Wind und Wasser


Obgleich genug Zeit vorhanden und ein wenig Benzingeld in der Reisekasse übrig ist, wird die Reise in den Süden Patagoniens und nach Feuerland eine kurze werden. Noch befinden wir uns in der Provinz Última Esperanza (span. „Die letzte Hoffnung“) und noch stehen wir unter dem Eindruck von Chiles und Argentiniens Kronjuwelen. In den ersten Tagen unserer Reise waren wir davon überzeugt, den Mietwagen bis nach Ushuaia, der südlichsten Stadt (es gibt Siedlungen, die noch weiter südlich liegen) Königspinguine / Feuerland
Königspinguine
zu prügeln. Die Ausführung dieser Idee lässt aber mit zunehmender Kilometerzahl ab, erwarten wir doch in Feuerland schlechte Straßen und immer weniger Gelegenheiten, das Hardcover im Bedarfsfall angemessen reparieren zu lassen. Zudem sind wir nicht sicher, ob es die Sache wirklich wert ist, unzählige Kilometer zu fahren, nur um irgendwem gegenüber sagen zu können, wir seien ‚in der südlichsten Stadt‘ gewesen.

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Die Bilder und Berichte, die wir unterwegs von Feuerland sehen und hören, können uns jedenfalls weder überzeugen noch günstig stimmen. Dass wir es überhaupt bis nach Feuerland schaffen, hängt mit der vereinbarten Abholung der EC-Karte in Punta Arenas zusammen und dem Wunsch, die Kolonie der Königspinguine am Bahía Inútil zu besuchen. Aber: Ungeachtet jeder Bedenken war auch die Weiterreise in den Süden eine Etappe, die wir weder vergessen werden, noch vermissen wollen…

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Torres del Paine ist selbst in einem Kfz-Rückspiegel sehenswert und einige Male kommen wir fast von der Straße nach Puerto Natales ab, da sich hinter jeder Kurve ein neuer, veränderter Blick auf diese herrliche Berg-Seen-Welt bietet. Auf stetig wechselndem Straßenbelag (mehrheitlich Schotterpiste) geht es entlang den Ufern des Lago del Torro und Lago Porteño bis in eine Ebene um den Cerro Benítez herum. Dieser Berg ist an sich unbedeutend, wäre da nicht die riesige Karst-Höhle Cueva del Milodón, in welcher der deutsche Patagonien-Forscher Hermann Eberhard im 19. Jahrhundert die Überreste eines Riesen-Faultiers (Mylodon) fand. Dieser bis zu 4 Meter große Pflanzenfresser lebte vor mehreren 100.000 Jahren ausschließlich in Südamerika und starb erst vor etwa 10.000 Jahren aus. Verewigt wurde das Faultier übrigens in Bruce Chatwins Roman In Patagonia. Bis nach Puerto Natales sind es jetzt nur noch eine Handvoll Kilometer und mit dem letzten Tropfen Diesel erreichen wir die Hafenstadt am Seno Última Esperanza.

Lago del Toro / Chile
Lago del Toro und Torres del Paine / Chile
Mylodon-Höhle bei Puerto Natales
Mylodon-Höhle bei Puerto Natales
Riesenfaultier-Plastik
Riesenfaultier-Plastik

Puerto Natales war ursprünglich, wie viele Touristen-Mekkas in der heutigen Zeit, ein kleines Fischerdorf mit gerade einmal 100 Jahren auf dem Buckel. Die Nähe zu Torres del Paine hat den Ort umgekrempelt und mit Fischen verdienen wohl die wenigsten ihren Unterhalt. Mittlerweile gibt es (fast) alles, was das Traveller-Herz begehrt, und doch: spaziert man hinunter zum Fjord und schaut über das Wasser auf das raue und mit verschneiten Gipfeln betupfte Land, kann man sich gut vorstellen, wie und wie schwer das Leben hier einmal gewesen sein muss. Besonders für die Ureinwohner, die – der Kälte in Fälle gehüllt trotzend – in ihren Paddelbooten aufs Meer fuhren, um Fisch zu fangen. In Natales selbst kann man noch Spuren der im 18. und 19. Jahrhundert beginnenden Einwanderung durch Europäer sehen, hier und dort finden sich vereinzelt Holzschindel- und Fachwerkhäuser. Die meisten Besucher kommen sicherlich wegen Torres oder Feuerland nach Natales, allerdings gibt es auch hier gute und abwechslungsreiche Unterhaltung, etwa Reiten, Kajak- und Bootstouren im Fjord und vielleicht mehr.

