Ein Binnendelta der Superlative
Mit jedem neuen Land kommen auf den Reisenden auch neue Aufgaben zu. Eine erste Orientierung, Geldwechsel, wie sind die Versorgungsstationen (aka Supermarkt, Tankstelle usw.) bestückt und wie verhält man sich dort, welchen ersten Eindruck hinterlassen die Menschen und vieles mehr.
Shakawe, etwa 20 Kilometer von der Grenze entfernt, liegt an dem sogenannten Panhandle („Pfannenstiel“) im nördlichen Teil des Okavango-Deltas und ist „starting point“ vieler Touristen, die sich das Delta ansehen wollen. Die Reisenden kommen zumeist mit dem Auto aus Namibia oder fliegen ein, Shakawe verfügt dazu eigens über einen kleinen Flughafen. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es genug, wir wählen allerdings eine Unterkunft etwas weiter südlich, etwa auf der Hälfte zwischen Shakawe und Xhauga. Das Schöne an diesem Platz ist zum einen die direkte Lage am Okavango-Fluss und die Tatsache, dass jeder Camper eine mit Bäumen umstandene „Parzelle“ bekommt und somit etwas Ruhe genießen kann. Diese Anlage liegt noch im Kavango-Zambesi-Park und mit Überraschungsbesuchen tierischer Gäste ist stets zu rechnen. Eines Morgens etwa zerlegt eine Horde Meerkatzen den Vorbau eines Camp-Mobils, da die Camper vergessen, ihre Lebensmittel in den Wagen zu schließen. Des Abends, auf dem Weg zur Toilette hingegen, hören wir des Öfteren das Zischeln der Schlangen, die sich lustig im Unterholz tummeln.
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Vor dem Besuch des Okavango-Deltas wird die Umgebung erkundet und ein Abstecher zu den Tsodilo Hills unternommen. Etwa 53 Kilometer südwestlich von Shakawe liegen die vier bis zu 1500 m hohen Quarzit-Hügel in einer wüstenähnlichen Umgebung. Dieses Gebiet ist für die Einheimischen heilig, da hier die Geister der Verstorbenen wohnen sollen. Mehr als 4000 Felsmalereien aus dem 8. Jahrhundert bis 13. Jahrhundert der Hambukushu- und der San-Völker schmücken den Fels, allerdings muss man sehr genau hinsehen, denn – wenigstens 2009 – gab es außer ein paar Pappschildern kaum Hinweise auf das Wo, Woher und Wohin. Die Tsodilo-Hills gehören nicht zuletzt wegen der großen Anzahl an Zeichnungen, die weltweit wohl einzigartig, ist zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Wegen der unerträglichen Hitze halten wir es an den Hügeln nicht lange aus, bald sitzen wir im Schatten der Bäume am Okavango und beraten das Vorgehen für den nächsten Tag. Eine Mokoro-Bootstour im Okavango-Delta soll es sein, die wohl beste Art, das Delta zu erfahren. Ein Mokoro, hergestellt aus dem Leberwurstbaum, ist ein etwa vier Meter langes Einbaum-Boot, das von den einheimischen Kavango zum Fischen verwendet wird/wurde, heute aber eher den Touristen als Fortbewegungsmittel auf den Wasserstraßen des Okavango dient. Angetrieben wird das Mokoro mit einer Stange, der Bootsführer steht dabei im Heck.
Ein Blick auf die Karte von Botswana zeigt, dass wir uns auf der falschen Seite des Okavango befinden, viele Bootstouren in das Delta starten von der kleinen Ortschaft Seronga, die am Ostufer des Okavango liegt. Da hilft kein Jammern, wir müssen zurück nach Mohembo, da es hier die einzige Okavango-Fähre weit und breit gibt.
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Das Okavango-Delta ist ein sogenanntes Binnendelta, d.h. der Fluss teilt sich in mehrere Arme, die dann aber nicht in ein Meer münden (wie z.B. im Mekong-Delta), sondern in einem See, oder der Fluss versickert einfach
Auffahrt zur Okavango-Fähreins Nichts. Der Okavango teilt sich in dieser Region und verdunstet bzw. versickert in der Kalahari. Das ist an sich nichts Besonderes, allerdings wird das Delta durch die Nachbarschaft mit der Kalahari-Wüstenklima zu einem der größten und tierreichsten Feuchtgebiete Afrikas. Insbesondere in der Trockenzeit wandern viele Tiere aus den jetzt lebensfeindlichen Teilen der südlichen Kalahari in diesen Teil Botswanas, bevor sie weiter Richtung Norden aufbrechen, wenn auch das Okavango-Delta nicht mehr genug Lebensraum bietet. Das Okavango-Delta ist einmal mehr eine Meisterleistung der Natur, auf die sich Mensch und Tier im Laufe der Jahrtausende eingestellt und ihren Lebensrhythmus entsprechend eingestellt haben. Eine reichhaltige Flora (vornehmlich Papyrusstauden) und Wasser in trinkbarer Qualität bieten allein 120 Tier- und mehr als 400 (zum Teil sehr seltenen) Vogelarten für eine gewisse Zeit optimale Lebensbedingungen, auch Fische, Reptilien und Amphibien sind in zahlreichen Varianten vorhanden. Grund genug, das Gebiet touristisch zu nutzen und vielleicht bewirkt der Tourismus manchmal auch Gutes, denn ein geplantes Kraftwerk am Okavango wurde bisher nicht gebaut.
