Bunte Bergwelten


Argentinien ist und bleibt eine wahre Wundertüte! Als wir die faszinierenden Wasserfälle von Iguazú verlassen, haben wir „on the road“ die Gelegenheit, die geschichtsträchtigen Missionen der Jesuiten zu besuchen und kommen auf dem Weg nach Corrientes zufällig an dem kleinen Ort Itatí vorbei, der schon seit 1615 existiert und in ganz Argentinien für die Darstellung der Jungfrau Maria in der 1950 errichteten Basilika bekannt ist, zu der am 16. Juli jeden Jahres Pilger aus Überall herbeiströmen. Corrientes, am Zusammenfluss der Flüsse Paraná und Paraguay, hat einen gewissen altehrwürdigen und farbenfrohen Charme und der Stadt wurde u.a. durch Graham Greene mit seinem Roman „Der Honorarkonsul“ ein Denkmal gesetzt.
Die Fahrt nach Westen geht jetzt durch den Gran Chaco, eine Region mit Trockenwäldern und Dornbuschsavannen, die sich über den Norden Argentiniens und Paraguays bis tief hinein nach Bolivien zieht. Auch der Gran Chaco oder El Impenetrable (Der Undurchdringliche) hat – wie andere Regionen dieser Erde – mit dem Problem „Mensch“ zu kämpfen, die Abholzung zugunsten riesiger Soja-Felder schreitet unaufhörlich voran, seltene Pflanzen und Tiere (u.a. der Puma, Mähnenwolf) fallen unserer Profitgier zum Opfer.

Reisekarte

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Auf halbem Weg nach Salta übernachten wir in dem etwas trostlosen Monte Quemado, was „Brennender Berg“ bedeutet. Diese Bezeichnung geht auf die ersten Quechua-Siedler zurück, die aus dem Süden der Provinz kamen und einen riesigen Berg Asche und verkohlter Baumstämme vorfanden, tja, nomen est omen!

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Gran Chaco ist zu dieser Jahreszeit heiß und feucht, der ursprünglich gefasste Plan, den tier- und vogelreichen Parque Nacional Copo zu besuchen, wird auf Eis gelegt. Die Ruta 16 scheint ebenfalls unter der Hitze zu leiden, ihr Zustand wird nämlich merklich schlechter. Schlaglöcher von der Größe von Waschzubern und der Häufigkeit von allergischen Pusteln zwingen zur Slalomfahrt bei Tempo 25, der Straßenrand ist mit den Ruinen geplatzter Reifen und abgefallenen Blechteile gesäumt und als Fahrer geht man jeder Möglichkeit verlustig, sich etwas in der Gegend umzusehen.
Am frühen Nachmittag erreichen wir das Valle de Lerma und Salta, die Hauptstadt der Provinz desselben Namens. Im 16. Jahrhundert gegründet ist Salta heute für seine hervorragenden Museen und seine Bauwerke aus der spanischen Kolonialzeit bekannt, es gibt zahlreiche Straßencafés oder -restaurants an großen, belebten Plätzen, das Abendessen wird bei folkloristischer Musik serviert und alles fühlt sich tatsächlich ein wenig nach Barcelona oder Sevilla an. Salta ist die meistbesuchte Stadt im Nordwesten Argentiniens, Hotels gibt es ohne Ende und gleiches gilt für Reiseveranstalter, bieten sich doch zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten in die Umgebung, unter anderem in den Nationalpark Los Cardones, an.
Neben den Kunst-, historischen und Volkskundemuseen sei noch das Museo de Arqueología de Alta Montaña erwähnt, in dem die Mumien dreier Kinder von edler Herkunft aufbewahrt werden, die während der Inka-Zeit den Göttern in den hohen Bergen der Anden den Göttern geopfert wurden, sehr gut erhalten sind und jetzt als Ausstellungsstücke herhalten müssen. Interessant, aber seltsam…