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Nach 48 Stunden Natales (davon 24 im Regen) ziehen wir weiter gen Süden. Die knapp 250 Kilometer nach Punta Arenas, der Hauptstadt der Provinz Magallanas, verlaufen glatt und ohne größere Höhepunkte. Riesige Schafherden tauchen dann und wann am Straßenrand auf, kurz vor der Ortschaft Villa Tehuelches steht mitten im Feld eine Skulptur zu Ehren oder zum Gedenken an die patagonischen Winde und dann soll, nicht weit von obiger Ortschaft, an der Laguna Blanca ein Vogelreservat gestopft mit Flamingos sein… Wir fahren auf schotteriger Piste fast 90 Kilometer um den See herum (der eingezäunt ist) und sehen nicht einmal die Feder eines Flamingos. Wieder einmal ein Beispiel dafür, dass eine Information aus mehr als einer Quelle stammen sollte
Irgendetwas ist los in Punta Arenas (Messe?), jedenfalls wird es schwer, eine Unterkunft zu finden und mehr durch Zufall geraten wir an eine private Vermieterin im Stadtteil Croata nahe der Magellanstraße (Strait of Magellan).
Punta Arenas, die südlichste Großstadt der Welt und Hauptstadt der Provinz Magallanes, war einst eine Strafkolonie und später eine bedeutende und reiche Stadt, da sie von der Magellanstraße, der Verbindung Atlantischer-Pazifischer Ozean profitierte. Die änderte sich nach dem Bau des Panama-Kanals, heutzutage wird das Geld mit Kohle, Öl und Wolle verdient. Die Stadt ist zudem ein Schmelztiegel der Nationen, der europäische Einfluss ist in der Architektur deutlich zu sehen, von den Ureinwohnern, die man kurzerhand auslöschte, gibt es keine Zeugnisse mehr.

Palast Sara Braun / Punta Arenas
Palast der russischen Philantropin Sara Braun
Kolonialhaus in Punta Arenas
Kolonialhaus in Punta Arenas
Statue Magallans / Punta Arenas
Statue des portugiesischen Seefahrers Fernando de Magallanes

In der Hauptfiliale der Santander-Bank bekommen wir nach Wochen tatsächlich unsere EC-Karte ausgehändigt und können uns mit frischem Geld versorgen. Dieses werden wir nicht – wie geplant – für eine Tour zu den Magellan-Pinguinen ausgeben, Sabine steht dann mehr auf die größeren Verwandten, die Königspinguine, die auf Feuerland die größte Kolonie außerhalb der Antarktis bewohnen. Eine organisierte Tagestour zu diesen Tieren ist ziemlich teuer, mehr als 50.000 CL$, und – wie wir hören – sehr anstrengend (fast 12 Stunden Dauer). Wer über ein Auto verfügt, sollte es sich zweimal überlegen, die Fahrt ohne Reiseagentur zu unternehmen. Uns passt das ganz gut, da wir ein wenig von Feuerland sehen werden, außerdem können wir einen Bogen nach Argentinien schlagen. Daher finden wir uns am nächsten Tag am Fähranleger Tres Puentes ein, kaufen eine Passage nach Porvenir und überqueren die Magellanstraße Richtung Feuerland.

