Von allem etwas, bitte!


Nach drei Jahren Indien-Abstinenz setzen wir an einem Dezemberabend auf dem Rollfeld des Indira Gandhi International Airports auf, lassen unser elektronisches Visum in den Reisepass stempeln, rupfen die paar zur Reise notwendigen Habseligkeiten vom Gepäckband, ziehen Rupien aus dem Automaten, wimmeln aufdringliche Taxifahrer vor dem Flughafen ab und erstehen ein Ticket für ein Prepaid-Taxi und sind zehn 10 Minuten später in einem 5-Sterne-Hotel unweit des Flughafens. Eine gute Wahl, das Hotel, lässt der Taxilenker vernehmen, sei es doch in der Nacht in einigen Bezirken Delhis recht gefährlich, besonders für ausländische Touristen… Mag er recht haben oder nicht, wir wählen das Hotel eher unter einem Erholungsgesichtspunkt, haben wir noch den ganzen Tag gearbeitet und einen siebenstündigen Flug im Gebein. Da gönnt man sich schon mal was… Zudem sind die besseren Hotels bei allen Taxifahrern bekannt, es gibt kein Herumgekurve, das sich auf den Fahrpreis auswirkt.

Reisekarte

weitere Ziele in Madhya Pradesh

Man hört und liest ja viel über das Taxifahren in Indien (und natürlich auch anderswo) und nach dem Verlassen des Flughafens sind es die Fahrer dieser Mietdroschken, mit denen man in der Regel den ersten und längeren Kontakt hat. Ein schlechtes Erlebnis ist immer auch ein schlechter Auftakt der Reise. Daher an dieser Stelle schnell noch ein paar Tipps zum Thema „Taxi“:

  • Taxifahrer meiden, die es sehr eilig haben und einen schnell ins Taxi schieben. Auch nicht den Eindruck erwecken, man hätte es selbst eilig oder wäre nervös.
  • Abholung vom Flughafen durch Hotel organisieren lassen. Was zuerst teurer aussieht, kann später die preiswertere Lösung sein. Wenn das Hotel nichts organisiert…
  • … Prepaid-Taxi am Flughafen nehmen. Dafür gibt es einen Extra-Schalter, man zahlt im Vorhinein und keine Rupie mehr. Die Prepaid-Taxis werden staatlich überwacht, es gibt kaum Betrugsfälle.
  • Kontaktnummer des Hotels bei sich haben, falls der Fahrer behauptet, das Hotel sei belegt.
  • Einheimische, z.B. Angestellte des Hotels, vorher fragen, was eine Fahrt von A nach B kostet.
  • Wahl des Unternehmens: Meru und Easy Cab sind recht vertrauenswürdig. Und auf Einschalten der Taxiuhr bestehen (natürlich ein Schuss, der auch nach hinten losgehen kann).

Trotz aller guten Ratschläge wird der Reisende wahrscheinlich immer mehr zahlen (müssen) als Einheimische, was man oft an den sich erhellenden Gesichtern der Fahrer erkennt. Sofern allerdings beide Parteien bei den Verhandlungen über den Tarif nachgeben und sich (noch) zufrieden fühlen…, was will man mehr?
Am nächsten Tag geht es mit einer alten, aber noch rüstigen Maschine der Air India nach Indore im Südwesten Madhya Pradeshs, der Flug dauert knapp eine Stunde und vor dem Flughafen, es ist mittlerweile später Nachmittag, werden wir schnell mit einem der vielen herbeistürmenden Taxifahrer handelseinig. Für die annähernd 100 Kilometer nach Maheshwar werden wir wohl eineinhalb Stunden benötigen, die Fahrt gibt uns einen ersten Eindruck über das Land, den Verkehr und die Tatsache, dass (auch in Zukunft) die Fahrer alle paar Kilometer dringend ihren Chai (Milchtee) aus einer Raststätte brauchen, der Tee eine Art Treibstoff zu sein. Schnell noch was zum Flughafen in Delhi: an den Eingängen wird scharf kontrolliert, wer Einlass in die Terminals bekommt. Daher ein Tipp: Hat man einen Anschlussflug und ein E-Ticket und den Terminal vorher verlassen, dringend eine Papierkopie der Flugbestätigung mitbringen. Sofern man nämlich am Flughafen keine Internetverbindung hat, ist man gehalten, zu einem Airline-Büro zu gehen, sich in unübersehbare Schlangen einzureihen und eine Bestätigung zu holen, was sehr zeitintensiv ist.

