Der Great Eastern Drive
Im Gegensatz zur wilden, mit dichtem Regenwald bedeckten Westküste ist die Ostküste Tasmaniens relativ einfach zu erkunden. Das Straßennetz ist gut ausgebaut, die Gegend – wenn auch nicht dicht – so doch besiedelt. Auf den etwa 600 Kilometern von Hobart bis zum Stumpy’s Point im äußersten Nordosten der Insel liegen nicht weniger als fünf Nationalparks, wunderschöne Tauch- und Angelgebiete und…, doch der Reihe nach.
Nicht unweit des Hobarter Flughafens können wir unser Camp-Mobil an der Apollo-Abholstation in Empfang nehmen. Es dauert etwas, bis der Papierkram erledigt und die Einweisung in den Gebrauch des Fahrzeugs erledigt ist, zumal wir ein kostenloses Upgrade von einem kleinen Camper ohne auf einen großen Camper mit Nasszelle und WC bekommen. So groß unsere Freude über diese unerwartete Wohltat anfangs auch ist, im Nachhinein hätten wir gut und gerne auf Dusche und Klo verzichten können, schon nach kurzer Zeit fliegen unnötige Dinge im hohen Bogen in die blicksichere Räumlichkeit. Der eher lieblos ausgebaute Lieferwagen erweist sich zudem oft als zu groß und sperrig, mit riesigem Wendekreis und Verbrauch und dem widerstehlichen Charme eines Paketzusteller-Fahrzeugs.
Egal, wir brausen los.
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Tasman-ArchObgleich nicht zum klassischen Eastern Drive gehörend, ist unser erstes Ziel Port Arthur, jener Ort auf der Tasman Peninsula, der Verbrechern, die während ihrer Haft erneut straffällig wurden, das Fürchten lehren und ein Flucht unmöglich machen sollte. Dazu geht es zunächst in den Nordosten bis Sorell, erste Vorräte werden hier gekauft, und dann weiter auf der A9 bis Dunally und über eine Landenge auf die bewaldete Forestier Peninsula. Etwa 20 Kilometer später ist der Eaglehawk Neck, ein 100 Meter langer Isthmus, der auf die Tasman Peninsula führt, erreicht. Diese schmale Landenge sollte, zu Zeiten von Sträfling & Co. mit Kettenhunden gesichert, jede Flucht von der Halbinsel im Keim ersticken. Neben dem Kettenhund-Denkmal helfen dem werten Besucher noch ein paar Holzhütten (Office Quarters, 1832) der gedanklichen Zeitreise auf die Sprünge, und wer sich nach vielstündigem Flug nicht wie aufs Rad geflochten fühlt: der Tasman Coastal Trek nimmt hier seinen Anfang und lädt zur Wanderung. Für uns ist heute Schluss, es gilt noch vor hereinbrechender Dämmerung einen Schlafplatz zu finden und auf dem Arthur Highway, kurz vor Port Arthur, gewähren wir einen solchen mit Blick auf die Long Bay (so man die Bäume beiseiteschieben könnte). Essen wird gefasst, das erste Ingwer-Bier heruntergestürzt und das Nachtlager mit raschem Handgriff errichtet.
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Der Beutelteufel oder Tasmanische Teufel ist ohne Zweifel das Tier, welches man sofort mit Tasmanien in Verbindung bringt und tatsächlich kommt der kleine Aasfresser nur noch auf dieser Insel vor. Seinem schrillen Schrei verdankt er den dämonischen Beinamen, beim Streit um Beute können sich seine Ohren rot färben. Der Beutelteufel ist ein nachtaktives Tier, die Chance, ihn in freier Wildbahn zu sehen, schätzen wir daher recht gering ein und als wir auf dem Weg nach Port Arthur am Tasmanian Devil Unzoo (einer Art Anti-Zoo mit frei laufenden Kängurus und weitläufigen Gehegen) vorbeikommen, ergreifen wir die Gelegenheit, uns die seltenen Tiere anzusehen.
Port Arthur ist heute eine kleine Siedlung von vielleicht 250 Einwohnern, die Touristenströme zieht es jedoch hauptsächlich wegen des ehemaligen Gefängnisses (seit 2010 UNESCO-Erbe) hierher. Von 1833 bis in die 1850er Jahre wurde aus der ehemaligen prosperierenden Holzfällersiedlung ein Ort des Schreckens für viele Verbrecher des British Commonwealth. Besonders im Separate Prison wurden Reformen im Strafvollzug durchgeführt, die weg von der physischen und hin zur psychischen Bestrafung gingen, dabei handelte es sich um Maßnahmen wie Einzel- und Dunkelhaft, insbesondere aber absolute Stille während des gesamten Häftlingsalltags. Vom ehemaligen Gefängnis ist heute nicht mehr viel übrig, Buschbrände zerstörten 1895 und 1897 neben der im gotischen Stil erbauten Kirche auch den alten Gefängnistrakt und viele weitere Gebäude. Einige dieser Gebäude sind wieder aufgebaut bzw. renoviert worden, insbesondere die Holzhäuser der Offiziere und des Kommandanten wurden mit Liebe zum Detail wieder hergerichtet.