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Porvenir ist Chiles größte Siedlung in Feuerland mit dem Charme einer Kolonial-Gemeinde viktorianischen Anstrichs. Irgendwie sieht es so aus, als wären die meisten der knapp 4000 Einwohner gerade erst angekommen und hätten sich eine Hütte zusammengezimmert, um dort so lange zu wohnen, bis das eigentlich geplante Haus fertig gebaut ist. Aber Porvenir hat auch ein paar interessante historische Gebäude aus den Anfängen der Besiedlung durch Kroaten und Chiloten im Jahre 1883 während eines kurzen Goldrauschs. Einige Bauwerke sind aus der Zeit von 1900 bis 1905, die meisten aus den 20ern und 30ern des 20. Jahrhunderts. Im sehenswerten Museum des Ortes bekommt man eine kostenlose Broschüre (mit Karte) zu diesen architektonischen Kleinodien und kann sie dann abwandern und sich nebenbei die Denkmäler für die Feuerlandindianer, die Selk’nam, ansehen. Spätestens Anfang des 20. Jahrhunderts schaffte es der ‚weise‘ Europäer, auch diese Ureinwohner auszulöschen. Rund um Porvenir gibt es Buchten, die besonders für Vogelbeobachter interessant sein dürften.
Für etwas mehr als 100 Kilometer folgen wir der staubigen Schotterstraße entlang des Bahía Inútil, biegen dann scharf nach Süden Richtung Cameron ab, um schließlich zum Parque Pingüino Rey zu gelangen. Bis zu diesem Park wird unser Eindruck von Feuerland der folgende sein: flach, windig und, hm, irgendwie trostlos. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass sich dieses Bild ändern wird, je weiter man in den Süden vordringt.

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Die Kolonie der Königspinguine im Parque Pingüino Rey ist insofern etwas Besonderes, als sie eine der wenigen Siedlungen außerhalb der antarktischen Zone ist, zwischenzeitlich sollen dort mehr als 100 Tiere leben. Der Königspinguin ist nach dem Kaiserpinguin der zweitgrößte Pinguin mit einer Körperlänge zwischen 85 und 95 cm und einem Gewicht zwischen 11 und 16 kg. Ziele der Parkleitung sind Forschung, Bildung und nachhaltiger Tourismus, letzteres zeigt sich daran, dass man im Park nur auf vorgegeben Wegen laufen darf und die Tiere nur aus recht großer Entfernung sehen kann, was bei vielen Besuchern doch zu langen Gesichtern führt (aber auch – so unser Eindruck – zu zahlenmäßig kleinerem Publikum). Daher gleich ein Tipp: Fernglas und Objektiv mit großer Brennweite mitnehmen!
Fast Stunden halten wir es in dem windigen und mit Stechfliegen verseuchten Park aus, in knapp 90 Minuten sind wir am Fähranleger Punto Espora im Norden Feuerlands (das seinen Namen daher bekam, dass die Seeleute Magellans an den Ufern die Lagerfeuer der indigenen Bevölkerung brennen sahen), wir setzen auf das Festland über und das ‚Abenteuer Feuerland‘ ist schon beendet. Die Nacht verbringen wir in Villa Punta Delgada, einem kleinen Bergarbeiterdorf am Rande des Nationalparks Pali Aike (vulkanische Steppe, Höhlen, Krater, Wanderwege) und sind tags darauf an der Grenze zu Argentinien und bald in der Kohle- und Ölstadt Río Gallegos.

Ein paar Details

Entfernung Torres del Paine – Puerto Natales – Bahía Inútil (Pinguine) – Bahia Azul – Río Gallegos: ca. 755 km
Übernachtung in
Puerto Natales / Punto Arenas: kein Mangel an Unterkünften, vom Dormitory bis Luxushotel in allen Preisklassen
Villa Punta Delgada: Hostal San Gregorio, DZ 32.000 CL$ incl. Frühstück, gutes Restaurant
Eintritt usw.:
Cueva del Milodón – 5.000 CL$
Parque Pingüino Rey – 12.000 CL$
Parque Nacional Pali Aike – 3.000 CL$
Fähre: Punta Arenas – Porvenir – 2,5 Std. Passagier/Auto 6200/39.800 CL$
Punta Espora (Feuerland) – Punta Delgada – 20 min. 15.000 CL$

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