Eine kleine Zeitreise


In Kunming, der „Stadt des Frühlings“, leben mittlerweile mehr als drei Millionen Einwohner, nach westeuropäischen Maßstäben wird man von einer Großstadt reden dürfen. Anders als in anderen Metropolen Chinas fällt dies jedoch nicht so sehr auf, natürlich ist der Verkehr chaotisch und immer mehr Shopping-Malls verdrängen alte Stadtteile. Indes: Kunming hat noch irgendwie ein provinzielles Flair, die Menschen sind „gelassen“, abends trifft man sich noch auf der Straße, geht zu einem der zahlreichen Nachtmärkte, isst eine Kleinigkeit und schwatzt mit dem Nachbarn oder dem „Laowai“ (dem Ausländer). Kunming bricht nicht unter der Last zahlreicher Sehenswürdigkeiten zusammen, es gibt ein paar nette Tempel, etwa der tausendjährige Yuantong Si (圆通寺) oder der 12 Kilometer außerhalb der Stadt liegende Qiongzhu Si (筇竹寺, Bambustempel), einen recht schönen Park (Jadegrüner Seepark, Cuihu Gongyuan, 翠湖公园) und hie und da ein paar alte Gebäude, die noch nicht dem Modernisierungswahn zum Opfer gefallen sind. Die Stadt ist zudem Startpunkt für Reisen in die Umgebung (z.B. der Shilin-Steinwald) oder innerhalb Yunnans, sei es in den Süden ins tropische Xishuangbanna, zu den Hani-Reisterrassen oder nach Norden in das sagenumwobene Shangri-La.

Bauernhof nahe Dali / Yunnan Bauernhof nahe Dali

Wir fliegen nach Kunming! Die mehr als 2000 Kilometer lange Strecke von Shanghai mit dem Zug zurückzulegen, dauert heute zwar nur mehr knapp 12 Stunden (Bsp.: Zug Nr. G1371, Shanghai Hongqiao – Kunming Süd), kostet aber fast ¥900 (ca. 130€) für einen Sitzplatz(!). Wollte man über Nacht im Bette reisen, käme man auf etwa den gleichen Preis, allerdings beträgt die Reisezeit dann schon 35 Stunden. So gern wir mit dem Zug fahren…, das ist zu viel des Guten und eigentlich auch unnötig. Ein one-way-Flug ist – je nach Saison und Tageszeit – für unter 100€ zu haben und in knapp vier Stunden ist alles erledigt und man kann die Beine in Kunming hochlegen oder sich anders amüsieren.
Unser „Plan“ sieht vor, dass wir zuvorderst von Kunming mit dem Bus nach Dali reisen. Die 5 Stunden Busfahrt sitzen wir auf einer Backe ab, durch die Scheiben des Gefährts ist allerdings nichts zu sehen, es regnet wie aus Eimern und das, laut einheimischen Aussagen, schon seit Tagen. Pech! Die Fahrt wird aber auch – so glauben wir uns zu erinnern – erst in Höhe von Dali interessant, wenn die Landschaft bergig wird und mit kleinen Dörfern gespickt ist. An diesem Tage beziehen wir unser Hotel und machen ob des Regens nicht mehr viel, planen aber unsere baldige Abreise, da keine Wetterbesserung in Sicht ist. Am nächsten Tag checken wir schon aus der Unterkunft aus, erstehen Bustickets nach Lijiang und sind wieder unterwegs. Das ist natürlich schade, denn Dali hat einiges zu bieten.

Der Ort blickt auf eine 3000-jährige Geschichte zurück, war dereinst sogar Hauptstadt eines Königreichs, das allerdings von Kublai Khan einverleibt wurde und Dali verlor bald seine Bedeutung zugunsten der aufstrebenden Stadt Kunming. Die Bewohner Dalis gehören mehrheitlich der Bai-Minderheit an, dazu gibt es noch Naxi- und Dai-Minoritäten. Vor vielleicht 20 Jahren noch ein echter Geheimtipp (vor allem für westliche Backpacker) ist Dali heute besonders bei chinesischen Touristen ein Begriff, mit all seinen Folgen. Zu Hoch-Zeiten sollte man vor einer Reise in diese Gegend besser Abstand nehmen. (Dies gilt übrigens mittlerweile für alle Highlights in China.)

