Grenzwertig
Unsere Erfahrungen beim Gangabal-Trek haben schnell und eindrucksvoll gezeigt, wo in diesem Jahr unsere physischen Grenzen sind. Allerdings gibt es in Ladakh es jede Menge Trekkingmöglichkeiten und abhängig von Dauer, Entfernung und Schwierigkeitsgrad ist wirklich für jeden etwas dabei. Auch für uns.
Daher legen wir den ursprünglichen Plan, den Lamayuru-Padum-Trek (150 km, Level 4), diskret auf Eis und entscheiden uns für die Wanderung durch das Markha-Tal. Der Trek ist nur halb so lang und wegen seiner Popularität gibt es eine bessere Infrastruktur, oder andersherum. Außerdem starten wir in Chilling, dies ist die etwas kürzere und leichtere Variante des Markha Valley-Trek als diejenige, die in Spituk startet.
Der Markha Valley Trek ist – wie erwähnt – eine der beliebtesten Trekkingtouren in Ladakh und führt durch kleine und ursprüngliche Dörfer im Tal des Markha-Flusses, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Schon vor dem Hochpass Kongmaru La – fast am Ende der Tour – hat der Wanderer spektakuläre Ausblicke auf den Gipfel des Kang Yatse. Das Markha Tal ist Teil des Hemis Nationalparks, der Heimat des Schneeleoparden und wenn man diesen auch selten sieht, kann man unterwegs doch kleinere Tiere und Vögel beobachten.

Tipps:
(s. dazu auch unsere generellen Tipps unter Trekking in Ladakh.)
- Anreise: nach Chilling/Seilbrücke nur per Miet-Taxi (etwa 60 km, ca. 3 Std.), Abreise von Shang Sumdo ebenfalls Miet-Taxi (ca. 2 Std.), kurz hinter Chilling muss man (2016) den Zanskar-Fluss in einem Korb per Seil überqueren
- Wetter: Das Wetter ist im Sommer ideal, starke Regenfälle treten in jüngster Zeit im Sommer häufiger auf und Brücken/Stege können beschädigt oder zerstört werden. Da man den Markha-Fluss mehrfach kreuzen muss, vorher unbedingt Infos einholen!
- Auf Höhenanpassung achten. Am Hochpass Kongmaru La geht es immerhin bis auf 5265 Metern. Tour bei ersten Anzeichen einer Höhenkrankheit unterbrechen, im Zweifel abbrechen
- Ausrüstung: s. dazu die Ausführungen zu Trekking in Ladakh. Evtl. eine Wanderkarte, ist aber nicht zwingend notwendig
- Guide/Träger: ersterer ist hilfreich, aber nicht notwendig; der Trail ist gut besucht, ein Verlaufen ist fast unmöglich. Last-Esel im Voraus buchen oder lokal ab Skiu
- Übernachtung: im Zelt oder in Privathäusern, sogenannten „Home-Stays“; letztere gibt es in Skiu, Markha und Hankar. Bei Nimaling (kurz vor dem Pass) gibt es ein Zeltlager. Man mietet hier ein Zelt mit Matte und Decke und bekommt zudem zwei Mahlzeiten (Achtung: kann in der Hochsaison schnell ausgebucht sein)
- Verpflegung: Einfaches Essen in den home-stays (auch ohne Übernachtung erhältlich) oder Mitnahme von Lebensmitteln aus Leh, insb. Reis, Nüsse, Trockenobst, Fertignahrung
- Zeltplätze: stehen zur Verfügung, Wild-Camping möglich (nicht im Flussbett campen!)

