(Natur + Tiger)³


Der Osten Madhya Pradeshs zeichnet sich vor allem durch drei Tiger-Reservate von Weltrang aus, Bandhavgar-, Pench- und Kanha-Reservat, die Gefahr, hier eine der Großkatzen zu sehen, ist ziemlich hoch… Die aus antiken Zeiten stammende Stadt Jabalpur ist, trotz ihrer gesunden Mischung aus Natur und Kultur, für viele Reisende nur ein Zwischenstopp zu den oben genannten Nationalparks, allerdings lassen sich hier gut ein oder zwei Tage mit Sightseeing verbringen, ohne dass einem die Zeit lang wird.
Obschon Chhattisgarh seit November 2000 nicht mehr zu Madhya Pradesh gehört und wegen seiner unterschiedlichen kulturellen Identität eigenständig wurde, sei die Region hier am Ende kurz erwähnt. Das fast zur Hälfte mit dichtem Regenwald bedeckte Gebiet ist touristisch zwar noch nicht sehr erschlossen, dieser Umstand bietet allerdings die Gelegenheit, auf die Highlights der Nachbarprovinz MP ein unvergessliches Abenteuer draufzusetzen.

Reisekarte

weitere Ziele in Madhya Pradesh

Jabalpur

Nördlich des Flusses Narmada in einem felsigen Becken, umgeben von niedrigen Hügeln, die mit Seen und Tempeln übersät sind, liegt an einem wichtigen Straßen- und Eisenbahnknotenpunkte Jabalpur, eine der bevölkerungsreichsten Städte des Bundesstaates Madhya Pradesh. Die Stadt ist ein militärisches Hauptquartier, das eine zentrale Lafetten- und Munitionsfabrik sowie ein Munitionsdepot enthält. Wichtigste Industriezweigen sind Lebensmittelverarbeitung, Sägewerke und andere verschiedene Industrien, zudem ist die Stadt seit langem ein Zentrum literarischer, kultureller, sozialer und politischer Aktivitäten und hat einige bedeutende Schriftsteller hervorgebracht. Außerdem…,
Man könnte fast geneigt sein zu sagen, das war es auch schon, aus dem Zug aus- und gleich in den nächsten einsteigen, um weiter in den Norden oder Süden zu einem der Tiger-Reservate fahren und Jabalpur einfach vergessen. Aber man täte der Stadt damit Unrecht, denn sie hat einen gewissen Charme und auch so viel Sehenswertes zu bieten, dass einen wenigstens eintägigen Aufenthalt durchaus bedenkenswert erscheinen lässt. Tatsächlich ist ein Besuch Jabalpurs bei Indern viel beliebter, als bei ausländischen Reisenden…

Dhuandhar-Wasserfall / Jabalpur
Dhuandhar-Wasserfall / Jabalpur

Es hält uns gar zwei Nächte in der Stadt und im Nachhinein können wir sagen, dass der Aufenthalt insgesamt sehr kurzweilig war. Gegenüber unserem Hotel in der Nähe des Bahnhofs gibt es eine kleine Reiseagentur mit dem Namen „Gupta“, die uns für einen Tag einen Fahrer vermittelt, der mit uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt und der Umgebung abfahren soll. Schon zu Beginn weist uns der Fahrer in gebrochenem Englisch, das im Laufe der Zeit flüssiger wird (!), auf diverse „places of interest“ innerhalb der Stadtgrenzen hin, wir wissen bald, wo die Munitionsfabrik ist, welche Obst- und Gemüsemärkte zur Zeit „en vogue“ sind und wie sämtliche Vororte Jabalpurs heißen und auf Hindi korrekt ausgesprochen werden.
Erstes Ziel und primäre Sehenswürdigkeit der Gegend ist Bedhaghat oder die Marble Rocks, eine etwa 8 Kilometer lange Schlucht, die der Narmada-Fluss in die Magnesium-Kalksteinfelsen gegraben hat. Man lässt sich mit einem Boot durch die Schlucht rudern, bewundert den Marmor-Fels, genießt die Ruhe und lauscht den Erklärungen der Bootsleute auf Hindi. Nur ein Steinwurf entfernt befindet sich der Chausat Yogini Tempel aus dem 10. Jahrhundert, der der Hindu-Göttin Durga geweiht ist. Der Aufstieg zum Tempel nimmt mehr Zeit in Anspruch als der Tempel unsere Aufmerksamkeit, aber man hat einen schönen Ausblick auf den Narmada und die Umgebung. Nur zwei Kilometer weiter in Richtung Jabalpur liegt einer der meistbesuchten Wasserfälle Indiens, der Dhuandhar-Waterfall, der sein Dasein dem Umstand verdankt, dass sich der Narmada-Fluss zehn Meter in die Tiefe stürzt. Die Fälle sind vielleicht nicht gerade majestätisch zu nennen, trotzdem sind sie viel besucht, nicht zuletzt wegen der Heiligkeit des Stromes. Viele Pilger zieht es hierher und im Verein mit Imbissständen und Verkaufsbüdchen ergibt sich ein buntes Treiben. Unser Fahrer fährt übrigens am Eingang vorbei, hält auf der nahen Brücke und bedeutet uns, hier den Weg zum Wasserfall zu suchen, so sparen wir fast ₹ 500 an Eintrittsgeld, …glauben wir. Später stellt sich heraus, dass die Seilbahn zu den Wasserfällen etwas kostet, der Eintritt hingegen ist kostenlos.

