und als ordnungsgemäß retourniert verbucht wird, als wenn man mit angestaubtem Wagen vorfährt und der rechtmäßige Eigentümer hinter jedem Schmutzspritzer eine Schramme oder Schlimmeres für nicht ausgeschlossen hält. Die Rückgabe des Autos dauert dann auch allenfalls zehn Minuten, man bedankt sich, wünscht uns eine gute Heimreise und stopft uns in ein Taxi gen Flughafen. Noch einmal kommen wir in einem Hotel unter, das nur ein Steinwurf vom Airport entfernt ist, unser Gepäck wird umgeschichtet und neu verpackt, der Wecker gestellt und tags drauf geht es zurück nach Shanghai.
Unser Resümee?
Neuseeland ist zweifelsohne eine Reise wert, gern hätte man mehr Zeit gehabt und vielleicht etwas besseres Wetter. Das Leihfahrzeug war ok (ein wenig größer ist manchmal mehr) und die Reise sehr stressfrei. Ein Navigationssystem im Auto ist nicht nötig (dafür gibt es nicht genug Straßen) und wer es ermöglichen kann, sollte außerhalb der Ferien ins Land reisen. Je nach Zeit und Wiederkehrwillen sollte man sich vielleicht auf eine Insel beschränken, um nicht den größten Teil des Urlaubs im Auto zu verbringen. Beide Inseln sind voller Attraktionen, wer eher auf etwas rauere und unberührte Natur steht, wird natürlich die Südinsel vorziehen, aber auch die Nordinsel ist grün und schön und … schön, allerdings auch etwas lebhafter. Sabine und ich sind uns einig, noch einmal zurückzukehren. Einig sind wir uns auch, dass es dann ein Fahrradurlaub sein wird, auch wenn die zahlreichen Berge viel Arbeit versprechen. Mal sehen, was daraus wird…
– – – E n d e – – –
Übernachtung in:
Waihi Beach – Top 10 Holiday Park, 15 Beach Road Waihi Beach
Übernachtung Rotorua – Top 10 Holiday Park, 1495 Pukuatua Street, Rotorua
Übernachtung Palmerston North – P.N. Holiday Park, 133 Dittmer Drive, West End, P. North
Übernachtung Lower Hutt – Wellington TOP 10 Holiday Park, 95 Hutt Park Road, Lower Hutt
Eintritt usw.:
Waimangu Volcanic Valley – NZ$ 42, Kinder: NZ$ 14
Wai-O-Tapu Thermal Wonderland – NZ$ 32,50, Kinder: NZ$ 11
Top 10 Holiday Park Pass – NZ$ 49, hier kann man sich über die Vorteile der Karte informieren