Die Stadt der Naxi


Es regnet!
Die schönsten Orte sind nicht mehr ganz so schön, wenn der Himmel seine Schleusen öffnet. So haben wir auch nicht zu viel von der knapp vierstündigen Fahrt nach Lijiang, die Scheiben des Busses sind beschlagen, alles ist klamm und kalt, unsere Stimmung passt sich langsam den Umgebungsbedingungen an. Frühen Nachmittags erreichen wir den Busbahnhof. Derer gibt es zwei in Lijiang, der eine in der Changshui Road, der andere in der Shangri-La Road. Ist man nicht in der Stadt geboren oder verfügt über gutes Kartenwerk (trifft beides nicht auf uns zu), ist es anfänglich etwas verwirrend, fast an jeder Straßenecke steht ein Schild, dass auf die Altstadt (das Ziel der meisten Besucher) verweist, das Problem ist aber, dass sie eben an jeder Ecke stehen und die Hinweispfeile wer weiß, wohin zeigen. Wir fragen uns durch und landen nach gutem Fußmarsch (der Regen hat zwischenzeitlich nachgelassen) am Nordende der alten City. Unser Hotel liegt naturgemäß am Südende. Um die Altstadt herum oder mittendurch? Das ist die Frage. Sabine beendet jede Unsicherheit und ruft ein Taxi herbei, eine gute Wahl, ist es bis zu unserer Unterkunft doch noch ein gutes Stück des Weges.
Das Zimmer im Hotel Xi Tang, ein (angeblich) traditionelles chinesisches Haus, ist schnell bezogen. Die nette und hilfsbereite Wirtin serviert uns im Atrium einen Tee, versorgt uns mit einer Karte Lijiangs und gibt noch ein paar gute Tipps, was man sich unbedingt in der Altstadt (nicht) entgehen lassen sollte. Die Lage der Unterkunft ist wirklich gut, man sollte sich überlegen, ob man in der Altstadt wohnen möchte, die doch ziemlich voll und auch laut werden kann. Um das Hotel herum liegen auch zahlreiche kleinere Restaurants und insgesamt sind wir mit unserer Wahl zufrieden.

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Seit 1997 ist Lijiang auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Das mag für die etwa 800 Jahre alte Stadt sicher eine „Ehre“ sein, die sich auch in klingender Münze auszahlt. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass jährlich mehr als 6 Millionen Besucher in den Ort kommen, welche die Preise für alles in den Himmel schießen lassen und es fast unmöglich machen, einfach durch die schmalen Pflastersteingassen zu flanieren und ein wenig vom China in sich aufzusaugen, wie es vielleicht vor 100 oder 200 Jahren gewesen sein mag: Menschen in traditioneller Kleidung, die in und vor ihren Holzhäusern ihren Geschäften nachgehen, die Wäsche in den kleinen Kanälen waschen, im Innenhof sitzen und eine Pfeife zum Tee zu rauchen usw. Heute hat man doch ein wenig den Eindruck, dass vieles gestellt ist (oder wenigstens so wirkt). Lijiang war zunächst im 19. Jahrhundert unter ausländischen Touristen bekannt, geriet in Vergessenheit, erlebte einen zweiten Frühling, als China die Einreise ins Land erleichterte, und einen dritten Frühling nach dem schweren 1996er Erdbeben, als die Stadt im chinesischen Fernsehen präsent war. Die Chinesen bewunderten den Lebensstil und die Natur in und um Lijiang, der Damm brach spätestens mit Zhang Yimous Film „Riding Alone for Thousands of Miles“; jeder Chinese kannte nunmehr die Gegend um Lijiang.
Die Bewohner Lijiangs sind gehören zum großen Teil der kleinen Minderheit der Naxi (chin. 纳西族) an, die vor mehr als 1000 Jahren wohl aus Westen einwanderten, deren Sprache etwas mit der Tibets zu tun hat, die aber über eine eigene Schrift und eigene traditionelle Kostüme verfügen.

Jade Dragon Snow Mountain
Jade Dragon Snow Mountain (5.596 m)

Die Altstadt und die Natur ist es, wegen der man nach Lijiang reist. In der Altstadt kann man tagelang abhängen, herumgammeln, die lokale Naxi-Küche genießen (z.B. Pilzgerichte oder Naxi-style Weichkäse) und einfach nur dem bunten Treiben in den Gassen zusehen. Fängt man nach einigen Tagen an, Fett anzusetzen oder es kribbelt in den Füßen, bieten sich Radtouren in die Umgebung zu Naxi-Dörfern an. Das Baisha-Dorf ist ganz nett und Ausgangspunkt zu Touren zum Jade Dragon Snow Mountain (玉龙雪山; Yùlóngxuě Shān), den man seit einiger Zeit auch mit einer Seilbahn (bis Glacier Park) befahren kann oder man mietet sich einen Esel in Baisha und lässt sich bis auf 4600 Meter Höhe heraufschleppen. Die beste Aussicht auf den Berg hat man aber vielleicht vom Black Dragon Pool (黑龙潭; Hēilóngtán), einem Park in Lijiang, der Gipfel des 5596 Meter hohen Shanzidou ist aber leider oft bewölkt. Wem es nach Kultur ist, in der Naxi Concert Hall gibt es regelmäßig eine Kultur-Show mit Naxi-Musik, der 400 Jahre alte Mu Palast (木府; Mùfǔ) ist einen Besuch wert und…, ach es gibt für Wochen zu tun.