Wer schnell wandert/wandern will und nur in Home-Stays übernachtet, bedarf fast keiner Vorbereitung. Ein 35-40 Liter-Rucksack, etwas Wechselwäsche und Regenkleidung und vielleicht ein paar Snacks genügen vollkommen. In der Hochsaison könnten diese Unterkünfte allerdings voll belegt sein, daher in Leh in einer Reiseagentur nachfragen, ob eine Vorbuchung ratsam und möglich ist.
Wir entscheiden uns, trotz zu erwartender Schlepperei, für die Camping-Variante. Noch in Leh werden Trockenfrüchte, Nüsse, Müsli, Reis und Tütensuppen gekauft, in der Apotheke gibt es Vaseline für die aufgrund trockener und staubiger Luft schon jetzt geschundene Nase. Die Sache mit den Lebensmitteln…? Im Rückblick war der Kauf dieser eher entbehrlich, in den Dörfern bekommt man auch Lebensmittel bzw. eine warme Mahlzeit, und letztere ist, wenn auch einfach, zillionenfach besser als Trockenfutter und Instant-Dinner.
Da wir nicht unsere gesamte Ausrüstung von daheim mitbringen, erstehen wir Kocher-Gas in einem Trekking-Shop auf der Main Bazaar Rd. und mieten für kleines Geld bei MERO (Leh, Ecke Fort Rd. / Library Rd.) Wanderstöcke und Iso-Matten. Bei den Isomatten wäre es ratsam gewesen, sie eingehender zu testen: schon in der ersten Nacht entweicht gegen drei Uhr früh die Luft zur Gänze, ein Prozess, der sich in den nächsten Tagen zuverlässig wiederholt. Vom Erwerb von Landkarten nehmen wir Abstand und folgen einfach dem Lauf des Markha-Flusses, im Zweifelsfall wird es sicher jemanden geben, den man nach dem Weg fragen kann.
Und irgendwann geht es dann los…

Tag 1: Chilling (3186 m) – Skiu (3392 m) – 6,9 km
Die Anreise von Leh mit dem Miet-Taxi dauert etwa 3 Stunden, nach dem Verlassen des Leh-Highways geht es dem Verlauf des Zanskar-Flusses entlang bis Chilling. Die Überquerung des Flusses ist nur noch per handgetriebener Seilbahn möglich, es gab mal eine Brücke, die aber den Fluten des Zanskar in 2015 zum Opfer fiel. Vielleicht ein Nachteil für die Bewohner Skius, andererseits ist Wanderung ab hier autofrei.
Am anderen Ufer folgen wir der Schotterstraße, die sich in Kehren den Hang hinaufzieht, stapfen weiter taleinwärts und leicht bergab bis zum kleinen Ort Skiu. Kurz hinter Skiu liegt ein kleiner Campingplatz am Fluss, der recht gut gefüllt ist, obgleich nur zwei Familien aus Dänemark und Frankreich hier campieren. Allerdings reisen diese mit einer geführten Tour, dazu gehören in der Regel viele Pferde, Träger, Köche… Unsere erste Nacht im Markha-Tal.


Tag 2: Skiu – Thinlespa (3620 m) – 14,2 km
Skiu ist so ziemlich der tiefste Punkt des Markha-Tals, ab jetzt geht es nur noch aufwärts.
Die letzten Häuser liegen bald hinter uns, der Weg folgt linksseitig dem in den Sommermonaten recht schmalen Verlauf des Markha-Flusses. Es geht munter auf und ab, über Sara und Latho wandern wir flussaufwärts. Oft muss man im Flussbett laufen, was hier noch nicht so anstrengend ist, die grünen Inseln im Bett des Markha sind Labsal für die Augen und spenden zudem Schatten gegen die heiße Sonne. Noch einige Male müssen wir den Markha-Fluss auf Stegen und kleinen hölzernen Brücken überqueren und zwischen den Weilern Thinlespa und Tongit stellen wir fest, dass wir für heute weder Zeit noch Kraft haben, den Weg bis Markha fortzusetzen. Oberhalb des Flusses – man weiß ja nie – suchen wir uns einen Zeltplatz, es gibt ein dünnes Süppchen zum Abend und der Tag wird mit heißem Tee beschlossen.