Wenn man also das Glück hat, sich nicht durch gewaltige chinesische Reisegruppen zwängen zu müssen, die einem ein Fähnchen schwenkenden und in ein Megafon plärrenden Reiseführer folgen, dann macht es Spaß, durch Dalis Gassen zu schlendern, sich die traditionellen Häuser anzusehen und dem bunten Treiben der Einheimischen und „fliegenden“ Marktfrauen zuzusehen. Die Altstadt Dalis ist aber nicht zu groß und irgendwann wird es einen in den Füßen kribbeln, die drei aus der Zeit des Dali-Königreichs (etwa 9. Jh.) stammenden Pagoden (chin. 三塔寺, San Ta Si) lassen sich mit dem Rad oder zu Fuß erreichen, der Eintrittspreis von ¥120 (fast 20€) ist dann doch eher ein (schlechter) Witz. Dalis Haus-See, der Erhai-See (chin. 洱海湖) ist gut mit dem Fahrrad, dem öffentlichen Bus oder dem Taxi zu erreichen, ein Fußmarsch an die Ufer des Sees nimmt schon eine Stunde in Anspruch. Der See ist nett, interessanter sind vielleicht die Dörfer rundherum, z.B. Shuanglang mit vielen traditionellen Häusern und verwinkelten Gassen inmitten ausgedehnter Reisfelder. Wer noch mehr Zeit und Kraft hat, sollte sich Wanderungen in den Cangshan-Bergen nicht entgehen lassen, z.B. zu den vielen in den Bergen verstreuten Tempeln, Wasserfällen usw. (zum Zhonghe Tempel gibt es auch eine Seilbahn).

San Ta Kloster / Dali 3 Pagoden des San Ta Si
Erhai See / Dali Erhai See

Bei unserem ersten Besuch in Dali in 1999 waren wir von den Wochenmärkten in der Umgebung Dalis fasziniert. Insbesondere der Markt der Bai-Nationalität im 30km entfernten Shaping (chin. 沙坪) hatte es uns angetan, man hatte den Eindruck, die Zeit sei hier stehengeblieben und man träfe auf echtes, unberührtes China. Hier gab es sogar einen Zahnarzt, der seine Patienten unter freiem Himmel auf einem Küchenstuhl behandelte… Viele Dörfer bedeuten auch viele Märkte, und der Reisende kann sich für jeden Tag der Woche einen anderen Markt (etwa in Shuanglang, Shaba, Zhoucheng usw.) aussuchen und am bunten Treiben teilhaben. Es steht allerdings auch hier zu befürchten, dass diese Märkte mittlerweile von chinesischen Touristen überrannt werden. Die Frage des Transports in diese Dörfer lässt man am besten in seiner Unterkunft lösen, das ist kaum teurer als eine selbstorganisierte Tour und es spart vor allem Zeit und Nerven.

Markt in Shaping Markt in Shaping
Alter Chinese in Shaping Alter Chinese in Shaping

Wegen des scheußlichen Wetters kommen alle diese interessanten Ausflüge für uns nicht infrage. Wir erstehen noch am Tage unserer Ankunft in Dali die Weiterreise nach Lijiang und sind am nächsten Tag wieder unterwegs.

Ein paar Details

Für die Anreise nach Kunming, s.o. Der Bus von Kunming (Kunming West Bus Station, 西部汽车客运站) braucht nach Dali etwa 4-5 Stunden, der Preis war 2015 ¥130 (normaler Bus) bzw. ¥180 (Express-Luxus). Achtung: Einige Busse fahren nur nach Dali-Neustadt (Xiaguan, 下关), vorher abklären. Lässt sich das nicht klären, ein Taxi von Xiaguan and Dali kostet(e) ca. ¥40. Alternative: Ein Mini-Bus für die Strecke Xiaguan und Dali, man achte auf das Schild 大理 下关 im Fenster (etwa ¥3). Von der Xiaguan Train Station (in Neustadt) fahren die Busse 8 und 4 (zwischen ¥2 -3, ca 40 Min.) bis nach Alt-Dali. Busse von Dali nach Lijian – etwa jede Stunde einer, die Fahrt dauert i.d.R. 4 Stunden, Kosten: zwischen ¥50 und ¥80. Im Hotel in Dali nachfragen, die organisieren gegen ein paar Yuan die Tickets.
Kunming: Kunming Shangyi Shidai Hotel, nah am Flughafen (wegen später Ankunft), 16€ (2015) / Dali: Yun Yu Inn, 93 Yita Road, nett, 15€ für das Zweibettzimmer.
Eintritt Tang Dynasty Three Pagodas – ¥121 (Die Pagoden lassen sich von außen für ¥0 fotografieren) / ¥30 – Fähre auf dem Erhai See / Cangshan Mountain Park ¥45 (2015) Eintritt, Sessellift ¥80 bzw. ¥50 für eine Fahrt.

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