Natur aus dem Bilderbuch


Der Weg von Tasmaniens Nordküste in den „Wilden Westen“ führt knapp 70 Kilometer über Smithton durch mehrere Sumpfgebiete bis Marrawah. Auf der C214 nach rechts abgebogen erreicht man einen Abzweig zum Bluff Hill Point, an dem man stundenlange Spaziergänge an menschenleeren Stränden machen kann, die vom Wind zerzaust sind und an denen sich das Meer schon über Millionen von Jahren bricht. Angesichts dieser Naturgewalten und der Einsamkeit dieser Region kommt man sich wirklich sehr klein und unbedeutend vor. Vom Bluff Point geht es weiter Richtung Süden in die kleine Ortschaft Arthur River an der Mündung des gleichnamigen Flusses. Viel gibt es hier nicht zu tun, der Campingplatz verfügt über warmes Wasser, aber wenig Licht. Unabhängig davon sind Wanderungen am Strand absolut lohnenswert, das Farbspiel von blauem Himmel, weißem Sand, grünem Dünengrass und roten Felsen ist ein echtes Feuerwerk für die Sinne. Auch wenn das Meer wie von Sinnen tost und man sein eigen Wort nicht versteht, herrscht – vor allem mangels Mensch und Maschine – eine wohltuende Ruhe. Wer Zeit und noch etwas Geld hat, es gibt schöne, mehrstündige Flussfahrten auf dem Arthur River quer durch den Regenwald bis zur Mündung des Frankland Rivers. Wir fahren noch etwas weiter südlich bis zum Sundown Point, da sich hier – wie auch bei Marrawah – archäologische Stätten der Aborigines befinden: Steine, in die die Ureinwohner schon vor mehr als 2000 Jahren geometrische Figuren ritzten. Die Kunstwerke sind nicht einfach zu finden, da es keinerlei Hinweisschilder gibt. Ebenso unklar ist auch die Bedeutung der Kringel, die Strandwanderung ist aber auch ohne sie schon Entlohnung genug.

Tasmaniens wilde Westküste
Tasmaniens wilde Westküste (bei Arthur River)
Sonnenuntergang Westküste
Sonnenuntergang Westküste
Arthur River / Tasmania
Mündung des Arthur River
Aborigines-Felszeichnungen
Aborigines-Felszeichnungen
Riesen-Kelp
Riesenalgen

Unseren ursprünglichen Plan, auf dem Western Explorer weiter in den Süden zu fahren und über die kleine Goldgräbersiedlung Corinna die Hafenstadt Strahan zu erreichen, geben wir auf. Der Western Explorer – oder amtlich C249 – ist nach Hörensagen und dem eingeholten Urteil der Mitarbeiter des Fremdenverkehrsbüros in Arthur River eine 150 Kilometer lange, mit Schlaglöchern übersäte Sandpiste. Mangels besseren Wissens legen wir dies bei unserer Entscheidung zugrunde. An sich wäre eine Fahrt auf derartigem Geläuf kein Ding für uns, ein Blick in das Kleingedruckte unseres Mietvertrages zeigt jedoch, das gerade der Western Explorer für unseren Lieferwagen-Camper „off limits“ ist. Selbst so eine Klausel schreckt uns in der Regel nicht ab, allerdings ist das Fahrzeug schon ziemlich groß und Reparaturen in Australien haben ihren hohen Preis. Noch bei der Anmietung zeigte uns der zuständige Mitarbeiter einen kleinen Vormieter-Makel am Fahrzeug und nannte einen Reparaturpreis, der das Herz kurz aussetzen ließ. Nach Abwägung aller Für und Gegen verzichten wir weise und fahren statt in südlicher auf der C214 wieder in nördlicher Richtung.
Einen der schönsten Blicke auf den Arthur River inmitten der Tarkine Wilderness hat man am Sumac Lookout, der am South Arthur Forest Drive (C218) liegt. Dieser wenig befahrene, etwa 70 Kilometer lange Rundkurs hat ein paar weitere sehr schöne Kurzwandermöglichkeiten zu bieten: Wenig hinter dem Sumac Lookout kann man durch dichten Regenwald zum Chisholm Lake laufen, einem verstopften Karsttrichter, der sich in den Jahren zu einem See inmitten des Waldes gemausert hat. Etwas weiter südlich ist der Dempster Plain Lookout mit guter Aussicht auf die Dempster-Ebene mit Bergen im Hintergrund und der nur hier heimischen Epacris curtisiae (Heidekrautgewächs) im Vordergrund. Gegen Ende der Schleife kann man noch die Milkshake Hills besteigen und die Aussicht genießen, oder man lässt es.
Der Rundkurs ist wirklich sehr schön, die angepriesene „unberührte Wildniserfahrung“ kann man allenfalls im Innern des Rundkurses erfahren, aber nicht, wenn man dessen Rand überschreitet. Der größte Teil der Landschaft, die die Straße durchquert, wurde – und wird immer – eifrig abgeholzt. Nachwuchswald und Holzfällerstraßen erinnern daran, dass das Gebiet alles andere als „unberührt“ ist. Kommerz ist auch in Tasmanien wichtiger als lebensspendende Natur.