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Bereits in den frühen 80ern faszinierten uns Filme aus Afrika und wir erinnern uns an die Luftbilder vom Okavango und die Tier-Dokumentation aus dieser Region. Jetzt die Gelegenheit zu haben, sich dieses Naturereignis aus der Nähe ansehen zu können, ist schon ein erhebendes Gefühl.
In Seronga angekommen, werden wir am Bootsanleger bereits erwartet und unser Guide und Bootsführer wird uns in den nächsten Stunden durch die Sümpfe und Kanäle stochern. Obgleich wir nur herumsitzen, wird der Ausflug ein ziemlich erschöpfender, die Sonne brennt ohne Gnade auf uns herab, und obgleich mit Hut und Hemd gut ausgerüstet, haben wir am Ende der Tour das Gefühl, gut durchgebraten zu sein. Es ist leider etwas schwer, die Fahrt durch die Kanäle und Sümpfe genau zu rekonstruieren; schippern wir Richtung Norden in den „Panhandle“ (Pfannenstiel) des Deltas oder mehr in den Süden…, oder gar in den Westen zum Moremi-Game-Reserve…? Es geht in jedem Fall mehrere Stunden durch schmale Kanäle, die auf beiden Seiten mit Papyrus gesäumt sind, dann über offenere Wasserflächen, eine Insel wird angesteuert und erkundet, wiederum durch Kanäle und so weiter. Mag sein, dass unser Bootslenker uns etwas über Klima und Tiervorkommen berichtet und vielleicht nutzt er des Öfteren die Wörter „spring and summer“(Frühling und Sommer) oder „normally“ (normalerweise), aber es scheint, wir sind zur falschen Jahreszeit gekommen, denn außer ein paar Elefanten, Nutzvieh und einigen Reihern, Pelikanen und anderen Vögeln ist nicht wirklich viel zu sehen. In den anderen Teilen der Kalahari scheinen die Tiere ihre Wanderung gen Norden noch nicht aufgenommen zu haben. Sei’s drum, der Bootsführer ist ganz witzig, wir gucken uns die Augen aus dem Kopf und jubeln innerlich über jedes Lebewesen, das uns ins Blickfeld gerät.
Als wir festen Boden unter den Füßen haben, sind wir keinesfalls enttäuscht, man kann sich auch nicht über schlechtes Wetter beschweren, aber es wird wieder einmal klar, dass das, was im Fernsehen sieht, das Ergebnis langer und ausdauernder Beobachtung ist und nicht an einem Vormittag entsteht.
Fotos aus dem Okavango-Delta
Einen zweiten oder gar dritten Versuch, das wilde Okavango-Delta mit dem Boot zu erkunden, wird es nicht geben, zumal man uns hinter vorgehaltener Hand beichtet, die Jahreszeit sei denkbar ungeeignet (vielen Dank für den späten Tipp!) und wir sparen das Geld lieber für einen Flug (Sabines Idee) über das Delta und die Möglichkeit, diese faszinierende Landschaft aus der Vogelperspektive zu betrachten.
Zur Ausführung dieses Plans müssen wir uns allerdings in die Stadt Maun am Südende des Okavango-Deltas begeben. Von Seronga nach Maun sind es Luftlinie gerade einmal 50 Kilometer, auf der Straße brauchen wir hingegen fast das 10-fache, zunächst geht es zurück zur Fähre nach Mohembo und dann ein langes Stück des Weges bis zum Lake Ngami, an dem wir Richtung Osten abbiegen müssen. Erst am zweiten Tag unseres Aufbruchs gelangen wir in die größte Stadt des North-West-Districts, Maun.
Im Grunde ist Maun eigentlich keine richtige Stadt im Wortsinne, sondern eine nicht in sich geschlossene Siedlung mit gleichem Namen. Tatsächlich ist der Flughafen so etwas wie ein Zentrum, daneben gibt es viele Straßen, die irgendwohin führen, an denen verstreut Wohnhäuser, Restaurants, Campsites und Reisebüros liegen. Als wir Maun erreichen und wir uns postwendend zum Flughafen begeben, ist ein Flug über das Delta zeitlich sogar möglich, dass noch Plätze im nächsten und letzten Flugzeug frei sind, hat einen einfachen Grund: das Wetter. Es ist zwar sonnig, aber sehr diesig und von klarer Sicht kann nicht die Rede sein. Für den nächsten Tag ist sogar Eintrübung angesagt und wir verabschieden uns von unseren Flugplänen, übernachten in Maun und sind am nächsten Tag wieder auf der Straße.
ca 748 Kilometer
Übernachtung in:
Shakawe – Drotsky Cabins Lodge, GPS: -18.255801, 21.519703
Maun – Sitatunga Campsite (A3 Richtung Ghanzi, 14 km vom Flughafen Maun), Tsanekona Ward North West, Maun, GPS: -20.075075,23.355332
Eintritt usw.:
Tsodilo Hills – Eintritt frei (2009)
Mokoro-Bootstour – ca. 50 €/P (2009)
Reiseroute