Maheshwar

Das kleine und friedvolle Städtchen Maheshwar, etwa 70 Kilometer südwestlich von Indore, liegt an den Ufern des heiligen Flusses Narmada und kann auf eine lange, fast 4.000 Jahre dauernde Geschichte zurückblicken. Bereits 200 v.Chr. diente es einem Haihaya-König, der in den Sanskrit-Epen Ramayana und Mahabharata erwähnt wird, als Hauptstadt, Mitte des 18. Jahrhunderts wählte Königin Ahalyabai den Ort als Regierungssitz und zeichnet sich für den Ausbau des Forts aus dem 5. Jahrhundert und des Palastes verantwortlich. Und Maheshwar ist seit alters her eine spirituelle Stadt, davon zeugen noch heute die seit ewigen Zeiten am Narmada-Fluss (der dem Körper des Gottes Shiva entsprungen sein soll) gelegenen Ghats (Badestellen), die Jahr für Jahr Tausende sadhus (hinduistischer Asket) und yatris (Pilger) nach Maheshwar ziehen.

Badeplatz (ghat) in Maheshwar
Badeplatz (ghat) in Maheshwar

Es ist sicher kein Problem, die Sehenswürdigkeiten von Maheshwar innerhalb eines ganzen oder gar halben Tages abzuklappern. Aber das hieße vielleicht auch, kein Auge für das ruhige und gemächliche Landleben und die landschaftlichen Reize des Ortes (insbesondere Weberei in Maheshwar
Weberei in Maheshwar
die kleinen bunten Gassen, die von Holzhäusern flankiert sind) und des Narmada-Flusses zu haben, die in vielen Bollywood- und Tamil-Filmen ihren Niederschlag finden. Wer bereits die Badetreppen in Varanasi besucht hat, wird an denen von Maheshwar vielleicht nichts Besonderes finden, allerdings kann man in Maheshwar stundenlang auf den Stufen der Treppen sitzen, das spirituelle und weltliche Treiben beobachten, ohne behelligt zu werden. Sobald der Reisende die Ortsgrenzen hinter sich lässt, taucht er sogleich in die ländliche Umgebung mit Bauernhöfen, Feldern und Viehzeug ein. Wer nach dem Besuch des Forts, des Palastes und der vielen Tempel noch Lust und Kraft zum Einkaufen hat: Maheshwar ist schon seit dem 5. Jahrhundert bekannt für seine handgewebten Schals, Tücher und Saris aus Baumwolle und Seide.

Mandu

Auf dünn bewaldeten Plateau, ca. 40 Kilometer nordwestlich von Maheshwar, liegt die kleine Ortschaft Mandu, die für sich genommen nicht viel zu bieten, es historisch aber faustdick hinter den Ohren hat. Angeblich im 6. Jahrhundert gegründet, kommt der Ort im 14. Jahrhundert zu voller Blüte, als er die Hauptstadt des muslimischen Malwa-Reiches wird (heute Madhya Pradesh, Süd-Rajasthan und Nord-Maharashtra), die Glanzzeit Mandus ist während der Regierung des Malwa-Königs Hoshang Shah (1405–34), aus dieser Zeit stammen auch viele der eindrucksvollen Gebäude Mandus, die im Stile der Pashtun-Architektur (afghanisch) errichtet wurden.