Festung Madan Mahal / Jabalpur
Festung Madan Mahal / Jabalpur
Blick über Jabalpur
Blick über Jabalpur

Zurück in der Stadt besuchen wir den Jain-Tempel Pisanhari Ki Madiya, der mehr als 700 Jahre alt sein soll und mit zahlreichen Buddha-Statuen gefüllt ist und eine friedliche und spirituelle Atmosphäre verströmt. Unweit des Tempels stehen an einem kleinen See vier große Bildnisse wichtiger hinduistischer Götter, kurz danach biegen wir ab in die Berge zu einer weniger bekannten Sehenswürdigkeit, den Balancing Rocks, zwei riesigen Granitblöcken, die auf einer Fläche von 40 cm² aneinander pappen und die selbst ein Erdbeben der Stärke 6,2 nicht aus der Balance bringen konnte. Wir sind schon etwas erschöpft, aber der Fahrer kennt keine Gnade, stracks geht es weiter den Berg hinauf zum Tempel Sharda Devi, der für sein für Weihwasser bekannt ist, bevor wir uns zum Fort Madan Mahal hinaufschleppen. Es ist ein kleines Fort, aber im Vergleich zu anderen Festungen etwas Besonderes: im 11. Jahrhundert unter dem Gond-Herrscher Madan Singh erbaut, liegt es zur Hälfte auf einem riesigen Felsen, verfügt über Geheimgänge und Verliese und ist eines der faszinierendsten antiken Denkmäler aufgrund seiner Struktur und Architektur. Zudem hat man eine herrliche Aussicht auf Jabalpur und das Umland und schnell wird klar, dass die Aufgabe des Forts in erster Linie die eines Wachturms war. Es geht zurück nach Jabalpur, wir bekommen noch einige der Chowks (Märkte) zu sehen, für die Jabalpur bekannt ist und unser geduldiger Fahrer kutschiert uns zu einem Supermarkt, auf dass wir etwas Reiseproviant für den nächsten Tag besorgen können. Kleiner Wermutstropfen: zurück am Hotel ist der Fahrer mit den angebotenen ₹ 300 Rupien Trinkgeld unzufrieden, es sei ja wohl „klar“, dass mindestens derer 500 zu zahlen seien, „Standardpreis“. Hm, wohl an, nimm dein Geld und schleich dich…
Insgesamt war es jedoch ein erlebnis- und abwechslungsreicher Tag, der Gedanke an die Unverfrorenheit des Fahrers verschwindet so schnell wie eine Schneeflocke in der Mittagssonne und wir sehen dem nächsten Tag mit all seinen neuen Eindrücken entgegen.

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Es ist an der Zeit, den Süden Madhya Pradeshs zu verlassen und wir hoffen für die nächsten Ziele auf ein bisschen mehr Natur, und wer weiß: den einen oder anderen Blick auf eine der faszinierenden Großkatzen Indiens, den Tiger. Dafür haben wir uns vorab zwei Reservate herausgesucht, den Bandhavgarh und den Panna National Park. Später werden wir feststellen, dass ein „Heraussuchen“ allein im Zeitalter des Massentourismus schon lange nicht mehr ausreicht, vielmehr ist so einiges bereits Monate im Voraus dingfest zu machen. Wir werden wohl langsam zu alt für das Reisen!
Wie auch immer: Die Unterkunft liegt nahe Jabalpurs Bahnhof und flugs sind zwei Tickets nach Umaria erstanden, von wo es nicht mehr weit zum Tiger-Reservat ist. Während des anschließenden Frühstücks wird uns beiden klar, dass wir eigentlich keinerlei Lust auf eine Fahrt mit dem Zug haben und so begeben wir uns noch einmal zur Reiseagentur Gupta, welche uns den „unverschämten“ Fahrer aufs Auge drückte und – wie das Leben so spielt – noch einmal werden wir Freude an eben jenem Zeitgenossen haben. Aber sofern wir gestern über die Ungebührlichkeit des besagten Autolenkers grummelten, wussten wir doch auch, dass er uns – wenn auch in schlechtem Englisch – viel von seiner Heimatstadt zeigen konnte und sehr geduldig war. Und auf den folgenden 190 Kilometern sind wir froh, wieder an diesen Fahrer geraten zu sein, ermöglicht er uns doch einige Fotogelegenheiten und erzählt Geschichtchen, die wir mit und von einem anderen Begleiter oder im öffentlichen Bus bzw. der Bahn nie gehabt oder erfahren hätten.