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Nach einer zweitägigen Rundfahrt durch den Los Cardones-Nationalpark schauen wir noch einmal in Salta vorbei, unsere Absicht ist es, über den weiter im Norden liegenden Paso de Jama (4200 m) nach Chile zurückzukehren. Über die RN 9 und San Salvador de Jujuy gelangen wir bis Purmamarca, von hier führt die RN 52 in knapp 260 Kilometern bis zur chilenischen Grenze. Aber noch auf dem Weg nach Purmamarca ändern wir unsere Pläne kurzfristig und fahren weiter nördlich. Grund dafür ist, dass wir unterwegs von der Quebrada de Humahuaca lesen, einer vegetationslosen vielfarbigen Schlucht am Río Grande de Jujuy, die 2003 von der UNESCO als Teil des Inka-Pfades zum Welterbe erklärt wurde. Und nicht nur das außergewöhnliche Naturschauspiel in dieser 155 Kilometer langen Schlucht schlägt den Reisenden in den Bann, auch historisch ist dieser Landstrich, der schon vor 10000 Jahren besiedelt war äußerst interessant. Bewohnt wird die Schlucht von den indigenen Völkern der Kolla und Omaguaca, die ihre Kultur weitgehend n die Moderne hinübergerettet haben und die von den Inkas und später von den spanischen Kolonialisten als billige Arbeitskräfte ‚gebraucht‘ wurden. Die Quebrada verläuft entlang des alten Inka-Trails, der Chile und Argentinien mit den nördlichen Nachbarn verband.

Quebrada de Humahuaca / Argentinien
RN 9 in der Quebrada de Humahuaca in Richtung Purmamarca

Ein Besuch der beiden Quebrada-Ortschaften Tilcara (2465 m) und Humahuaca (2950 m) ist sehr lohnenswert, zum einen kann man sich für die bevorstehende Fahrt über den Paso de Jama akklimatisieren, auf der anderen Seite sind sie wegen ihrer kolonialen Architektur und der noch vorhandenen indianischen Lebensart äußerst interessant, empfehlenswert ist in beiden Städten der traditionelle Karneval mit Folkloremusik. Die größte Sehenswürdigkeit in Tilcara ist die Pucará, eine rekonstruierte Festung der Omaguaca-Indianer, in Humahuaca sind es die Ruinen von Coctaca, eine der größten präkolumbianischen Fundstätten Nordargentiniens. Humahuaca hat zudem noch eine weitere außergewöhnliche Sehenswürdigkeit: Serranía de Hornocal oder ‚Die Berge der 14 Farben‘. Etwa 25 Kilometer östlich von Humahuaca, auf etwa 4400 Meter Höhe, hat man einen herrlichen Ausblick auf eine Gebirgslandschaft, in der Jahrhunderte der Erosion kontrastierende farbige Kalksteinbänder auf diesen Sägezahn-Massiven freigelegt haben. So schön und fesselnd die Landschaft hier ist, ein wenig getrübt ist die Freude durch die ersten Mucken unseres Gefährts, die sich noch verstärken werden: Es scheint Motorprobleme zu geben, denn die entsprechende Leuchte blinkt auf der Instrumententafel neuerdings sehr häufig auf und der Motor spricht nur mit Verzögerung auf das Gasgeben an.

Cerro de los Siete Colores / Purmamarca
Cerro de los Siete Colores / Purmamarca
Quebrada de Humahuaca / Argentinien RN 9 in der Quebrada de Humahuaca in Richtung Purmamarca

Wir machen uns auf den Weg zurück nach Purmamarca, dem Ort am Abzweig nach Chile. Purmamarca war schon zu Zeiten des Inka-Pfades ein Rastplatz für Karawanen und erst die Spanier gründeten hier eine echte Siedlung. Noch heute ist die Bevölkerung des kleinen Ortes vorwiegend indianisch, was unschwer an ihrer Physiognomie, aber auch an der Adobe-Architektur zu erkennen ist. Im Hinterhof Purmamarcas liegt der Cerro de los Siete Colores („Hügel der sieben Farben“). Das einzigartige Farbspektrum dieses Hügels ist das Produkt einer komplexen geologischen, Jahrmillionen alten Ablagerung von Sedimenten, die tektonischen Bewegungen verschoben wurden. Purmamarca hat aber auch ein paar kleine Supermärkte, in denen wir unsere Vorräte für die kommende „Herausforderung“ auffüllen.
Schon der erste Teil der Strecke auf der RN 52 Richtung Chile hat es in sich: In zahllosen Haarnadelkurven quält man sich von Purmamarca (2300 m) bis zum Altos del Morado (4170 m) hinauf. Na, eigentlich quält sich das Auto und immer öfter blinkt die Motorleuchte… Am Altos del Morado stehen einige Touristen herum und machen Fotos von sich und dem Pass-Verkehrsschild, etwas abseits steht eine argentinische Familie, die etwas ratlos um ihren Sohn herum steht und ihm, der ziemlich schlecht aussieht, die Beine in die Lotrechte strecken. Wir brüllen sie auf Spanisch, Englisch und Deutsch an, sie sollten sofort zurück nach Purmamarca, ihr Sohn sei wohl höhenkrank. Ob sie es wirklich verstanden und getan haben, wer weiß, immerhin stand heute ein Ausflug zu den Salinas Grandes auf dem Programm.