Palast Jahaz Mahal / Mandu
Palast Jahaz Mahal / Mandu
Palast von Baz Bahadur
Palast von Baz Bahadur (letzter Malwa-Herrscher)

Mit einem klapprigen Taxi und ein wenig Unmut über Foto-unfreundliches Wetter machen wir uns auf den Weg nach Mandu, der Weg führt durch viele kleine Dörfer in der Nimar-Ebene und als wir Mandu erreichen, sind wir ein wenig froh über unsere Unterkunft in Maheshwar. Mandu lässt sich eigentlich am besten mit dem Fahrrad erkunden (z.B. bei Ritik oder Sonu Bicycles mietbar), aber zum einen sind unsere Erfahrungen mit asiatischen Mieträdern nicht die erfreulichsten, auf der anderen Seite sehen wir unterwegs so viele Hunde, die aggressiv und grundlos unser qualmendes Taxi verbellen… Beschränkt man sich auf die Hauptattraktionen, kommen wohl an die 15 km Tagespensum zusammen (die Rupien für Eintrittskarten sind da ein Vielfaches mehr). Wir starten am Rupmati Pavillon, den der letzte Herrscher Malwas, Baz Bahadur, der Sängerin Rani Rupmati errichten ließ. Von hier aus folgt man der Fort Road Richtung Norden, passiert den großen Saga-Talao-See, radelt entlang der Grabstätten von diversen Persönlichkeiten des Malwa-Reiches (z.B. Dai Ka, Dariya Khan u.v.m.) und gelangt zu einem der Höhepunkte, dem wohl ältesten Marmor-Mausoleum Indiens: das Grabmal des Hoshang Shan.
Die Grabstätte ist beeindruckender als das Verhalten der Offiziellen, die uns teure Eintrittskarten verkaufen und, als eine private Filmfirma für fast eine Stunde den Zutritt verweigert, weil sie ihre Schmonzette zu Ende drehen wollen, nicht den Ticketpreis zurückerstatten wollen. Die indischen Besucher stehen vor dem gleichen Problem, sind allerdings um Längen ungehaltener ob der Wartezeit, es kommt beinahe zu einem handfesten Tumult, das indische Fernsehen schaltet sich ein und wir werden gegen Ende zu den unsäglichen Umständen befragt und landen in der Tagesschau Madhya Pradeshs. Schnell verlassen wir den Ort des Geschehens, haben wir noch den größten Bau-Komplex, die imposante Royal Enclave zu besichtigen. Während der Ghuri- und Khilji-Dynastien im 15. und 16. Jahrhundert erbaut (dem Sultan Khilji sagt man nach, er habe hier etwa 15.000 Haremsdamen beherbergt), lässt der Komplex auch heute noch etwas vom Glanz vergangener Zeiten erahnen.

Auf dem Weg nach Bhopal

Maheshwar und Mandu sind ein lohnenswerter Einstieg in das „geistige“ und historische Indien und auch mit profanen weltlichen Dingen haben wir uns in der kurzen Zeit unseres Aufenthaltes zu beschäftigen. An dieser Stelle denn auch ein ernstgemeinter Rat: Gegenüber „heiligen“ indischen Kühen ist unbedingt ausreichender Abstand zu wahren, denn heilig bedeutet noch lange nicht friedfertig. Als wir uns gleich am ersten Tag zu den Badeplätzen in Maheshwar begeben und in einer engen Gasse ein in der Stadt als heißblütig bekannter Ochse den Weg versperrt, wäre es ratsam gewesen, sich eine andere Gasse zu suchen statt zu glauben, eine fast drei Meter breite Lücke sei ausreichend, um ein 800 Kilogramm schweres Tier mit dem Willen, das eigene Territorium zu verteidigen, zu passieren.

"Heiliges" Rind / Maheshwar
Seine Heiligkeit…
Ochsen-Verletzung
…hinterlässt Spuren

