Preziosen aus Stein und Eis


Oder das magnetische Dreieck…
Tatsächlich: verbindet man die drei Haupt-Anziehungspunkte Chiles und Argentiniens mit Geraden, käme man auf ein Dreieck, dessen stumpfer Winkel nach rechts zeigt. In der Realität kann man die Naturschauspiele Fitz Roy, Perito-Moreno-Gletscher und Torres del Paine von Warnung vor dem Wind
Warnung vor dem Wind
Nord nach Süd abfahren/-fliegen…
Doch genug geschwafelt.
Mit frisch fixierter Heckabdeckung – sie wird (dank Manuel aus Chile Chico) keine Probleme bis in die Atacarma-Wüste machen – am ansonst getreuen Mitsubishi geht es an die chilenisch-argentinische Grenze. Der Länderübertritt vollzieht sich problemlos, aber sehr schleppend. Knapp eine Stunde dauert die Fahrt entlang des Lago Buenos Aires ins verschlafene Perito Moreno.

Reisekarte

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Hier können wir noch einmal auftanken, Geld abheben und meckern, wie hoch die Wechselgebühren sind. Dann biegen wir Richtung Süden ab und werden für mehrere Tage auf der berühmten Ruta 40 unterwegs sein. Nicht nur das Land hat sich geändert, auch die Landschaft ist anders als in Chile. Sobald Perito Moreno verlassen ist, wird es flach, Berge sind nur noch am Horizont zu erahnen und statt Wald und grüner Wiesen erwartet den Reisenden Steppe, Buschwerk und Staub. Die nächsten 300 Kilometer sind geteert, allerdings stellenweise mit eimergroßen Schlaglöchern versehen. Auf dem Weg in den Süden begegnet uns allerlei Getier, Füchse, Guanacos (mal einzeln, mal in Herden) und ñandús (straußenähnliche Vögel) streichen zwischen den Wüstenbeifuß-Büschen umher und besonders bei den Guanacos ist Vorsicht geboten, dass sie nicht ins Auto laufen. Und noch etwas ist neu: bleiben wir bisher vom berüchtigten patagonischen Wind verschont, fegt er hier in einer Stärke, die es oft unmöglich macht, den Wagenverschlag zu öffnen. Tja, Camping…? Unser Leichtgewichts-Zelt werden Patagoniens Lüfte wohl in kleinste Teile zerlegen, sofern es nicht zuvor auf Nimmerwiedersehen in die Weiten des Landes dahinfliegt…

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Knapp 130 Kilometer hinter Perito Moreno liegt das kleine Dorf Bajo Caracoles, ein paar Häuser, die letzte verlässliche Tankstelle vor Tres Lagos, nichts Besonderes (Bruce Chatwin sagte von dem Ort, er sei eine „Kreuzung von unbedeutender Wichtigkeit, deren Straßen ins Nirgendwo führten“). Allerdings kommt man von hier bequem zur Cueva de las Manos, einer Höhle, in der vor etwa 10.000 Jahren Menschen ihre Handabdrücke in Farbe und weitere Malereien hinterließen. Sehr interessant, aber wenn man seine Hausaufgaben nicht macht… wir fahren jedenfalls um ein Haar vorbei. Höhlenmalerei "Cueva de las Manos"
Höhlenmalerei „Cueva de las Manos“
Die Nacht verbringen wir in der kleinen Stadt Gobernador Gregores, eine Übernachtung im Zelt an der Straße scheidet wegen des starken Windes aus, zudem kommt man kaum von der Straße weg, da die Wiesen links und rechts über Hunderte Kilometer eingezäunt sind. Gregores ist ein freundliches Örtchen mit Hotels, Tankstellen und allem was man braucht, um seinen Weg fortzusetzen. Zwei Deutsche treffen wir im Hotel Parador, die uns einen guten App-Tipp geben. Die App heißt iOverlander und zeigt Campingplätze (wild und nicht-wild) und andere Unterkünfte, Tankstellen, Restaurants usw. an und das Ganze mit Kommentaren anderer Reisender.
Knapp 300 Kilometer sind es jetzt noch bis El Chaltén. Bis zur kleinen Ortschaft Tres Lagos haben wir über 100 Kilometer auf Schotterpiste zu fahren, die Vegetation wird immer dünner und doch sehen wir hie und da Guanaco-Herden, die – so scheint es – Staub und Steine grasen. Von Tres Lagos (Tankstelle vorhanden) ist es nicht mehr weit bis zum Abzweig nach El Chaltén, jetzt sind es noch einmal ca. 130 Kilometer westwärts auf exzellent geteerter Touristen-Straße. Unterwegs sehen wir zwei Radler, die angesichts des teuflischen Gegenwindes völlig entnervt zu sein scheinen und den Daumen heraushalten, aber gleich wieder einziehen, als sie merken, dass eine Mitnahme nicht möglich ist. Arme Radler!