Tag 3: Thinlespa – Markha (3760 m) – 7,1 km
Der heutige Streckenabschnitt verspricht ein leichter zu sein. Das trifft auch zu, bis man wenige Kilometer vor Markha den Fluss gleichen Namens zu queren hat. Brücken = Fehlanzeige. Der Fluss hat sich hier in mehrere Arme geteilt, die allesamt kniehoch bei recht starker Strömung zu durchwaten sind. Ein zufällig vorbeischauender Einheimischer gibt den Tipp, auf der linken Seite am Berghang bis Markha hineinzulaufen. Tolle Idee! Für den Mann ohne Gepäck und an Höhen gewöhnt kein Problem. Wir hingegen stapfen mühsam den sich ständig auf- und abwindenden Pfad dahin, bis uns nach vielleicht zwei Kilometern klar wird, dass es viel einfacher gewesen wäre, zwei oder drei Flussarme zu kreuzen. Zurücklaufen? Mitnichten. Voll bepackt geht es einen 45 Grad steilen Abhang aus losem Geröll hinab, der Markha-Fluss ist an dieser Stelle besonders wild, sodass sie Überquerung ein feuchtes Abenteuer wird. Eine halbe Stunde sind dann im Wechsel kleine Inseln, die dicht mit Dornenbüschen bewachsen sind, und wild schäumende Ströme zu passieren, bevor wir am Nachmittag am erstbesten Homestay im Markha-Dorf haltmachen, duschen und tatsächlich ein ‚Doppelzimmer mit Halbpension‘ bekommen.


Tag 4: Markha – Hankar (3995 m) – 11,2 km
Nach Markha verengt sich das Tal wieder und auf den nächsten fünf Kilometern muss der Markha-Fluss mehrere Male über klapperige Holzbrückchen überquert werden. Wir passieren einen Felszahn, der ein großes Tal markiert, dann einen weiteren, der wie ein Stuhl mit hoher Lehne aussieht und an dem sich das Tal wieder verengt und der Fluss einen Bogen beschreibt. Hinter der Kurve sieht man das Tacha Gompa, ein kleines Kloster auf einem steil abfallenden Berg. Uns wird wieder deutlich, dass die Route hinter jeder Ecke voller Überraschungen steckt. Das Tal verbreitert sich wieder und führt nach Umlung (3875 m), wo zwei Tee-Zelte zur Einkehr laden. Wenig hinter Umlung können wir im Hintergrund die wunderschöne westliche Gletscher-Flanke des Kang Yatse sehen. Nach Hankar, zum letzten bewohnten Dorf vor dem Pass, sind es nur noch ein paar Kilometer, im sonnigen Wetter leuchten die Berge in allen Farben…
Das Zelt ist rasch aufgebaut und ebenso schnell die Entscheidung gefällt, in einem nahen Home-Stay zu Abend zu essen.
Tag 5: Hankar – Tsigu See (4680 m) – 8,3 km
Kurz hinter dem Zeltplatz gabelt sich der Weg und linker Hand führt ein steiler Anstieg durch eine enge Schlucht in das Dorf Hankar. Auf der linken Seite sieht man auf einer Felsnadel die Überreste eines Forts, geradeaus bietet sich ein herrlicher Ausblick in begrünte Tal des Nimaling-Flusses und den schneebedeckten Gipfel des Kang Yatse. Einige Male muss der Nimaling über Holzbrücken gekreuzt werden, dann steigt der Weg die Hänge entlang des Flusses steil an. Noch einmal queren wir den Fluss nach rechts, der Campingplatz von Tachungtse (4250 m) ist bald erreicht.
Nach einer längeren Pause brechen wir zum letzten Teil der heutigen Etappe auf. Obgleich das Gelände jetzt offener wird und man sich eigentlich nicht verlaufen könnte, tun wir dies; allerdings nur insoweit, als wir die Ideallinie verlassen und einen Umweg laufen. Auf den letzten ca. vier Kilometern zum Tsigu See steigt der Pfad steil an und man spürt hier die Höhe doch recht deutlich. Schon am Morgen hatten wir uns entschlossen, am See zu übernachten, nicht zuletzt, um uns an die Höhe zu gewöhnen. Mehrere Tütensuppen werden verspeist, zum Nachtisch gibt es getrocknete Aprikosen und wir sehen zu, wie die untergehende Sonne den Kang Yatse erst in goldenes und dann in rotes Licht taucht.