Bauer mit Holzpflug / Jabalpur
Bauer mit Holzpflug / Jabalpur
Umaria Distrikt
Bukolische Szene im Umaria Distrikt

Interessanterweise wird sein Englisch immer besser und wir halten hie und dort an, kommen mit Bauern ins Gespräch, lernen, wie Getreide auf altmodisch gedroschen wird, werden auf heimische Vögel wie Kingfisher und Roller aufmerksam gemacht, halten an einem Baum, der Schlafplatz über Kopf hängender Flughunde ist und beenden die kurzweilige und informative 6-Stunden-Fahrt am späten Nachmittag an der vorgebuchten Lodge in Tala nahe dem Bandhavgarh Tiger Reserve.
Die ₹ 4000 inklusive Trinkgeld (ca. 50 €) erscheinen auf den ersten Blick recht hoch, andererseits ist die Strecke nicht kurz und wir möchten den Stundenlohn des Fahrers gar nicht erst auszurechnen versuchen, angesichts vorgerückter Stunde muss er zudem in Tala übernachten, und so weiter, und so weiter.

InfoFür Sparfüchse:
Um 6.35 Uhr fährt ein Zug (18233 Narmada Express) von Jabalpur nach Umaria (₹ 90-635, 4 Stunden). In Umaria liegt der Busbahnhof an der Hauptstraße, für eine paar Rupien gelangt man nach Tala (33km). In und um Tala liegen die meisten Unterkünfte, in Tala ist zudem das Büro des Nationalparks, in dem man seine Safari-Tickets kauft. Außerdem gibt es halbstündliche Busse von Jabalpur nach Katni (90 km, 3 Stunden, ₹100+), von Katnis fährt man mit dem Zug oder Bus nach Umaria und dann wie gehabt.

Bandhavgarh National Park

Das Tiger Reserve Bandhavgarh lehrt uns, dass ein Reiseführer nicht nur zu kaufen, sondern auch gründlich und mit Verstand zu lesen ist!
Schon bald nach dem Einzug in unsere feucht-modrig duftende Unterkunft (die allerdings gefällig dekoriert ist), erhalten wir Besuch von Mugesh, der uns mit Kaffee und Snacks willkommen heißt und sich zugleich erkundigt, wann unsere Safaris wären, auf dass er den Transport nach Tala (das Resort liegt etwa drei Kilometer vom Reservierungsbüro entfernt) organisieren könne. Wir sehen uns und ihn fragend an und erklären, wir hätten keinerlei diesbezügliche Vorbestellung, woraufhin er unser Erstaunen erwidert mit einem Blick, der vielleicht mit „Ja…, und was wollt ihr dann hier?“ übersetzt werden könnte.
Im Zeitalter des Massentourismus ist es nicht mehr opportun, einfach am Ticketschalter zu erscheinen und ein Billett zu kaufen, heute hat man gefälligst alles online vorzubestellen, auszudrucken und per Kreditkarte Bonität nachzuweisen oder gleich zu bezahlen. Hm, dumm gelaufen, an diesem Abend haben wir aber dennoch etwas Glück und können eine Safari in persona buchen, allerdings nur in der sogenannten Puffer-Zone. Dabei handelt es sich um Gebiete, die zwischen der Kernzone und der Siedlungszone liegen und in denen die Sichtung der Tiger erfahrungsgemäß eher selten ist. (Übrigens: wie das mit der Buchung der Tiger-Safari geht, kann man unter Tickets Tigerreservat nachlesen.)