Die Tasman Peninsula hat nur eine Verbindung zur Hauptinsel, sodass man den Weg über Dunalley zurückfahren muss. Mit etwas Zeit im Gepäck sehen wir davon ab, auf dem Highway Richtung Orford im Norden zu fahren, zwischenzeitlich ist es möglich, bei Bream Creek abzubiegen und auf der Wielangta Road den Weg abzukürzen. Aber es sind nicht nur weniger Kilometer zu fahren, die hügelige Strecke führt durch mehrere Waldreservate mit dichtem Baumbestand, es gibt kaum Verkehr, immer wieder haben wir einen Blick auf den Pazifik und hie und da geht es durch kleine Siedlungen oder an Farmen vorbei. In Triabunna machen wir Halt, zum einen ist der Tag einfach zu Ende, dann ist der Ort Ausgangspunkt zur berühmten Maria Island. Das Inselchen, ebenfalls zur Erziehung straffällig gewordener Zeitgenossen genutzt, soll ja schön sein, Möglichkeiten der Betätigung gäbe es genug, sei es Wandern, Baden, ein Spaziergang durch die alte Strafsiedlung Darlington… Und sehenswert seien zudem die Painted Cliffs und Fossilien… Eine Überfahrt kostet jedoch $45 pro Person, die Fähren sind für den folgenden Tag ausgebucht und wir kommen schnell zu dem Ergebnis, dass man auf Tasmanien auch woanders wandern und baden kann. Nicht entgehen lassen wollen wir uns hingegen den Freycinet National Park mit seiner spektakulären Küstenlandschaft und der Wineglass Bay, die einen der zehn besten Strände der Welt haben soll.
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Von Triabunna nach Coles Bay, dem Ausgangspunkt für einen Besuch des Freycinet Nationalparks sind es etwa hundert Kilometer nordwärts. Unterwegs hat man einige Male die Gelegenheit, das Automobil zu verlassen, sich die Beine zu vertreten und ein paar interessante Sachen anzusehen. Mehrere Weinkellereien liegen entlang des Tasmania Highway, das Weingut Devil’s Corner etwa bietet neben guten Weinen einen hervorragenden Ausblick auf die Moulting Lagoon und die Freycinet Peninsula und nur 7 Kilometer vor Swansea findet man linker Hand die Spiky Bridge, eine Brücke die von Sträflingen (von wem sonst?) 1843 ohne Mörtel errichtet wurde, um endlich eine Verbindung von Swansea nach Little Swanport zu schaffen. (Es ist schon interessant, was Gefangene im Laufe der Menschheitsgeschichte so alles aus dem Boden stampften wurde, und vielleicht ist es eine schlechte Idee, Kriminelle abzuschaffen.)
Im Freycinet Nationalpark angekommen, erfahren wir, dass man hier außer Wandern noch eine ganze Menge machen kann: Eine Bootstour, Quadbike-Fahren, Segeln und viele andere lustige Sachen, die einem neben dem Eintrittsgeld in den Nationalpark noch viel mehr australische Dollar aus der Tasche ziehen. Oder man beschränkt sich aufs Wandern, die 11 km lange Tour zum Wineglass Bay Lookout (Great Short Walk) gehört zu den schönsten Wanderungen Tasmaniens und auch der dreistündige Auf-und Abstieg zum Mt. Amos mit Ausblick auf die Bay und die Küste ist jede Anstrengung wert.
Weil der Tag noch nicht zu Ende ist, fahren wir weiter Richtung Norden zur Sleepy Bay mit einem erstklassigen weißen Sandstrand. Es ist Wochenende, die meisten Campingplätze in Meeresnähe sind belegt, die kostenlosen Plätze sogar noch belegter und über Bicheno, einem kleinen Ferienort mit Fischereihafen müssen wir heute noch bis Scamander, von Coles Bay immerhin noch einmal 100 Kilometer, puh. In Scamander finden wir eine Campsite, die noch freie Plätze hat (es gibt dafür Gründe), ansonsten ist hier nicht viel los. Scamander punktet aber mit ausladenden Sandstränden, an denen bei unserem Aufenthalt Pelikane in der Sonne braten…, oder brüten.