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Das Wetter ist heute wechselhaft und die Entscheidung, den Tag in der Stadt zu beenden, trifft sich fast von allein. Nach einem kleinen Happen mit Naxi-Kolorit (um unsere Unterkunft herum gibt es reichlich Restaurants), tummeln wir uns mit Myriaden chinesischer Touristen in der Altstadt, wandern durch die Sträßchen, bewundern die Auslagen der ungezählten Souvenir-Läden, schauen einer traditionellen Musik- und Tanzaufführung auf dem Hauptplatz zu und diskutieren über Alternativen, falls das Wetter so unbeständig bleiben sollte.
Für den nächsten Tag haben wir einen Besuch der Naxi-Ortschaft Shuhe (chin. 束河) geplant und dazu eigens die Herbergsmutter bemüht, sich um entsprechenden Hin-Transport zu kümmern. Wie wir auf dem Rückweg erfahren, ist ein derartiger Aufwand unnötig. Den Rückweg – in Kenntnis der Umstände und der Umgebung – zu finden, ist nämlich längst nicht so vertrackt. Shuhe ist eine der ersten Siedlungen der Naxi entlang der Tee-Straße, interessant ist die knapp 30 Meter lange und mit Kopfstein gepflasterte Sifang-Gasse und die 500 Jahre alte Qinglong-Brücke, wir fragen uns jedoch, ob es wirklich nötig ist, hierherzukommen, irgendwie sieht es in Lijiangs Altstadt auch nicht anders aus. Und Touristen gibt es ebenfalls reichlich. Spannend sind diese Touristenziele eigentlich erst, wenn man den Strom der Touris verlässt und sich in die Seitenstraßen begibt, aber bei Regenwetter sind leider nicht zu viele Einheimische auf der Straße, denen man in der Verrichtung ihres täglichen Seins über die Schulter blicken könnte. Mit dem Bus Nr. 11 (oder 6) geht es nach einer Stunde Shuhe wieder zurück nach Lijiang.

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Wem die Zeit nicht im Nacken sitzt, sollte sich den schönen, 50 km² großen Lugu See nicht entgehen lassen (als Tagesausflug von Lijiang möglich), einen der größten Gebirgsseen Asiens. Interessant sind insbesondere die am Ufer liegenden Dörfer Luoshui und Lige, die mittlerweile – und besonders zur Hochsaison – sehr überlaufen sind (Chinesen haben nämlich eine starke Affinität zu Seen). Lohnenswert und ruhiger sind die Dörfer Luowa und Wuzhilou auf Sichuan-Seite. Die Bevölkerung ist gemischt, Tibeter, Yi und Mosu trifft man allenthalben, letztere fahren den Reisenden von Luoshui mit dem Einbaum zu einer der beiden See-Inseln Liwubi (mit Kloster) oder Heiwae.

Der Lugu-See steht bei uns diesmal nicht auf dem Speiseplan, nach unserem Shuhe-Kurztrip hat der Regen wieder eingesetzt und wir sind angesichts der Wettervorhersagen fast so weit, den Urlaub abzubrechen. Zwei Wochen grauer Himmel und nasse Klamotten sind in den Bergen kein Jux, da kommen wir lieber zu einer anderen Zeit wieder. Aber wir sind auch störrisch, wenigstens Shangri-La soll es sein und wer weiß, vielleicht wird es am Himmel doch noch schöner…

Ein paar Details

Für die Anreise nach Kunming, s.o. Der Bus von Kunming (Kunming West Bus Station, 西部汽车客运站) braucht nach Dali etwa 4-5 Stunden, der Preis war 2015 ¥130 (normaler Bus) bzw. ¥180 (Express-Luxus). Achtung: Einige Busse fahren nur nach Dali-Neustadt (Xiaguan, 下关), vorher abklären. Lässt sich das nicht klären, ein Taxi von Xiaguan and Dali kostet(e) ca. ¥40. Alternative: Ein Mini-Bus für die Strecke Xiaguan und Dali, man achte auf das Schild 大理 下关 im Fenster (etwa ¥3). Von der Xiaguan Train Station (in Neustadt) fahren die Busse 8 und 4 (zwischen ¥2 -3, ca 40 Min.) bis nach Alt-Dali. Busse von Dali nach Lijian – etwa jede Stunde einer, die Fahrt dauert i.d.R. 4 Stunden, Kosten: zwischen ¥50 und ¥80. Im Hotel in Dali nachfragen, die organisieren gegen ein paar Yuan die Tickets.
Lijiang: Xi Tang Exquisite Hotel, Unterkunft im Stil traditioneller Naxi-Häuser (vielleicht ist es sogar alt…?), 28 Wen Hua Alley, Yi Shang Street, 30€ p/Z, hat durchaus Charme, aber kein Frühstück.
Eintritt Tang Dynasty Three Pagodas – ¥121 (Die Pagoden lassen sich von außen für ¥0 fotografieren) / ¥30 – Fähre auf dem Erhai See / Cangshan Mountain Park ¥45 (2015) Eintritt, Sessellift ¥80 bzw. ¥50 für eine Fahrt.

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