Serpentinen der Ruta 52
Serpentinen der Ruta 52 von Purmamarca
Ruta 52 nahe Salinas Grandes
Ruta 52 nahe den Salzseen Salinas Grandes

Von Altos del Morado geht es weiter in die Puna (Hochwüste) hinein und zu den Salzseen sind es nur noch 30 Kilometer oder eine halbe Stunde Fahrt zum nächsten Naturschauspiel. Der im Holozän durch tektonische Verwerfungen trockengelegte See hat eine etwa 50 Zentimeter dicke Salzkruste, die nach einem Sommerregen mit einer dünnen Wasserschicht bedeckt ist, wie ein blankpolierter Spiegel wirkt und die Umgebung und den Himmel reflektiert. An zentraler Stelle gibt es ein Toilettenhäuschen und Tische und Bänke, allesamt aus Salz gefertigt, Kleinkünstler verkaufen hier geschnitzte Salz-Kakteen und -Lamas.
Lange Zeit folgen wir jetzt dem Lauf des Río de las Burras, es geht sanft, aber stetig bergan. Die Hochtäler in dieser Region sind sehr weit und – typisch für das Puna-Grasland – vorherrschende Vegetation sind Yarete- und Stipa-Gräser und peruanisches Federgras. Abgesehen von einzelnen Gehöften im Adobe-Baustil haben wir die Zivilisation hinter uns gelassen und nur selten trifft man auf Lama- oder Schafhirten, die ihre Tiere in luftiger Höhe weiden lassen. Auf etwa 3700 Metern Höhe erreichen wir gegen Mittag die letzte menschliche Siedlung in dieser Region, der kleine Ort Susques war einmal ein Minenzentrum der Puna Atacameña, heute scheint die Ortschaft eher ein Stopover für Reisende nach Chile zu sein. Die Adobe-Kirche aus dem 16. Jahrhundert ist in jedem Fall sehenswert. Die letzte Tankstelle wird angefahren und immer höher hinauf in die Puna/Altiplano schraubt sich die RN 52. Am Salzsee Salar de Cauchari sehen wir die letzten Lama- und Schafherden, ein paar Flamingos picken Gewürm aus den sumpfigen Uferwiesen und die letzten 60 Kilometer geht es durch das stille und einsame Hochland der Anden. Mehr und mehr schieben sich Vulkane mit schneebedeckten Kronen ins Bild, die die 5000er-Marke oft überschreiten und langsam merken wir, wie dünn die Luft geworden ist.

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Gegen 16 Uhr ist die kleine Siedlung Jama auf knapp 4100 erreicht. Eine Tankstelle, mehrere kleine Imbissbuden und gar ein Hotel (an der Tankstelle) machen diese Siedlung aus. Ein Hotel hier oben ist durchaus sinnvoll, ist doch der Grenzposten nicht rund um die Uhr besetzt. Wir kaufen rasch eine Handvoll Empanadas, wer weiß, wie lange die Formalitäten an der Grenze dauern werden, und melden uns in Argentinien ab und in Chile an. Eine ganze Stunde dauert der Prozess, damit sind wir aber im Glück, denn wir hören von Reisenden, die mehrere Stunden in dieser Höhe verbringen mussten, bevor die Weiterfahrt erlaubt war. Fünf Kilometer weiter westlich und auf 4200 Metern Höhe ist dann der Paso de Jama, die nördlichste Grenze zwischen Argentinien und Chile, erreicht. Und wenn wir denken, dass es jetzt nur noch bergab geht…, nun, da haben wir uns getäuscht!

Ein paar Details

Entfernung Puerto Iguazú – Posadas – Corrientes – Monte Quemado – Salta – SS des Jujuy – Humahuaca – Pumamarca – Susques – Paso de Jama ca. 2000 km
Übernachtung in:
Itatí: Parador Ruta Cuarenta, DZ 900 AR$
Monte Quemado: Parador Ruta Cuarenta, DZ 900 AR$
Salta: Apartment Los Cardones, DZ 1100 AR$
Salta: Hotel del Antiguo Convento, DZ 1100 AR$ (Sonderpreis)
Tilcara: Apartment Los Cardones, DZ 1100 AR$
Humahuaca: Apartment Los Cardones, DZ 1100 AR$
Eintritt usw.:
El Chaltén – Eintritt frei

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