Ein eleganter Schwung mit Horn-bewehrtem Kopf lässt mich einige Meter durch die Luft fliegen und eröffnet die Gelegenheit, die Fähigkeiten eines Landarztes und seines – in Sachen Hygiene schlecht ausgebildeten („Häh, wofür Handschuhe oder Maske? Sie bluten doch nur an beiden Beinen. Tststs…“) – Adepten zu testen. In den nächsten Wochen sind längere Wanderungen passé und ein tellergroßes Hämatom kann ich noch nach der Rückkehr von unserer Indien-Reise stolz herumzeigen (und auch Jahre später ist eine Delle im Oberschenkel deutlich zu sehen). Diese heiligen Kreaturen, die eigentlich nichts anderes als wilde Tiere sind, werden für die indische Bevölkerung (was dieser auch nur zu bewusst ist) irgendwann zu einem Problem und auf der Fahrt nach Khajurao hätten wir die Gelegenheit, ein „Heim für herrenlose Kühe“ kennenzulernen, eine Anlage, die sich um Rinder kümmert, die „nichts wert sind und keinerlei Funktion haben“ (O-Ton des Heimleiters). Soviel zur Heiligkeit. Und zur Überheblichkeit des Menschen.
Was soll’s… Mit verbeultem Oberschenkel und malträtiertem Schienbein ist mir nicht nach einer Fahrt im engen und klapprigen öffentlichen Bus, auch wenn dieser für die rund 100 Kilometer bis nach Indore nur drei Stunden benötigen soll. Und in Maheshwar werden gewissermaßen die Weichen für unser zukünftiges „dekadentes“ Reiseverhalten gestellt, nämlich der Verzicht auf jedwede Art kommunalen Transports. Halt! Das ist so nicht ganz richtig, die „Fahr’n wir lieber Taxi“-Idee wird vielmehr während der Reise nach Indore geboren. Noch in der Herberge in Maheshwar erklären wir uns unwillig, den Nahverkehr zu nutzen, der Inhaber des Hotels rechnet uns auf, wie viel uns eine Fahrt nach Indore (₹ 2.500) bzw. Bhopal (₹ 6.000, etwa 75 €) kommen täte, der letzte Posten erscheint uns zu hoch und wir werden in Indore in den Überlandbus umsteigen. Unserem Fahrer ist dies nicht so recht und noch bevor wir den Sarwate Busbahnhof erreichen, sind wir mit ihm handelseinig und vereinbaren einen Preis (₹ 5.000), der alle Parteien zufriedenzustellen scheint. Rückblickend ist dies eine gute Entscheidung, die von uns in Bhopal erwählte Unterkunft ist derart weit vom „Schuss“, dass wir nach der Ankunft in der Stadt werweißwieviele Rupien für ein Taxi dorthin hätten zahlen müssen und am Ende – vielleicht – auf die gleiche Summe gekommen wären.
PS: Auf der Fahrt nach Bhopal kann man gut und gerne die Augen zudrücken, es gibt nicht viel zu sehen…

Mehr Zeit?

Mandu und Maheshwar sind nicht die einzigen lohnenswerten Ziele im Westen der Provinz. Wer etwas mehr Zeit zur Verfügung hat oder besser im Voraus kalkuliert als wir und Interesse an hinduistischer Kultur, Religion sowie Pilgereien hat, sollte sich Ujjain und Omkareshwar auf den Reiseplan schreiben.
Ujjain, etwa 100 Kilometer nordöstlich von Indore, ist mehr als 2000 Jahre alt und war bereits in frühen Zeiten ein wichtiger Knotenpunkt für den Nord-Süd-Handel Indiens. Sehenswert sind hier vor allem der Mahakaleshwar Temple, das Ram Ghat und das Treiben an den Badeplätzen während der Festivals.
Omkareshwar, etwa 70 km östlich von Maheshwar, ist ein weitere wichtige hinduistische Pilgerstätte mit einer 7 km langen Kora (Rundweg) und mehreren bedeutenden Tempeln und Lingas (Symbole des Gottes Shiva).

Ein paar Details

Übernachtung in
DelhiRadisson Blu Plaza Delhi Airport, nette Zimmer und sehr gutes Frühstück haben ihren Preis, nahe am Flughafen gelegen
MaheshwarHotel Shri Sharanam, sauberes Hotel mit hausgemachtem Essen, hilfsbereitem Personal, inklusive Frühstück
Reisezeit – Mitte Dezember
Eintrittspreise – in Maheshwar sind alle Eintritte frei || Mandu: Royal Enclave ₹ 300 / Village Group ₹ 300 / Rewa Kund Group ₹ 300
Transportkosten – Taxi Indore → Maheshwar, ₹ 2.400 || Taxi Tagestour Mandu, ₹ 2.400 || Taxi Maheshwar → Bhopal, ₹ 5.000

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