Arthur River / Tasmanien
Arthur River

Es geht zurück nach Wynyard an der Nordküste der Insel. Grund dafür ist, dass eine Fahrt nach Strahan über den Western Explorer ausgeschlossen erscheint, in Wynyard hingegen die A10 ihren Anfang nimmt und uns fast bis vor die Tore der Hafenstadt im Westen Tasmaniens führen wird. Nach recht ereignislosen 100 Kilometern unterbrechen wir unsere Reise in den Südwesten und machen aus ökonomischen Gründen einen Abstecher zu Cradle Mountain, wovon im Bericht Mitten in Tasmanien zu lesen sein wird.
Als wir vom Cradle Mountain zurück auf der A10 sind, geht es durch tiefen Regenwald in den Südwesten der Insel. Durch den Bergbauort Tullah am Rosebery Lake fährt man, ohne es genau zu bemerken und Rosebery ist auch keine echte Schönheit. Während des Gold- und späteren Zinkrausches ging es der Gemeinde ganz gut, die letzten Minen wurden jedoch 1986 geschlossen, ein Zeugnis der guten alten Zeit legt noch die alte Drahtseilbahn ab, mit der zutage gebrachte Erze direkt in die Schmelzöfen in Rosebery befördert wurden. Etwa 3 Kilometer hinter Rosebery lohnt sich ein Abstecher nach rechts auf die sandige Piste nach Williamsford. Von dem Ort ist so gut wie nichts mehr übrig, allerdings beginnt hier die fabelhafte und mehrstündige Wanderung (etwa 10 km hin und zurück) durch den Regenwald auf einer ehemaligen Bahntrasse zu den Montezuma Falls, dem – wie wir später herausfinden – höchsten Wasserfall Tasmaniens. Diesen kann man am besten von der 50 Meter hohen Hängebrücke über den Ring River sehen und fotografieren.

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Bis in die ehemalige Bergbau-Siedlung Zeehan sind es von Rosebery nur knapp 30 Kilometer und die Fahrt geht recht flott, weil bis hierher nicht mehr viel zu sehen oder zu tun ist. Zeichen der Vergangenheit Zeehans sind schon von weitem in Form von Fördertürmen sichtbar, der Ort selbst liegt versteckt in einem Tal aus zerklüfteten Hügeln und Regenwäldern. Zeehan (benannt nach einem der beiden Schiffe, mit denen Abel Tasman die Insel umrundete) wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet, nachdem der Fund von Zinn, Silber und Blei den größten Bergbauboom im Westen auslösten. Wegen der großen Silbervorkommen trug der Ort den Beinamen „Silver City“ und entwickelte sich rasch zu Tasmaniens drittgrößter Stadt. Läuft man heute durch die verschlafenen Straßen der Stadt, fällt es schwer, dies zu glauben. Allerdings: die historischen Gebäude Zeehans machen den Ort zu einem lebendigen Museum voller Charakter und Geschichte und man kann etwas von der einstigen Größe und Bedeutung (für tasmanische Verhältnisse) erahnen.
Die letzte Ortschaft an der ansonsten unbefahrbaren wilden Westküste ist Strahan. Etwa 50 Kilometer südwestlich von Zeehan am Macquarie Harbour gelegen, ist das ein viel besuchtes Reiseziel und Ausgangspunkt für Fahrten in das UNESCO-Welterbe Western Wilderness und den darin liegenden Franklin-Gordon-Rivers-Nationalpark. Wie bei vielen anderen Orten auf Tasmanien ist die Entstehung und Entwicklung Strahans eng mit dem Vorhandensein natürlicher und ausbeutbarer Ressourcen (hier die Huon-Kiefer) und den zur Zwangsarbeit verurteilen Straftätern verknüpft. 1823 für die schlimmsten Ganoven gegründet, hielt sich Strahan als Strafkolonie bis 1843 das Gefängnis in Port Arthur gegründet wurde, das als ausbruchssicher galt. Es kommt wie es kommen muss, Strahan versinkt in die Bedeutungslosigkeit, bis in die 1870er, es werden Bodenschätze gefunden, eine Eisenbahn nach Queenstown wird gebaut, die Erz und Holz transportiert, die Minen geben irgendwann nichts mehr her und Strahan wird vergessen. Erst mit den 1980ern und dem Aufkommen der Umweltschützer rückt der Ort wieder ins Rampenlicht und ins Blickfeld der Touristen. Wir werden außer einem kleinen Spaziergang nichts in Strahan machen, denn: so schön die Gegend ist und so gern wir eine Flussfahrt zum Gordon River machten…, die Angebote der lokalen Veranstalter sind doch eher für Reisende, denen das Geld im Urlaub locker sitzt. AUS$ 135 pro Person für eine mehrstündige Flussfahrt…