El Chaltén

El Chaltén und Fitz Roy
El Chaltén und die Berge Cerro Torre und Cerro Fitz Roy

Einen großen Teil der Strecke nach El Chaltén geht es entlang den Ufern des Lago Viedma, eines 80 Kilometer langen und türkisblauen Gletschersees, an dessen Westende der Viedma-Gletscher und – noch weiter westlich – die Ortschaft El Chaltén liegt. Dieser ist gerade einmal 30 Jahre alt, lebt ausschließlich vom Tourismus und ist Ausgangspunkt zu Zugang zu den Bergmassiven des Cerro Torre und des Fitz Roy und des Aguja Pointcenot. Diese drei Granitberge sind über 3000 Meter hoch, gelten als schwer zu besteigen und sind bei Alpinisten, Bergwanderern und den „Einfach-Hinguckern“ gleichermaßen beliebt. In Argentiniens Trekking-Mekka gibt es mehrere unterschiedlich schwere Wanderwege (mit Zeltplätzen), auf denen man sich den herrlichen, haifischzahnähnlichen Bergen nähern und umwerfende Aussichten genießen kann – sofern Wetter und Wolken ein Erbarmen haben.
Da es mit dem Wandern noch nicht so geht wie gewünscht, bleiben wir nur eine Nacht in El Chaltén und machen uns auf den Weg zum Gletscher Perito Moreno.

Perito Moreno-Gletscher

Perito-Moreno-Gletscher / Argentinien
Perito-Moreno-Gletscher / Argentinien

Unsere Route führt weiter Richtung Süden. Am Nordufer des Lago Viedma geht es zurück auf die Ruta 40 und vielleicht eineinhalb Stunden später sind wir am Lago Argentina, dem größten See Argentiniens (etwa dreimal so groß wie der Bodensee) und bald darauf in El Calafate, der Touristen-Hauptstadt dieser Region. Der Ort, benannt nach den Calafate-Sträuchern (aus deren Beeren Marmelade und Likör hergestellt wird) hat eine recht gute Infrastruktur, ist nach unserem Dafürhalten aber ohne viele Reize, sodass wir uns nach einem Tankstopp gleich auf den Weg nach Westen zum Gletscher machen.
Kein schlechter Einfall, denn es sind noch ein halbes Hundert Kilometer bis zum Eingang des Parque Nacional Los Glaciares und von hier aus weitere dreißig Kilometer bis zum Gletscher… und es ist schon später Nachmittag…
Noch bevor die Sonne sich anschickt, das Weite zu suchen, stehen wir vor diesem gewaltigen Gletscher und einem Feuerwerk an Farben. Nicht minder fesselnd ist das Verhalten der Besucher in seiner Vielfalt: die einen stehen ob des Naturschauspiels andächtig versunken, andere jubeln und klatschen beim Abbruch von Gletscherteilen, als wäre bei einem Fußballspiel ein Tor gefallen, wieder andere klettern (ein psychologisches Phänomen, dass Menschen immer auf alles klettern müssen, was nur irgendwie zu erklettern ist) auf dem Gletscher herum oder fahren mit einem Schiffchen vor seiner Nase herum und trinken Whiskey mit Gletschereis…, und dann gibt es noch diejenigen, die mehr Zeit in der Souvenirbude verbringen als an der eigentlichen Attraktion. Faszinierend!
Wie auch immer: Der Perito-Moreno-Gletscher ist einer der größten Gletscher der südamerikanischen Anden, seine Ausdehnung ist kaum zu überblicken und das Farbenspiel von Weiß, Eisblau und Blau ist in der Tat beeindruckend. Wir müssen aber aufbrechen, da wir noch keinen Schlafplatz gefunden haben.

