Donauwärts
Fast lohnt es sich nicht, einen Bericht über unsere Fahrt durch die Slowakei zu verfassen, denn – Hand aufs Herz – das Land stand schon in der Vorplanung unter der Rubrik „Rein und Raus“.
Hinter dem österreichischen Wolfsthal liegt die Grenze zur Slowakei und es ist mittlerweile später Nachmittag, als wir am 30.4.2011 Bratislava erreichen. Schnell werden wir einen Campingplatz ausfindig machen und dann ab in den Schlafsack…, denken wir. Bei der Durchfahrt hinterlässt Bratislava den Eindruck
Hotel Spirit / Bratislava einer Stadt in Feierlaune und wir wissen zunächst nicht genau warum. Viel Volk in buntem Gewand, das in Heerscharen die Kneipen belagert und Skulpturen eislaufender Menschen sind alsbald des Rätsels Lösung: Bratislava ist heuer Gastgeber der Eishockey-WM mit der unlogischen Konsequenz, dass der einzige Campingplatz geschlossen bleibt. Die Hotels hingegen sind bis unter den Dachfirst belegt, lediglich das Hotel Spirit nicht. Der Grund für diese Abweichung von der Normalität ist wohl die eher dezentrale Lage der Herberge als ihr recht eigenwilliger Baustil, welcher sehr surreal anmutet und eine Mischung aus Dali und Picasso mit einem Spritzer Hundertwasser und einem Hauch Kandinsky zu sein scheint. Jedenfalls kennt jeder Bratislavaer (?) das Hotel, was uns das Auffinden des Gästehauses erleichtert. Sabine, die bis dato fleißig hinter mir herzockelte, ist mittlerweile so müde, dass sie mir an einer Kreuzung mit Elan und ungebremst in das Rad rauscht und sich damit entschuldigt, sie hätte das Bremsen „vergessen“.
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Donaubrücke Most-SNP / BratislavaIst es fehlende Inspiration oder ein wenig Großstadtmüdigkeit? Wir verweilen in Bratislava nicht länger als nötig und haben auch kaum Ambitionen, uns dem Gewimmel in der Stadt anzuschließen. Eine Sehenswürdigkeit hier, ein bisschen Altstadt da und schon sitzen wir wieder im Sattel und radeln ostwärts. Der Tag beginnt mit einem Wetterwechsel, auf dem Donau-Radweg bei Bratislava scheint noch die Sonne, die Grenze zur Stadt bedeutet aber auch eine Wettergrenze, es wird kühl und der Himmel verdunkelt sich. Wir radeln jetzt entlang des Südufers der Donau, in deren Flutbecken Schwäne ihre Runden ziehen. Bereits kurz hinter Bratislava beginnt das Landschaftsschutzgebiet Dunajské luhy, das im Wesentlichen aus ursprünglichen Flussauen, Feuchtgebieten und kleineren Seen besteht. Das Gebiet verfügt über eine reiche Flora, insbesondere seltene Wasserpflanzen sind zu entdecken, die Fauna besteht zum Großteil aus Weichtieren, zudem ist das Areal reich an Wasservögeln wie Seeadler und seltene Reiher. Da jetzt der Regen einsetzt und auch immer stärker zu werden droht, werden wir den heutigen Tag früher beenden. Ein avisierter Campingplatz ist (natürlich) geschlossen, aber Campen ist heute sowieso kein Vergnügen, das Wasser steht auf den Wiesen knöchelhoch. In Trstená na Ostrove, einer kleinen Siedlung am Nordufer der Donau mit vornehmlich ungarischen Einwohnern, finden wir eine Pension zu moderatem Preis, die zudem köstliche magyarische Küche serviert. Allerdings bleibt das versprochene Frühstück auf der Strecke, da sich – Originalton – „die Kellnerin verspätet“.
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Ab Trstená bleiben wir am nördlichen Ufer, der Weg führt uns weiter entlang der Donau, durch schöne und vor allem ruhige Auen, das Wetter ist herrlich, was will man mehr von einer Radtour. Allerdings merke ich auf der Fahrt nach Komárno erstmalig leichte gesundheitliche Probleme, irgendwie ist der Kreislauf aus dem Tritt,
Schlechtwetterfront am Donau-Radwegvielleicht sind es die ständigen Wetterwechsel, vielleicht werde ich auch zu alt… Nach ein, zwei Stunden Radeln geht es wieder, der Donau-Radweg mutiert zwischenzeitlich zur Schotterpiste und wir fahren auf der Bundesstraße weiter. Der Campingplatz in Komárno ist nicht billig, aber fest in deutscher Hand und wir treffen gar Camper aus Recklinghausen und Gelsenkirchen, denen die Geschichte unseres Vorhabens gefällt und wir stehen bereitwillig Rede und Antwort. Komárno, einst eine der bedeutendsten Festungen des Königreichs Ungarn und auch sonst mit recht lebhafter Geschichte, ist heute ein eher beschaulicher Ort und das Zentrum der ungarischen Minderheit in der Slowakei. Es gibt ein paar Sehenswertigkeiten aus der Römer- und Barockzeit und kein geringerer als Franz Lehár (österreichischer Komponist ungarischer Herkunft, 1870 -1948), der Begründer der Silbernen Operettenära erblickte hier das Licht der Welt. So schön das Wetter auf dieser Etappe, so schlecht ist es auf den nächsten 50 Kilometern in Richtung Štúrovo an der ungarischen Grenze. Wieder einmal regnet es für längere Zeit in Strömen, dazu kommt ein starker, enervierender Gegenwind, der sogar Äste von den Bäumen reißt und uns vor das Vorderrad wirft. Kurz vor Štúrovo treffen wir zwei österreichische Radler, die uns erzählen, wie viele Kilometer sie jeden Tag fahren und was wir alles zu tun hätten auf unserer Reise in Richtung Türkei. Wir stellen bis dato fest, dass bei vielen Fernradlern die Tageskilometerzahl eine sehr wichtige Bedeutung hat, insbesondere in Verbindung mit der einhergehenden Durchschnittsgeschwindigkeit, Auf- und Abstiegshöhenmeterangaben, Trittfrequenzen und elektromagnetischen Hirnströmen. Wir schämen uns etwas, so wir unsere Daten preisgeben und radeln schnell und grußlos von dannen. Nichtsdestotrotz sind wir noch vor unseren Leidensgenossen an der Maria-Valeria-Brücke (19. Jh.) und überqueren diese nach Esztergom auf ungarischem Hoheitsgebiet. Auch in Ungarn werden wir in den kommenden Tagen feststellen, dass die Campingsaison in den osteuropäischen Staaten erst irgendwann beginnt und nicht, wenn wir ankommen!
Eine Handvoll Slowakei-Bildchen
Etappen: 3
Anstieg: 62m | Abstieg: 59m
Datum | Etappe von – nach | km | km total | Zeit | HöhM | Temp. | |
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30.04.2011 | Wien – Bratislava (SLO) | 95:99 | 1451 | 6:48 | 150 | 20° | H |
01.05.2011 | Bratislava – Trstená | 61:23 | 1513 | 4:08 | 21 | 20° | P |
02.05.2011 | Trstená – Komárno | 75:63 | 1588 | 4:53 | 10 | 20° | C |