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Strahan hat eine schöne Uferpromenade mit historischen Gebäuden, einen netten Hafen und einen alten Bahnhof, von dem die „West Coast Wilderness Railway“ Richtung Queenstown ablegt und Touristen neun Stunden lang für nicht wenig Geld in historischer Dampflok durch den Regenwald schaukelt… Wir machen uns bald wieder auf den Weg in den Osten…, da dies die einzige Möglichkeit ist.
Vorbei am mit Regenwald bestandenen Teepookana Plateau fahren wir für eine Stunde auf und ab, bevor gegen Mittag Queenstown erreicht ist. Auch dieser 2600-Seelen-Ort verdankt – wie kann es anders sein – seinen Aufstieg und Fall den Bodenschätzen, deren Förderung und Verarbeitung und nachdem das alles nicht mehr ist, wird auf den Tourismus gesetzt. Dabei hat die kleine Stadt noch einige Hausaufgaben zu machen, denn durch die Kupferverhüttung hat auch die Natur sehr stark gelitten. Nette historische Gebäude sind nicht alles, was Reisende sehen wollen. Aber es scheint mit Queenstown und seiner Umgebung wieder aufwärtszugehen, man kann das Ausmaß der Umweltzerstörung noch deutlich sehen, aber auch die Anstrengungen, die unternommen werden, um das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur wiederherzustellen.
Unser Abstecher in den Wilden Westen Tasmaniens nähert sich dem Ende, noch knapp 100 Kilometer haben wir bis zum St. Clair-See vor der Brust, vorbei am Fischer-Paradies Lake Burbury mit schöner Bergkulisse, dem Nelson Wasserfall und dem eigenwillig geformten Quarzitgipfel des Frenchmans Cap, den man auf einer 3-5 tägigen Wanderung erklimmen kann. Auf dem letzten Drittel der Etappe kreuzen wir den Franklin River (mit kurzem Wanderstopp), im Süden hat man einen schönen Blick auf die Mt. William Range und ihre drei Gipfel und bald ist die Derwent Bridge über den gleichnamigen Fluss erreicht, nach deren Überfahrt man links zum Lake St. Clair abbiegen kann. Mehr dazu gibt es im nächsten Teil unseres Reiseberichts.

Ein paar Details

Fahrstrecke ca. 695 Kilometer
Übernachtung in:
Arthur River – Peppermint Cabin Park Campground, 1239 Arthur River Rd, Arthur River, kleiner netter Platz, zentral an der Hauptstraße gelegen und nicht weit vom Arthur River und Strand; im Sanitärbereich brannte manchmal das Licht
Wynyard – Beach Retreat Tourist Park, 30B Old Bass Hwy, Wynyard, sehr sauber, direkt am Strand, Inhaberin führt ein recht strenges Regiment
Eintritt usw.:
Lake St. Clair – entweder Tageskarte für Aus$ 24 kaufen oder den National Park Holiday Pass – (Aus$ 60 / Aus$ 30)

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