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Man könnte, vielleicht, wenn man wollte, von Scamander entlang der Küste bis in den nordöstlichsten Norden Tasmaniens fahren, aber 1. sind wir uns dessen nicht sicher, 2. haben wir keine Ahnung über örtliche Straßenzustände und 3. wären da noch die St Columba Falls, mit 90 Metern angeblich Tasmaniens höchste Wasserfälle. Verlassen wir also die Küste für einen Moment und folgen der A3 ins Landesinnere durch grünes und reich bewaldetes Mittelgebirge. Für Pyengena, eine kleine Bauern-Siedlung (hier kann man eine Käserei besuchen und köstlichen Cheddar mampfen), verlassen wir den Highway und nach einigen Kilometern mehr sind wir am Wasserfall, der zwar für sich nicht so spektakulär ist, seine Lage im „Urwald“ dafür umso schöner, ein lohnenswerter Kurztrip.
Unsere nächsten Schritte sind etwas konfus und lassen sich auch nicht mehr so richtig rekonstruieren. Zunächst geht es auf gleichem Wege zurück bis St. Helens, hier biegen wir auf die C850 ab Richtung Binalong Bay. Der kleine Ort liegt am Südende der Bay of Fires, die ihren Namen von den Lagerfeuern der Aborigines hat, die von den Europäern bei ihrer Ankunft als erstes gesehen wurden. Die Bucht ist sicher einer der schönsten Plätze Tasmaniens, der weiße Sandstrand, gespickt mit von orangefarbenem Moos überzogenen Felsen, hebt sich malerisch vom Türkisblau des Meeres ab
Unser nächstes und letztes Ziel im Nordosten Tasmaniens wird der Mount William Nationalpark sein und da keiner von uns die Lust verspürt, wieder auf den Highway A3 zurückzufahren, machen wir uns über die C843 auf den Weg Richtung Ansons Bay, um irgendwie den Anschluss an die Straße zum Nationalpark zu bekommen. Eine ausgezeichnete Wahl, mehr als 50 Kilometer fahren wir durch dichte Eukalyptus-Wälder verschiedener Forstreservate, manchmal ist die Straße etwas holperig, aber es herrscht so gut wie kein Verkehr. Vor der kleinen Ortschaft Ansons Bay, die über ausgedehnte Gezeitensandflächen verfügt und ein Geheimtipp für Angler sein soll, überqueren wir den Ansons River, der eine seltsame dunkelbraune bis schwarze Färbung aufweist (wahrscheinlich von abgestorbenem Eukalyptus stammend), bei Fischern aber bekannt und beliebt ist. Noch einmal müssen wir scharf abbiegen und die C845 führt an der Icena Farm vorbei, direkt vor die Tore des Mount William Nationalparks.
Die Küstenlinie des Parks gehört noch zur Bay of Fires, die Strände sind weiß (und einsam), das Meer blau und es gibt auch hier die mit Flechten überzogenen Felsen, die in der Sonne in grellem Orange leuchten. An sich nichts Neues. Besonders an diesem Park ist aber die äußerst reichhaltige Flora und die hohe Vielfalt an Landtieren und Vögeln. Vor allem das Östliche Graue Riesenkänguru (Macropus giganteus) hat hier eine Heimat gefunden, auch Filandern, Ameisenigeln sowie Beutelteufeln läuft man mit etwas Glück über den Weg. Auf dem mehrere Kilometer langen Forester Kangaroo Drive bekommen wir wenigstens eine Handvoll der Kängurus zu sehen, bevor wir unser Lager in Stumpys Bay an der Küste aufschlagen und bei einem herrlichen Sonnenuntergang über dem Pazifik und dem erfrischenden Duft des im nahen Fluss vor sich hingammelnden Eukalyptus unser Abendbrot in uns hineinschaufeln.
Stumpy’s Bay
Übernachtung in
Port Arthur – Port Arthur Holiday Park, Garden Point Rd, Port Arthur
Triabunna – Triabunna Cabin & Caravan Park, 4 Vicary Street, 7190 Triabunna, ganz ordentliche Anlage, Wohnhütten mietbar
Scamander – Scamander Tourist Park, Caravanpark und Miethütten, zum Übernachten ok. 70-88 Scamander Avenue, 7215 Scamander
Mount William National Park – Stumpys Bay – Campsite Nr. 3, GPS-Koordinaten: -40.87875, 148.2301
Eintritt usw.:
Tasmanian Devil Unzoo – Aus$ 36, Kinder: Aus$ 20
Port Arthur Historic Site – Aus$40, Kinder: Aus$18
National Park Holiday Pass – Aus$ 60, der Pass ist für 8 Wochen gültig und umfasst das Fahrzeug mit bis zu 8 Person und gilt in allen Nationalparks (einschl. Cradle Mountain). Wer mit dem Bus, Fahrrad o.Ä. unterwegs ist, zahlt Aus$ 30.