Tag 6: Tsigu See – Nimaling (4850 m) – 5,1 km
Der heutige Tag ist ein Kinderspiel, nur 150 Höhenmeter geht es aufwärts durch welliges Terrain. Die Hochalmen sind mit kleineren Bächen durchsetzt, hie und da sieht man Murmeltiere oder Pfeifhasen durch die Gegend flitzen, Pirol, Tibetmeise, Hausrotschwanz und andere Hochgebirgsvögel flattern durchs Bild und man erfreut sich an der Bewegung und des Seins an sich.
Kurz vor Mittag erreichen wir die Hochebene von Nimaling und verbringen den Rest des Tages mit Akklimatisation, Nichtstun und der Beobachtung wiederkäuender Yaks und wild brüllender Esel. Das Zelt wird in der Nähe des Tent-Camps errichtet, in dem wir auch eine Mahlzeit bekommen und in der Nacht lauscht man dem Knattern der Zeltplanen, dem eigenen hochfrequenten Atem und schaut in den herrlichen Sternenhimmel.

Tag 7: Nimaling – Choskyurmo (4140 m) – 12,5 km
Kongmaru-PassNoch recht früh beginnen wir den Anstieg zum Kongmaru La-Pass. Nach der Überquerung des Flusses folgt zunächst ein Anstieg in Serpentinen, der an sich nicht schwer ist, wäre nicht der schwere Rucksack und die dünne Luft. Weiter geht es über eine Hochalm, bevor sich der Weg noch einmal in Kehren zum Pass (5265 m) hinaufschraubt. Jeder Schritt wird langsam und mit Bedacht gesetzt, wir keuchen um die Wette. Vom Pass hat man einen herrlichen Ausblick auf den Kang Yatse (6400 m) und die Gipfel des Karakoram, Richtung Norden tut sich ein Gewimmel von Schluchten auf. Über einige Kilometer geht es in Serpentinen steil bergab, es dauert nicht lange, bis die Oberschenkel lichterloh brennen. Der Pfad ist so schmal, dass Reiten unmöglich ist. Der weitere Weg folgt dem Fluss, der vom Uatse Ri herunterkommt. Oft laufen wir im Flussbett, dann wieder gibt es steilere Uferanstiege. Auch wenn der Pfad beschwerlich zu laufen ist, man hüpft oft von Stein zu Stein, so entschädigt der Blick auf herrliche Felsformationen, insbesondere auf solche, die mit Adern aus grünlich schimmernden Mineralien durchsetzt sind. Am Ende der engen Schlucht erreichen wir Choskyurmo (wenig mehr als ein Tee-Zelt) und schlagen ein letztes Mal unser Zelt auf.


Tag 8: Choskyurmo – Shang Sumdo (3675 m) – 7,8 km
Abschied vom Markha TalDie ersten Kilometer müssen wir weiter im steinigen Flussbett herumspringen, allerdings ist spürbar, dass wir die Einsamkeit der Berge verlassen. Schafherden nebst Hirten kreuzen den Weg und die erste Ortschaft seit Tagen, Chogdo (3905 m, hier gibt es auch wieder Homestays), gerät ins Blickfeld. Ab Chogdo verlassen wir das Flussbett und die letzten Kilometer bis Shang Sumdo geht es auf einem schmalen Pfad an einem Hang entlang. Shang Sumdo besteht aus mehreren Häusern, umgeben von kleinen Gerstenfeldern. Und: Es gibt einen Kiosk, den wir sofort erstürmen und eine kühle Cola in uns hineinschütten. Nun wäre es denkbar, weiter auf der Teerstraße bis zum Kloster Hemis zu wandern und den Trek ‚klassisch‘ abzuschließen. Die in Shang Sumdo wartenden Sammel-Taxis erscheinen aber so verlockend, dass wir letztlich eines besteigen, die Tour beenden und zurück nach Leh brausen.

Schwierigkeit: Level 3 (mittel)
Entfernung: ca. 74 km
Max Höhe: 5265m
Aufstieg: 2477m | Abstieg: 1965m