Tiger / Indien
Tiger im Bandhavgarh NP

Noch am selben Abend stellen wir uns in Tala in die Reihe derer, die auf ein Ticket zu einer der Safaris hoffen und haben Glück, für den nächsten Tag zwei Plätze in einem Sechs-Personen-Jeep für die Pufferzone Dhamokhar zu ergattern. Frohen Mutes und ohne Erwartungen geht es am nächsten Nachmittag auf eine einstündige Fahrt Richtung Umaria zum Paras Gate, Fahrer und Guide erledigen am Tor die Formalitäten und plötzlich muss alles sehr schnell gehen, da in der Nähe ein Tiger gesichtet wurde! Der Rest der Geschichte gleicht ein wenig einer Komödie mit etwas fadem Beigeschmack, nicht weniger als zehn Jeeps rasen wie von Sinnen durch den Dschungel, der Tiger wird am Ende eingekreist und muss sich den Handys und Fotoapparaten der fiebrig zitternden Besucher stellen, die zehn Sekunden, in denen sich das Tier zeigt, sind angefüllt mit Ahs und Ohs und den Klickgeräuschen von DSLR & Co. Die verbleibende Stunde wird durch Urwald gefahren, ein Passagier fragt, ob wir denn auch einen Leoparden zu Gesicht bekämen (der Mensch ist selten mit dem zufrieden, was er hat), tatsächlich sichten wir in der verbleibenden Zeit nicht einmal mehr ein kleines Vögelchen. Am Abend zurück im Camp genießen wir zugegebenermaßen die Aufmerksamkeit, die uns aufgrund unseres „Erfolgs“ zuteil wird, einige Gäste, die schon länger vor Ort sind und auch Kernzonen-Safaris in den Knochen haben, sind nicht so erfolgreich wie wir „Frischlinge“
Wir bleiben noch einen Tag in Tala, widerstehen dem Drängen von Mugesh, an weiteren Pufferzonen-Touren teilzunehmen (das gestrige Glück wird sich so schnell nicht wiederholen, außerdem erscheint uns seine Aufdringlichkeit etwas suspekt), spazieren in der reizenden Umgebung der Lodge herum und versuchen den einen oder anderen Vogel, Affen oder Schakal vor die Fotolinse zu bekommen und genießen das Nichtstun. Vielleicht noch ein abschließendes Wort zu unserer Unterkunft: der gemietete Bungalow ist, abgesehen vom feuchten Mief, der noch tagelang in Rucksack und Kleidung steckt, sein Geld wert, die drei Mahlzeiten schmackhaft und reichlich und das Personal hilfsbereit. Die Umgebung lädt zum Spazierengehen, allein die Entfernung zum Dorf Tala ist möglicherweise zu groß, um mal eben ins Dorf zu hasten und sich um Tickets bemühen…

Mehr Zeit?

Ca. 170 km südöstlich von Jabalpur (knapp 6 Stunden Busfahrt) liegt das Kanha Tiger Reserve. Riesige und wunderschöne Wälder erhöhen im Vergleich zum Bandhavgarh vielleicht das Safari-Erlebnis, die Chance, einen Tiger zu sehen, soll hier allerdings etwas geringer sein. Weniger Touristen (und auch weniger Tiger) findet man im Pench Tiger Reserve (200 km südwestlich von Jabalpur, 6-7 Stunden Busfahrt), dem dritten großen Tigerpark Madhya Pradeschs. Für Liebhaber des Abenteuers, Waldes und der Ureinwohner: Eine Reise nach Chhattisgarh zu den Märkten des Volkes der Adivasi. Chhattisgarh ist mittlerweile eine eigenständige Provinz, allerdings in Sachen Tourismus noch sehr unerschlossen, eine Reise hierhin verspricht Erlebnisse abseits der Touristenströme.

Ein paar Details

Übernachtung in
JabalpurHotel Delite Grand, sauberes Hotel, mäßiges Frühstück, unschlagbar ist die Nähe zum Hauptbahnhof (800m), besonders bei später Ankunft, gegenüber hilfreiches Reisebüro (Gupta Travel)
TalaTiger Trails Resort, nette (aber feuchte und etwas muffige) Bungalowhälften in schöner Umgebung, aufmerksames Personal, das nebenher auch gute indische Gerichte zaubert, etwas weit von der Ortschaft Tala entfernt, dafür aber sehr ruhig.
Reisezeit – Mitte Dezember
Eintrittspreise in JabalpurMarble Rocks, ₹ 100 für eine 45 minütige Bootsfahrt / alle im Bericht beschriebenen Orte, Eintritt frei || Bandhavgarh Tiger Reserve, s. hier
Transportkosten – Jabalpur → Tala, ₹ 4000

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