Torres del Paine

Torres del Paine / Chile
Torres del Paine / Chile

El Calafate hat zwar einen Campingplatz, El Ovejero, aber schon von außen ist zu sehen, dass hier – neben Scharen an Campern – Zelt an Zelt steht. Ob ausgebucht oder nicht, so sehr verlangt es uns nicht nach der „Behaglichkeit“ eines Campingplatzes und so machen wir uns wieder auf. Die Ruta 40 durchquert auf ihrem Weg Richtung Süden für fast 100 Kilometer ein riesiges Steppengebiet, das jetzt zur frühen Abendstunde in Farbe und Form ein wenig an eine Marslandschaft erinnert. Bei Kilometer 95 ist die Ortschaft El Cerrito erreicht, in der es außer zwei Häusern eine signifikante Weggabelung gibt: Ruta 5 nach Rio Gallegos und Ruta 7/40 nach Rio Gallegos mit Abzweig nach Torres del Paine und Puerto Natales (bei Chile). Etwa 500 Meter hinter dieser Kreuzung gibt es noch eine weitere Abzweigung auf eine Schotterpiste, die den großen Bogen der RP 7 umgeht. Wir nehmen diese Abfahrt, da es langsam Zeit wird, ein Nachtlager zu finden und wir glauben, hier eher fündig zu werden. Erstmalig fahren wir bei Dunkelheit, was die Suche nach einem Schlafplatz erheblich erschwert, kurz bevor wir den Rio Turbio und damit wieder auf die Ruta 40 gelangen, stellen wir uns hinter einen Hügel, drehen die Wagensitze herunter und schlafen wie in einem 3-Sterne-Hotel. Nach Cerro Castillo in Chile sind es jetzt noch etwa 100 Kilometer, die Abfertigung an der Grenze dauert Stunden, da ein Tourist in einem Reisebus versucht, Drogen zu schmuggeln (manche lernen es nie) und die Handvoll Grenzwächter in heller Aufregung sind. Am Kreisverkehr in Castillo kann man sich bei El Ovejero aufwärmen, frisch machen, einen „vergoldeten“ Kaffee trinken und allerlei Nepp erstehen. Wir schlürfen den teuren Bohnenkaffee in kleinstmöglichen Schlückchen und machen uns auf zum Parque Nacional Torres del Paine.

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Torres del Paine ist sicherlich einer der schönsten Nationalparks Südamerikas mit smaragdgrünen Wäldern, azurblauen Seen und den steil aufragenden Granitbergen der „Türme von Paine“. Diese Türme sind auch nicht bloß einfarbig wie jene in Chalten, sondern sind durchsetzt mit unterschiedlichen Gesteinsschichten, was ihnen mehr Farbspiel und damit mehr Räumlichkeit verleiht. Diese ganze Farbenpracht vor blauem Himmel macht vor Staunen atemlos. Eine üppige Tierwelt ist dann die Sahne auf dem Kuchen: Kondore, Flamingos, Pumas und Füchse, Guanacos, Andenhirsche…, die Liste ließe sich verlängern.
Genauso lang dürfte eine Zusammenstellung der Outdoor-Aktivitäten sein: Wandern (die berühmten „W“- „O“-Treks), Klettern, Reiten, Kayaking, Mountainbiking, Vogelbeobachtung, um nur einige zu nennen.
Schon früh haben wir uns für die Zuschauerrolle entschieden, zum einen wegen der Knieverletzung, auf der anderen Seite ist das Wetter sehr unbeständig und es regnet in den Tagen zuvor wie aus Eimern. So schlingern wir – noch betäubt ob des horrenden Eintrittspreises – auf rutschiger und pampiger Schotterstraße vom Nord- zum Südeingang des Parks und sind traurig, dass man vor lauter Wolken kaum etwas sieht. Wir verlassen den Park und verbringen die Nacht – Unterkünfte sind unverschämt teuer – in unserem Auto auf einem Parkplatz hoch über dem Park mit Aussicht auf die Berge im Norden.
Am nächsten Tag erleben wir so etwas wie einen Sonnenaufgang und fahren – trotz schwindenden Treibstoffs – noch einmal zum Nordtor und wieder zurück. Und siehe da: für eine Stunde zeigt sich die Sonne und diese den Park in seiner ganzen Pracht.

Ein paar Details

Entfernung Perito Moreno – El Chaltén – Gletscher – Torres del Paine etwa 1450 km
Übernachtung in
Gobernador Gregores: Parador Ruta Cuarenta, DZ 900 AR$, Avenida San Martin Oeste, GPS: -48.747364,-70.259867
El Chaltén: Refugio Chalten Hostel, DZ 900 AR$, Av. Lago Del Desierto 46, GPS: -49.333624,-72.889770
Calafate: Camping Ovejero, 120 AR$
Torres del Paine: (Nord) Ecocamp / (Süd) Camping Pehoé, GPS: -51.107321,-72.987741 (nach unserem Geschmack sind die Campingplätze im Park völlig überteuert, Pehoé hat eine tolle Aussicht)
Eintritt usw.:
Cueva de las Manos – 120 AR$
El Chaltén – frei
Perito Moreno-Gletscher – 500 AR$
Torres del Paine – 21.000 CL$ (HS) -11.00 CL$ (NS), Wiedereinfahrt 1-2x möglich

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